Der moderne Mann Wann kommt die Industrie 5.0?

Herr K. schreibt auf Handelsblatt Online über den Alltag des modernen Manns. Anregungen bitte an: [email protected]
Die Industrie 4.0 ist nicht mehr aufzuhalten, das ist mittlerweile auch dem letzten ostwestfälischen Hidden Champion aus dem Bereich Zinkdruckguss-Gelenkmuffen klar. Und wenn Herr K. die Zeichen richtig deutet, dann wird diese neue Ära, dieses frisch aufgeschlagene Kapitel Menschheitsgeschichte … na ja … auch ein bisschen albern.
Denn überall werden als Beleg der anstehenden Umwälzungen jetzt zwei Arten von Robotern gezeigt: Die einen sehen aus wie Menschen, nur eben aus Blech und Kabeln, aber mit Händen und Füßen und Bauch und Kopf. Die anderen sehen gar nicht aus. Meist sind es nur klobige Greifarme, die aber mit großer Eleganz eher schlichte Servicedienstleistungen übernehmen, etwa Kaffee oder Apfelschorle einschenken. Manche können auch ein rohes Ei von links nach rechts heben, und das wahrscheinlich 23,7 Millionen Mal hintereinander ohne Verschleiß oder gar Beschwerde beim Betriebsrat.
Man muss das mal gesehen haben, wie zum Beispiel auf der Hannover Messe vor den Kuka-Robotern chronisch euphorisierte Menschentrauben standen. Wow! Er gießt Wasser ein! Macht schnell ein Foto davon!
Herr K. überlegte kurz, ob er sich danebenstellen sollte: Immerhin verfügt er selbst über ein menschenähnliches Erscheinungsbild und kann neben Wasser und Apfelschorle sogar fehlerfrei Weißbier eingießen. Vielleicht nicht 23,7 Millionen Mal, aber dafür könnte Herr K. simultan noch eine lustige Geschichte erzählen.
Zum Beispiel die, als er im Winter beim Weltwirtschaftsforum in Davos war, wo es auch an jeder Straßenecke um Industrie 4.0 ging. Frau Doktor Schwielow aus dem Vorstand war kurzfristig erkrankt und … ist ja auch egal. Jedenfalls standen die globalen Top-Entscheider samt Weltpresse dort im Kongresszentrum am liebsten um einen Roboter herum, der eine Zeitung halten konnte … mal das "Wall Street Journal", mal die "Financial Times".
Soweit Herr K. das zu beurteilen vermochte, hat der Roboter die Zeitungen weder gelesen noch sich kritisch zur Grundthese einzelner Leitartikel geäußert. Okay, das Ding hat die Zeitungen nicht zerknüllt, aber reicht das für die anstehende Revolution? Und wann ruft endlich jemand die Industrie 5.0 aus, die dann vielleicht nur noch virtuell stattfindet und selbst die heutigen Zeitungsständer in Alteisen verwandelt?
Natürlich weiß Herr K., dass da mehr auf ihn zukommt als Maschinen, die gleichzeitig Bier einschenken und Zeitungen halten: Sie werden bald ihre eigenen Ersatzteile ordern. Nicht nur in der Gelenkmuffen-Branche wird alles mit allem vernetzt - und eine Vielzahl heute noch gut bezahlter Jobs dann von Robotern und Algorithmen übernommen. Auch der von Herrn K.
In diesem Moment stieß in Hannover irgendwer an den Tisch mit dem Greifarm, der ins Schlingern geriet und vornüber fallend die Bierflaschen mitriss. Der Kampf zwischen Mensch und Maschine, er hat gerade erst begonnen.
Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist - beruflich wie privat - bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will künftig die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: [email protected] oder folgen Sie Herrn K.auf Twitter: @herrnK