Handelsblatt Karrierecoach „Meine Mitarbeiter verlangen hybrides Arbeiten und New Work – Was soll ich tun?“

Solche Büros stehen sinnbildlich für das Schlagwort „New Work“. Wie sollen Führungskräfte reagieren, wenn Mitarbeiter solche Arbeitsweisen einfordern? Der Handelsblatt Karrierecoach hat Antworten.
Düsseldorf Regelmäßig präsentieren wir Ihnen an dieser Stelle eine Frage zu Job, Gehalt oder Karriere – mit einer Antwort eines unserer renommierten Experten. Wenn Sie auch eine Frage an den Handelsblatt Karrierecoach haben, schicken Sie uns eine Mail an [email protected] – wir leiten Ihre Frage anonymisiert an unsere Experten weiter.
Das Problem in dieser Woche:
Richard M. ist seit zwölf Jahren Werksleiter bei einem mittelständischen Unternehmen. Mit dem Ende der Homeoffice-Pflicht fragen ihn immer mehr seiner 360 Mitarbeiter, ob sie künftig nicht hybrid arbeiten dürfen, also in einer Mischung aus Büro- und Homeoffice-Tagen.
„Jetzt wollen plötzlich alle New Work“, sagt M. – und klingt verunsichert. „Wenn man nur immer wüsste, was dabei sinnvoll ist und was nur irgendeine Mode.“ Berater würden ja auch ganz gern „Pseudo-Neues“ erfinden.
Karrierecoach Michael Alznauer antwortet:
Ich befürchte, Sie haben recht, Herr M.: Es wird zunehmend schwieriger, in der Führungspraxis zwischen kurzlebigen Moden und nachhaltigen Trends der Arbeitswelt zu unterscheiden. Die Pandemie-Erfahrung hat dabei die Vielfalt der Diskussion noch weiter angeheizt.
Unter dem Schlagwort „New Work“ lässt sich gerade fast jedes Berater-Produkt leichter vermarkten. Und natürlich gibt es auch Mitarbeiter, denen es in dem Zusammenhang vor allem um ihre persönlichen Vorteile geht. So ist es jetzt doppelt wichtig, als Führungskraft die eigene Linie zu bewahren − oder manchmal auch neu zu finden. Lassen Sie uns dazu zunächst an Grundlegendes denken:
Mitarbeiter gewinnen, halten und führen
Es wird für Unternehmen immer schwerer, kompetente Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Firmen arbeiten verstärkt daran, für Manager und Mitarbeiter attraktiv zu sein, und stellen fest, dass deren Erwartungen anders aussehen als noch vor wenigen Jahren.
Deshalb lässt sich ein Teil der Diskussion rund um „New Work“ und „hybrides Arbeiten“ auch in diesem Zusammenhang sehen: Was muss oder will ein Unternehmen tun, um noch anziehender für wertvolle Mitarbeiter zu sein?
Wichtig ist, dass Sie diese Frage aber nicht unreflektiert auf Ihr eigenes Verhalten übertragen, Herr M., Führung ist keine Wohlfühlaktion für jeden einzelnen Mitarbeiter, sondern eine Dienstleistung für die ganze Organisation. Hier muss der gemeinsame Erfolg an erster Stelle stehen – und nicht die Frage, was sich jeder Einzelne von seiner Arbeit oder Führungskraft erträumt.
Ich schlage ein Vorgehen in drei Schritten vor:
Schritt 1: Klären Sie Missverständnisse in Bezug auf Ihre Führungsaufgabe
Mitarbeiter werden immer häufiger gefragt, wie sie geführt werden wollen. Lassen wir offen, ob dies aus Verunsicherung der Führungskräfte oder zur Motivation der Belegschaft geschieht: Der Ansatz ist in beiden Fällen unglücklich, weil er die falschen Signale und Prioritäten setzt.
Die Erwartungen werden hochgeschraubt und Enttäuschungen sind vorprogrammiert. Im Ergebnis erreicht man nicht selten das Gegenteil von dem, was man wollte: Statt Mitarbeiter zu motivieren, hat man sie frustriert. Nicht dass es unwichtig wäre, was Mitarbeiter von ihrer Führung erwarten. Entscheidend muss jedoch sein, welche Führung die jeweilige Situation verlangt.

In dieser Rubrik können Leser ihre Fragen zu Job und Karriere stellen – die Antwort hat diesmal Führungscoach Michael Alznauer geliefert.
Vermitteln Sie deshalb in all Ihrem Handeln freundlich und konsequent, dass Ihr Kompass der gemeinsame Erfolg ist. Diese Grundhaltung darf weder dem Zeitgeist noch einzelnen Mitarbeiterwünschen geopfert werden.
Schritt 2: Blocken Sie Anliegen Ihrer Mitarbeiter nicht ab
Manager müssen dafür sorgen, dass der Betrieb gemeinsam mit den Angestellten funktioniert. Voraussetzung dafür ist ein abgestimmtes und vor allem unterstützendes Miteinander. Wenn Sie Anliegen Ihrer Mitarbeiter also kategorisch ablehnen, vermitteln Sie im unglücklichsten Fall den Eindruck, dass Ihnen Menschen nicht wichtig sind. Erfolgreiche Leistungsgemeinschaften würden dann nicht entstehen.
Betrachten Sie Anliegen Ihrer Mitarbeiter daher als Anregung zum Nachdenken. Wer behauptet denn, dass Erfolg und Professionalität sich nicht mit persönlichen Vorlieben verknüpfen lassen?
Schritt 3: Loten Sie gemeinsam den Spielraum aus
Sobald der Leistungsanspruch an das Team und die Erwartungen an jeden Einzelnen klar definiert sind, wird auch der Spielraum sichtbar. Warum sollte man es sich in diesem Rahmen nicht gemeinsam so angenehm wie möglich machen?
Interessant ist, dass die Pandemie auch für neue, attraktive Lösungen und Erfahrungen gesorgt hat. Insbesondere die Flexibilität, die sich aus Homeoffice und virtuellen Begegnungen ergibt, wird von vielen Menschen mittlerweile sehr geschätzt. Wenn Sie also von Mitarbeitern nach „hybridem Arbeiten“ oder „New Work“ gefragt werden, klären Sie einfach, was damit konkret gemeint sein soll.
Suchen Sie anschließend zusammen nach Lösungen, die den Bedürfnissen Ihrer Mitarbeiter gerecht werden – und den gemeinsamen Erfolg nicht gefährden. Der Sorge, hier zu viele Einzelfälle und damit Aufwand und Ungerechtigkeiten zu schaffen, können Sie durch offene Gespräche in der Regel gut begegnen.
Bei Unsicherheiten vereinbaren Sie eine Testphase, die Sie anschließend gemeinsam auswerten. Starten Sie zusammen kleine Experimente. Ihr Team wird applaudieren!
Das ist der Experte
Michael Alznauer aus Bonn ist Führungsspezialist, Managementberater und Evolutionspsychologe. Der Gesellschafter der Karriereberatung LEAD2gether ist Autor des Ratgebers „Das evolutionäre Führungsmodell. Sieben Kernaufgaben für eine erfolgreiche und effiziente Führungskraft“.
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