Der moderne Mann Vom Gründen und Scheitern

Herr K. schreibt auf Handelsblatt Online über den Alltag des modernen Manns. Anregungen bitte an: [email protected]
Darf man eigentlich noch den Begriff „Penner“ verwenden?, fragt sich Herr K., als er in der Mittagspause nicht in die Kantine geht, sondern zu Sergio, dem Lieblings-Italiener der Führungskräfte seiner Firma. Ist „Obdachloser“ der ethisch korrektere Begriff? Oder wohnsitzloser Kleinunternehmer? Herr K. möchte wirklich keinen Fehler machen, denn er trifft bei jedem Sergio-Ausflug auf Kuddel, der immer an derselben Ecke sitzt und von ihm einen Euro kriegt oder zwei. Als Gegengeschenk bekam er von Kuddel bislang oft ein selbst gebasteltes Männchen aus geknickten Kronkorken. Diesmal aber ist alles anders: Kuddel hat dem Männchen noch eine Heftklammer-Krawatte um den Hals gehängt. Damit ist für Herrn K. der Moment zum Handeln gekommen.
Er weiß, wie das jetzt weiterginge. Erst macht Kuddel auch noch eine Kronkorken-Frau, um neue Zielgruppen anzusprechen. Das Portfolio wird dann Schritt für Schritt um Kronkorken-Kinder und -Haustiere erweitert, was die Nachfrage schnell über die direkte Nachbarschaft hinauswachsen lässt. Kuddel investiert seine Einnahmen in ein E-Commerce-Portal namens kronkorken-maennchen.de. Skaleneffekte werden wichtig.
In dieser Phase geht es um schiere Masse, nicht um Gewinne. Die Produktion wird aus Kostengründen nach Bukarest verlagert, dann nach Guangdong. Ein Private-Equity-Fonds aus London investiert 15 Millionen Euro und erhält im Gegenzug 25,1 Prozent an der Kuddelmuddel AG, die von einem Bankenkonsortium unter Führung von Goldman Sachs an die Frankfurter Börse gebracht wird. Das Papier ist 15-fach überzeichnet. Die „Börsenzeitung“ warnt, „Focus Money“ rät zum Kauf.
Die Samwer-Brüder entdecken das Potenzial und fluten etliche Schwellen- und Entwicklungsländer mit billigen Kopien wie korkenking.ng und mannimanno.br. Um seine Core-Values zu promoten, entscheidet sich Vorstandschef Kuddel zu einer mehrwöchigen Print-Kampagne mit Cosma Shiva Hagen in der Rolle des Kronkorkenmädchens. Proaktiv.
Dennoch bricht der Absatz ein. Salzteig-Männchen sind „das neue große Ding im Netz“, schreibt „Business Punk“. Die Banken werden unruhig, die Aktie stürzt ab. Erste Flagship-Stores in teuren Innenstadtlagen müssen schließen. „Focus Money“ hat es immer schon gewusst. Ein „PlusMinus“-Beitrag deckt steuerliche Unregelmäßigkeiten der Holding auf. Kuddel muss sich wegen Insolvenzverschleppung und Untreue verantworten. Wenn es so weitergeht, wird er auf der Straße landen. Genauso wird es sein, wenn Herr K. das Kronkorken-Business weiter unterstützt. Genau so!
Herr K. steht vor Kuddel und schaut ihn ratlos an: „Ich kann dir nichts mehr geben, Kuddel“, sagte er. „Es ist wirklich zu deinem Besten.“ Kuddel wartet mit einer Replik, bis Herr K. um die Ecke verschwindet. Dann murrt er: „Penner!“
Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist - beruflich wie privat - bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will künftig die Antworten liefern.
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