Der moderne Mann Sein Home ist sein Castle (3)

Herr K. schreibt auf Handelsblatt Online über den Alltag des modernen Manns. Anregungen bitte an: [email protected]
Herr K. starrt vor sich hin. Gerade wird er mit dem internationalen Verbrechen konfrontiert, ohne es zu sehen. Er hört es nur. Am Handy. Weil er gerade aus der Sommerfrische in Florenz bei sich zu Hause anruft, wo eigentlich niemand hätte rangehen dürfen. Aber dann meldete sich plötzlich eine fistelige Stimme, die ihren osteuropäischen Zungenschlag nicht ganz verleugnen konnte: „Challo, was wolle?“
Herr K. sieht in Gedanken eine Horde wodka-transpirierender Schwerstverbrecher, die sich auf seine Wohnzimmercouch fläzen, seinen Grauburgunder trinken und die Catellani & Smith-Lampen zerdeppern oder gleich mit schallgedämpften Schnellfeuerwaffen kaputt schießen. Womöglich benutzen sie sogar das Gästeklo.
„Challo?“, fragt die Stimme am anderen Ende noch einmal, aber Herr K. antwortet nicht. Soll er den Typ in ein Gespräch verwickeln, bis seine Familie vom Shoppen aus der Stadt zurückkommt? Sie schweigen einander an … hier die hässliche Fratze des Großkapitals (Herr K.), dort ein mutmaßlicher Scherge der organisierten Kriminalität (der „Challo“-Frager). Ist das jetzt eine Allegorie auf die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich? Oder eine Parabel? Oder schlicht Blödheit von beiden - von Herrn K., weil er bei sich selbst angerufen hat, und von dem Einbrecher, weil er auch noch abhob?
Herr K. legt auf. Er weiß jetzt, was zu tun ist. Die einzige Frage ist: Muss man aus Italien die „0049“ vorwählen, wenn man die „110“ erreichen möchte? Nacheinander kontaktiert er Polizei, Rotes Kreuz, Lokalpresse und die Nachbarn, denen er empfiehlt, während des bevorstehenden Einsatzes ihre Häuser nicht zu verlassen. Die Produktion von Handyvideos reiche völlig, obgleich Herr K. nicht sicher ist, welche versicherungsrechtliche Relevanz die später haben.
Er rechnet damit, dass sich in den nächsten Sekunden ein mobiles Sonderkommando in schwarzen Overalls übers Hausdach abseilt, „Hatt-hatt-hatt“ schreit und dann … Er ruft noch mal „110“ an und bittet darum, weder die Eingangstür noch die Fenster bei der Erstürmung zu beschädigen, und hinterlässt seine Telefonnummer. Die Minuten zerrinnen zäh wie die Schweißperlen zwischen seinen Schulterblättern. Zehn Minuten. 20. 30. Vielleicht wurde noch die GSG9 konsultiert?
Nach eineinhalb Stunden bimmelt endlich das Handy von Herrn K. „Ich hab sie“, sagt ein Polizist, der offenbar allein nach dem Rechten gesehen hat. „Ist vielleicht ’n bisschen atypisch, das Täterprofil … eine slowakische Frau Mitte 60, die sagt, sie sei Ihre Putzfrau. Das wird jetzt nicht ganz billig.“
In dem Moment kommt Herrn K.s Familie an den Tisch seiner Trattoria. Er fragt seine Frau, seit wann sie eine Putzfrau haben. „Seit einer Woche… Danica aus Bratislava. Wahnsinnig nette Frau. Auch als Einbrecher-Schutz. Da warst du doch so scharf drauf.“ (Ende)
Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist - beruflich wie privat - bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will künftig die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: [email protected] oder folgen Sie Herrn K. auf Twitter: @herrnK
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