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Homeoffice

Bürotrends Digitaler, traditioneller, grüner: Corona könnte die Arbeitswelt nachhaltig verändern

Die Coronakrise ist eine Blaupause für die Personalstrategien der Zukunft. Fünf Trends, die die Unternehmenswelt langfristig prägen könnten.
27.05.2020 - 15:06 Uhr Kommentieren
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie war viel zu oft Frauensache. Quelle: imago/Ikon Images
Kinderbetreuung und Homeoffice

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie war viel zu oft Frauensache.

(Foto: imago/Ikon Images)

Düsseldorf Wenn es um Veränderungen geht, sprechen Personaler gern von einem Change-Prozess. So gesehen, hat die Corona-Pandemie das wohl größte Organisationsexperiment aller Zeiten ausgelöst. Gerade einmal zwölf Prozent der Mitarbeiter arbeiteten vor Corona im Homeoffice. Schätzungen der Universität Mannheim zufolge hat sich der Anteil durch die Pandemie nun auf 25 Prozent mehr als verdoppelt.

Ein Trend, der sich nach Ansicht von Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager (BPM), fortsetzen wird: „Alle, vom Azubi bis zum Aufsichtsrat, haben eine steile Lernkurve hingelegt.“ Sogar ein Recht auf Heimarbeit schlug Arbeitsminister Hubertus Heil vor. All das war aber nicht nur ein Stresstest, sondern auch eine Blaupause für die künftige Arbeitswelt.

Walter Jochmann, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Kienbaum, sieht in der „Dramatik der Krise ein nie da gewesenes Momentum für die Personalabteilungen, das bahnbrechende Veränderungen auslösen wird“. Doch wie genau verändert die Pandemie die Arbeitswelt? Fünf Trends beschreiben den Wandel.

Trend 1: Rolle rückwärts der Frauen

Die Väter gehen zur Arbeit, die Mütter bleiben zu Hause – kümmern sich um Haushalt und Kinder. Das Rollenbild aus dem vergangenen Jahrhundert ist durch die Pandemie aktueller denn je. Um Kinder zu Hause zu betreuen und zu unterrichten, haben vor allem die Frauen ihre Arbeitszeit reduziert. Das zeigt eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI).

So haben 27 Prozent der befragten Mütter mit Kindern unter 14 Jahren weniger gearbeitet, bei den Männern waren es nur 16 Prozent. „Selbst bei Paaren, die sich zuvor die Arbeit geteilt haben, übernehmen Frauen vermehrt die Sorgearbeit“, sagt WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch.

Das gilt vor allem für Familien mit einem niedrigeren Einkommen. Denn gerade diese Familien können es sich meist nicht leisten, dass der Mann weniger arbeitet. Schließlich verdient er im Schnitt ein Fünftel mehr als seine Frau.

Für die Berliner Soziologin Jutta Allmendinger eine schlimme Entwicklung. Was den erreichten Fortschritt in Sachen Gleichberechtigung angeht, würden Frauen „drei Jahrzehnte verlieren“, sagte sie in einer Talkshow.

Die Pandemie sorgt für eine Rolle rückwärts beim Frauenbild – was in der Arbeitswelt die ohnehin ungleichen Aufstiegs- und Vergütungschancen von Frauen weiter verringert. Dag Schölper, Geschäftsführer des Bundesforum Männer, fordert daher: „Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist auch ein Väterthema. Dem müssen sich Politik und Unternehmen endlich stellen.“

Die Ausweitung von Partnermonaten beim Elterngeld müsse angepackt, die Gehaltslücke zwischen den Geschlechtern beseitigt und bezahlbare Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt werden. Arbeitgeber müssten handeln.

Auf das Potenzial weiblicher Talente könnten sie nicht verzichten, zumal sich in diesem Jahrzehnt die Babyboomer-Generation in Rente verabschiedet. Die in den 1950er- und 1960er-Jahren Geborenen stellen etwa ein Drittel der heutigen Bevölkerung.

Trend 2: Vertrauen statt Kontrolle

„Trust is the new control“ prangt auf dem Laptop von Microsoft-Managerin Masa Schmidt. Frei übersetzt heißt das „Vertrauen statt Kontrolle“. Ob ihre 16 Kollegen gerade Mails schreiben oder auf dem Balkon entspannen, weiß sie nicht. „Mir ist das ehrlich gesagt auch egal“, sagt sie. Hauptsache, das vereinbarte Ergebnis stimme.

Schmidt verlässt sich auf ihre Kollegen, die selbstorganisiert arbeiten. Das kann sie auch. Mal im Homeoffice, mal im Büro – für Managerin Schmidt und ihr Team hat sich seit Jahren bewährt, was für viele ein Novum ist.

Mit dem Durchbruch der mobilen Arbeit müssen sich Führungskräfte umstellen. Kontrolle abzugeben und Vertrauen aufzubauen fällt vielen schwer, vor allem wenn sie selbst in der Präsenzkultur aufgestiegen sind. Doch ein Unternehmen, das nach der Krise wieder zum Modus: „Alles hört auf mein Kommando“ zurückkehrt, „wird an den Punkt kommen, an dem es nicht mehr weitergeht“, warnt Axel Korge. Zu langsam, zu unflexibel, zu wenig innovativ.

Korge erforscht am Fraunhofer Institut die Zukunft der Arbeit und warnt, Digitalisierung und gesellschaftliche Megatrends wie Gesundheits- und Umweltschutz erzeugten gewaltigen Veränderungsdruck.

„Unternehmen müssen die Scheuklappen abnehmen und auf Agilität umstellen“, rät der Wissenschaftler. Es geht darum, Organisationsformen zu wählen, heißen sie nun „Scrum“ oder „Holocracy“, die Mitarbeiter mehr Verantwortung übertragen und sie an Entscheidungs- und Innovationsprozessen beteiligen – bis hin zum völligen Selbstmanagement des New Work. Korge weiß: „Nur so können sich Unternehmen erfolgreich anpassen.“

Insofern muss eine Atmosphäre geschaffen werden, die Lust auf Wandel macht sowie ein Wirgefühl vermittelt – und das alles auf Distanz. Für so manchen Manager ist das ungewohnt, wie eine Befragung der Unternehmensberatung Odgers Berndtson von rund 1100 Führungskräften zeigt, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Demzufolge sehen zwei Drittel der Teilnehmer die Aufrechterhaltung der informellen Kommunikation als größte Herausforderung in virtuellen Teams.

„Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitern die gewünschten Ziele verständlich kommunizieren, noch wichtiger aber ist es, sensibel für ihre Stimmungslage zu sein“, sagt Managing Partner Daniel Nerlich. Denn dass Mitarbeiter in Eigenregie allumfassend arbeiten und dabei auch Zeit und Kosten nicht aus den Augen verlieren, überfordert so manchen.

„Machbar“, meint dennoch das Gros der Befragten. Nur ein gutes Drittel der Führungskräfte zeigt sich skeptisch.

Trend 3: Mosaikkarriere

Egal ob Manager oder Maschinist – „zu glauben, nach der Pandemie gehe es beruflich weiter wie zuvor, ist illusorisch“, sagt Katharina Lochner, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der University of Applied Sciences Europe.

Zwar bieten Remote-Work-Angebote weitaus mehr Job-Optionen, da der Sitz des Unternehmens an Bedeutung verliert. „Jedoch dürfte dadurch die Unternehmenskultur weniger erlebbar sein und die Bindung zum Arbeitgeber abnehmen“, warnt Barbara Wittmann, Deutschlandchefin des Karrierenetzes LinkedIn. Folge: häufigere Arbeitgeberwechsel als bisher.

Ergänzend prognostiziert Berater Nerlich: „Der Karriereverlauf ähnelt künftig mehr einer Spirale als einer Leiter.“ Seitwärtsbewegungen dürften häufiger zu beobachten sein als der lineare Aufstieg. Mal eine Führungsrolle bekleiden, dann in einem Projektteam mitarbeiten, vielleicht aus der zwischenzeitlichen Selbstständigkeit wieder in einen Konzern wechseln – Mosaikkarrieren werden zur Regel.

„Der Karriereverlauf ähnelt künftig mehr einer Spirale als einer Leiter.“
Daniel Nerlich (Odgers Berndtson Personalberatung)

„Der Karriereverlauf ähnelt künftig mehr einer Spirale als einer Leiter.“

Wegen der digitalen Transformation und der demografischen Entwicklung öffnen sich Arbeitgeber zunehmend für Quereinsteiger aus anderen Branchen und mit ungewöhnlichen Lebensläufen. Erfahrung und Persönlichkeit schlägt die rein formale Qualifikation.

Der Digitalisierungsschub ändert viele Berufsbilder. Darauf weist Arbeitsökonomin Nicola Düll hin, die die EU-Kommission berät. Vom Facharbeiter, der mit Robotern zusammenarbeitet, bis zum Manager, der mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) Entscheidungen fällt. IT-Kenntnisse werden in Zukunft in vielen Jobs gebraucht. Düll rät Arbeitgebern, „die Menschen fortzubilden“. Lebenslanges Lernen wird zur Realität.

Um all das zu berücksichtigen, setzt zum Beispiel Personalvorständin Nicole Gerhardt von Telefónica neuerdings auf KI: Um ihren Mitarbeitern eine neue interessante Position oder geeignete Weiterbildungen anzubieten, gleicht die Beyond-Software Stellenofferten mit den Kompetenzprofilen der Telefónica-Angestellten aus sozialen Netzwerken wie LinkedIn oder Xing ab.

Mithilfe des Tools will Gerhardt bis 2022 rund 70 Prozent der ausgeschriebenen Stellen intern besetzen und gewährleisten, dass das Unternehmen stabil und agil die Veränderungen der nächsten Jahre bewältigen kann.

Trend 4: Talente verwöhnen

Selbstbestimmtheit und Lebensqualität sind die Triebfedern der modernen Arbeitswelt. Homeoffice ist daher kein Extra, sondern die Basis, um als attraktiver Arbeitgeber angesehen zu werden.

Daher müssen sich Unternehmen darauf einstellen, für ihre vernetzten, hochqualifizierten Teams eine Atmosphäre zu schaffen, in denen Experten gern arbeiten – auch fachübergreifend.

Primär geht es dabei nicht ums Wohlfühlen, sondern um Motivation. „Der Teamleader ermöglicht, dass die Mitarbeiter von sich aus alles aus sich herausholen, damit sie die gesteckten Ziele erreichen“, sagt Personalberater Nerlich.

Weitere Themen, die sich vor der Coronakrise abzeichneten, gewinnen dabei deutlich an Gewicht: Zum einen wollen Toptalente das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Davon profitiert auch das Unternehmen.

Wer es schafft, seinen Angestellten zu vermitteln, einem höheren Zweck mit der Arbeit zu dienen, bekommt Mitarbeiter, die sich stärker engagieren. Inga Dransfeld-Haase (BPM-Präsidentin)

„Denn“, so erklärt BPM-Präsidentin Inga Dransfeld-Haase, „wer es schafft, seinen Angestellten zu vermitteln, einem höheren Zweck mit der Arbeit zu dienen, bekommt Mitarbeiter, die sich stärker engagieren.“ Damit wachse der Ideenreichtum, und Mitarbeiter seien eher bereit, sich um- oder weiterzuqualifizieren.

Zum anderen entwickeln sich Unternehmen, damit ihre Mitarbeiter für all das den Kopf freihaben, zu „Caring Companies“. Zukunftsforscher Sven Gabor Janszky erläutert: „Fürsorgliche Firmen bauen Bindungen in das soziale Umfeld des Mitarbeiters auf: zu seinen Kindern, Eltern, seinem Lebenspartner, seinen Sport-, Kultur- und Freizeitinteressen.“

So fördert etwa VW schon heute eine Privatschule am Unternehmensstandort Wolfsburg. Die Stiftung des Mittelständlers Würth gründete gleich zwei Schulen. BASF bietet Angestellten betriebseigene Wohnungen. Hewlett-Packard und Nestlé zahlen Vätern und Müttern während ihrer Elternzeiten mehrere Monate volles Gehalt weiter.

Laut Janszky sind all das Belege dafür, dass die Firma ein Stück weit Teil der Familie wird – vor allem in Branchen und Regionen, wo der Fachkräftemangel besonders stark zu spüren ist.

Trend 5: E-Bike statt E-Klasse

Derzeit überlegt die Bundesregierung, wie ihr Konjunkturpaket nach Corona die Wirtschaft grüner und nachhaltiger macht. Kommissionschefin Ursula von der Leyen fordert, dass die EU mit dem „Green Deal“ bis 2050 klimaneutral wird.

Ein solch weitreichender Wandel geht natürlich auch an den Personalabteilungen nicht spurlos vorbei. Schon vor der Krise gaben sich Deutschlands Unternehmen nachhaltig und bemühten sich medienwirksam um ihre ethische Verantwortung.

Nicole Mai, Beraterin bei der Personalberatung Russell Reynolds, sagt: „Nachhaltiges Wirtschaften wird immer wichtiger, denn der Druck aus Gesellschaft und Politik wächst – und damit auch der der Investoren.“

So heißt es: E-Bike statt E-Klasse, Videokonferenz statt Flugzeug, „Green Hero“ statt „General Manager“ – die Öko-Ideen der Firmen werden ein immer wichtigeres Marketingmittel bei der Personalsuche und helfen, gerade jüngere Beschäftigte zu gewinnen und zu motivieren.

Für sie, das zeigt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey, ist ein nachhaltig agierender Arbeitgeber bei der Berufswahl sogar wichtiger als ein hohes Gehalt. Zumal – allein über Gehaltsanreize Mitarbeiter bei der Stange zu halten – das dürfte nach der Krise für viele Unternehmen schwierig werden.

Mitarbeit: Anne Koschik

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