Der moderne Mann Körper-Klaus im Dschihad-Camp

Herr K. schreibt auf Handelsblatt Online über den Alltag des modernen Manns. Anregungen bitte an: [email protected]
„Ich muss mehr Sport machen“, sagt Herr K. beim Abendessen zu seiner Frau und erklärt ihr, dass Schnabel aus dem Vorstand neuerdings für einen Halbmarathon trainiert und das ein Zeichen ist und man heute nur noch mit solchen Aktivitäten auf Karriere hoffen kann und überhaupt. Er erwartet enthusiastische Zustimmung, die sich überraschenderweise in Grenzen hält.
Seine Frau schaut ihn mit eher leeren Augen an: „Du weißt schon, wie deine früheren Versuche in dieser Richtung endeten!?“ Es ist weniger eine Frage als ein Vorwurf. „Im Fitness-Studio war’s dir nach drei Besuchen zu langweilig, der Vertrag lief aber noch ein Jahr weiter.“
„Das ist nun mal das Geschäftsmodell dieser Etablissements“, wehrt sich Herr K. „Ein Geschäftsmodell, das uns dann für nix 119 Euro pro Monat kostete. Und ein andermal musste ich dich nachts mit einem Bänderriss vom Bordstein kratzen.“ Er erinnert sich ungern, aber diese Vorlage lässt sie sich nicht entgehen. „Immerhin fand ich dich schnell, weil du diese lustige Grubenlampe über dein atmungsaktives Wollmützchen gespannt hattest.“
„Jetzt hilf mir doch mal!“, schnaubt er. „Ich mach’ das doch nicht zum Spaß. Wie wär’s zum Beispiel mit Fahrradfahren?“ Sie lacht: „Willst du dich wirklich in so eine Neopren-Wurstpelle zwängen und Tour de France spielen?“ Nein, will er natürlich nicht. Und er will auch nicht in einem Schlagloch hängen bleiben und fortan mit einem Speichelfaden im Mundwinkel über den Flur eines Pflegeheims geschoben werden. „Von Outdoor rate ich ab“, sagt seine Frau. „Du tust dir nur weh. Selbst wenn du Minigolf spielst.“
Sorry, aber da war er immerhin mal Dritter in der C-Jugend seines lokalen Minigolf-Vereins. Seine Frau lacht. Er legt Minigolf zu den Akten, nimmt sich aber vor, demnächst nach der Urkunde zu suchen. Und wenn er dann schon dabei ist: Gab’s bei den Bundesjugendspielen früher nicht auch niedliche Trophäen? Er war nicht immer ein „Körper-Klaus“, wie seine Tochter das nennen würde.
So landet Herr K. schließlich doch bei einer jener Fitnessketten, die klingen wie Fastfood-Restaurants und ähnlich billig sind. 19,90 Euro zahlt Herr K. für die Ein-Jahres-Mitgliedschaft pro Monat. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Da will er gar nicht meckern, als er zum ersten Mal das Studio betritt, das in einer sehr authentischen Industriebrache beheimatet ist: Für nichts gibt’s … nichts.
Herr K. hat durchaus was übrig für derartige Effizienz. Da will er auch nicht über seine Mitstreiter räsonieren. Er schaut sich um. Das überwiegend männliche Publikum sieht entweder aus, als bereite es sich auf den Dschihad vor oder wolle Türsteher in einem osteuropäischen Puff werden. Dazwischen steht Herr K., der sich in einem Muscleshirt aber auch nicht jugendlicher fühlen würde. Es kann jetzt nur besser werden. Und so soll es doch sein. Ab jetzt werden jeden Tag Fortschritte gemacht (Fortsetzung folgt).
Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist - beruflich wie privat - bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will künftig die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: [email protected] oder folgen Sie Herrn K.auf Twitter: @herrnK