Der moderne Mann Vom Brexit zum Sexit

Herr K. schreibt auf Handelsblatt Online über den Alltag des modernen Manns. Anregungen bitte an: [email protected]
Nach dem Weltuntergang hat Herr K. in der Kantine die Wahl zwischen Fleischspießchen „Puszta“, Schollenfilet und Veggie-Döner mit Salat. „Jetzt geht’s endgültig den Bach runter“, begrüßt ihn Koslowski. „Nach dem Brexit zerreißt es erst mal das Vereinigte Königreich. Oder glaubt ihr, dass die Schotten sich jetzt noch an ihr altes Referendum gebunden fühlen?“ Herr K. weiß es nicht. Er kennt keinen einzigen Schotten (außer vielleicht Sean Connery, aber auch den natürlich nur vom Sehen), schaut aber obligatorisch betreten.
„Und das ist erst der Anfang“, meint Frau Doktor Schwielow und dreht sich energisch ihre pflasterfarbenen Spaghetti auf die Gabel: „Bald werden auch andere Nationen einen Abgang machen. Diese EU, die europäische Idee ... das ist doch alles am Ende.“ Wie heißt das eigentlich, überlegt Herr K., wenn Schweden auch aus der EU raus will? Sexit? Oder Schwexit?
Berger aus dem Marketing flankiert: „Das ganze verrottete Brüssel gehört abgeschafft oder gleich niedergebrannt: dieses Verwaltungsmonstrum mit all seiner aufgeblähten Bürokratie!“
Koslowski lässt sich hinreißen, so laut „Brenne, Rom!“ zu rufen, dass an der Essensausgabe Frau Stibbenbrook erschrocken ihren Obstsalat auf die Terrakottafliesen fallen lässt. Aber darum muss sich jetzt Aische, die kurdische Küchenhilfe, kümmern, denn hier wird gerade Geschichte formuliert: „Und habt ihr gesehen, was Frau Cameron anhatte, als ihr Mann seinen Rücktritt verkündete? So läuft man doch nicht rum ... nicht mal in England.“
Überhaupt dieses einst so stolze Königreich: „Cameron weg, Schotten weg!“ Frau Doktor Schwielow zeigt sich ehrlich empört: „What comes next!?“
„Ist doch klar ... Trump wird US-Präsident. Die Welt in Populistenhand“, düstert sich Berger in eine apokalyptische Zukunft. „Farage. Le Pen. Wilders. Petry. Orbán. Erdogan. Dabei geht’s gar nicht um Europa, sondern um die Flüchtlinge. Nächstes Jahr wird Merkel der ganze Laden um die Ohren fliegen. Da geb' ich euch Brief und Siegel drauf. Brief! Und! Siegel!“
Das Quartett ist jetzt fertig mit dem Hauptgang. „Ich geh mal Kaffee holen“, sagt Frau Doktor Schwielow. Espresso Macchiato. Großer Latte decaf. Grüner Tee. „Ich nix“, sagt Herr K. „Nicht so schüchtern!“, sagt Koslowski. „Wer weiß, wie lange es noch was gibt?“ Er empfiehlt zügige Hamsterkäufe, Selbstschussanlagen in den heimischen Buchsbaumhecken und rechnet mit baldigen Währungsabstürzen, Staatspleiten, Plünderungen. „Geht jetzt ganz schnell ... und eh ihr’s euch verseht, leben wir wieder in Höhlen oder Tipis ...“ Er macht eine Pause und schaut von Herrn K. zu Frau Doktor Schwielow zu Berger: „Jedenfalls die Glücklicheren von uns. Die anderen werden von islamistischen Horden überrannt.“
„Die machen keine Gefangenen“, sagt Berger. „Die Welt in der Hand von IS-Terror, Rechtspopulisten und Islam“, nickt Koslowski. „Apropos: Der Döner war das Schlimmste heute, oder?“
Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist - beruflich wie privat - bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will künftig die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: [email protected] oder folgen Sie Herrn K. auf Twitter: @herrnK