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Serie: Unternehmerinnen weltweit Mexikanische Gründerin: „Ich werde noch immer jeden Tag infrage gestellt“

Trotz einer höheren Gründerinnenquote werden Frauen in Mexikos Wirtschaft benachteiligt. Gabriela León hat es mit Durchhaltevermögen und Desinfektionsspray geschafft.
03.09.2021 - 04:17 Uhr Kommentieren
Die Biochemie-Ingenieurin hat ein Desinfektionsmittel mit Langzeitwirkung entwickelt, das auch im Kampf gegen Covid-19 eingesetzt wird. Quelle: Éviter
Gabriela Léon

Die Biochemie-Ingenieurin hat ein Desinfektionsmittel mit Langzeitwirkung entwickelt, das auch im Kampf gegen Covid-19 eingesetzt wird.

(Foto: Éviter)

Mexiko Stadt Wenn man Gabriela León fragt, wie ihr in Mexiko der Aufstieg zur erfolgreichen Unternehmerin gelungen ist, dann sagt sie sofort: „Ich könnte weinen.“ Aber dann lacht sie erst mal während des über Zoom geführten Gesprächs. Die 55-Jährige kann das heute auch, denn sie ist längst angekommen im Kreis der wichtigsten Entrepreneure des zweitgrößten Landes Lateinamerikas.

Aber es war ein Weg gegen permanente Widerstände. „Und er ist es noch heute“, erzählt sie. „Ich werde noch immer jeden Tag infrage gestellt – als Unternehmerin, Wissenschaftlerin und Frau.“

Mexiko liegt dabei mit einem Unternehmerinnenanteil von 12,4 Prozent als eines von zehn Ländern über dem OECD-Schnitt von 9,2 Prozent. Am Beispiel von Gabriela León zeigt sich, was es braucht, um dort erfolgreich zu sein. Sie ist mit ihrer Firma Éviter Marktführerin in einem selten von Frauen besetzten Segment.

Die Biochemie-Ingenieurin hat das Nanomolekül „Nbelyax“ entwickelt, das für 72 Stunden Bakterien und Viren eliminiert. Ihr Geschäft sind vor allem Desinfektionsprodukte wie Sprays, Gels und Seifen für den privaten Gebrauch und die professionelle Nutzung, etwa in Krankenhäusern.

Die Mexikanerin ist mit ihrem Unternehmen längst dem heimischen Markt entwachsen, hat Niederlassungen in Nordamerika und Europa und Fabriken in den USA, Costa Rica und Honduras. Und die Expansion hat gerade erst begonnen. Auf der Agenda steht, die Produkte demnächst bis in die Vereinigten Arabischen Emirate zu vertreiben. Für ihre Erfindung ist die Unternehmerin vielfach ausgezeichnet worden, etwa vom früheren US-Präsidenten Barack Obama oder dem Weltwirtschaftsforum.

„Die Pandemie war natürlich ein Fluch für uns alle und die Gesellschaft, aber für mein Unternehmen war sie auch eine Gelegenheit“, sagt León. Aufgrund des Corona-Ausbruchs habe ihr Unternehmen 2020 zehn Prozent mehr Umsatz gemacht als 2019, aber auch in Krisenzeiten sechs Prozent mehr Arbeitsplätze geschaffen – vor allem für Frauen in ihrem Land.

Besonders boomen die antiviralen Gels und Desinfektionsmittel für Oberflächen und speziell imprägnierte Mund-und-Nasen-Bedeckungen. León stattete in Tokio das mexikanische Olympiateam mit dem Anti-Corona-Kit ihrer Firma aus. Wer sie und ihr Unternehmen bis dahin in Mexiko noch nicht kannte, der tut es jetzt. „Keines der Mitglieder der Olympia-Delegation hat sich in Japan infiziert“, sagt León mit hörbarem Stolz.

Sie hat es an die Spitze der mexikanischen Unternehmerklasse ohne gesellschaftliche Hilfe, ohne politische Unterstützung und ohne die Herkunft aus einer der traditionellen Dynastien geschafft. Sie sei den Weg nach oben mit einer guten Idee, einigem Selbstbewusstsein, langem Atem und „Freunden und Familie“ gegangen, wie sie unterstreicht.

„Wie machst du das eigentlich mit deinen Kindern?“ – dieser Satz ärgert die Unternehmerin noch heute

León studierte Biochemie an der Universität UAM in Mexiko-Stadt und baute anschließend von 1999 an ihr eigenes Unternehmen Gresmex von der Pike auf, aus dem später Éviter entstand und das noch heute als Holding fungiert. León stand im Labor, packte Kartons, belud Lastwagen. Vor allem damals hörte sie oft die Frage: „Wie machst du das eigentlich mit deinen Kindern?“ Dieser übergriffige Satz ärgert sie noch heute, beschreibt aber die Mentalität im Macholand Mexiko und damit die Widerstände, gegen die sich Frauen auf dem Weg nach oben bis heute durchsetzen müssen.

„Ich muss mich weiterhin rechtfertigen und beweisen“, sagt sie. In Mexiko werde Frauen noch immer ein besonderer Platz in der Gesellschaft zugewiesen. Und dazu gehöre ganz sicher nicht, erfolgreiche Unternehmerin zu sein. „Männer sehen uns nur als Frauen mit weiblichen Aufgaben, aber nicht als Berufstätige“, sagt sie. Sie habe sich in den vergangenen 20 Jahren aller Arten von Vorurteilen erwehren müssen. „Selbst sexuelle Belästigung war dabei“, erinnert sich León.

Aber warum gibt es dann so vergleichsweise viele erfolgreiche Unternehmerinnen in Mexiko? León überlegt einen Moment und holt ein wenig aus, um die Bedingungen in Mexiko zu erklären. Einerseits, sagt sie, könne es „nicht an der Regierung liegen“. Diese unterstütze vor allem Klein- und Kleinstunternehmerinnen, die sich selbstständig machen wollen, um etwas zum kargen Haushaltseinkommen hinzuzuverdienen. Start-ups und patentierte Produktinnovationen gehören dagegen nicht dazu.

In der Vorgängerregierung von 2012 bis 2018 unter Präsident Enrique Peña Nieto habe es immerhin Gelder für innovative Projekte gegeben, es wurden interessante und bisweilen teure Unternehmerideen gefördert. Aber der aktuelle linke Staatschef Andrés Manuel López Obrador hielt die Fördermittel für überflüssig und potenzielle Herde für Korruption – und strich die Gelder wieder.

Frauen gründen in Mexiko aus ökonomischer Not

Andererseits, sagt Gabriela León, würden Frauen in Mexiko häufiger als anderswo früh sehr stark in den Familienverbänden gefordert. „Vor allem als alleinerziehende Mütter, die es in Mexiko mehr als woanders gibt, müssen Frauen früh unternehmerische Fähigkeiten ausbilden, um Familie und Job zu managen. Das sind die besten Schulen.“

Beim Unternehmerinnenverband AMMJE teilt man diese Ansicht. Frauen würden oft aus der schieren ökonomischen Not dazu gezwungen, kreativ, innovativ und mutig zu sein, erläutert die Vorsitzende Sonia Garza González. „In unserem Verband gibt es zahlreiche erfolgreiche Entrepreneurinnen, die Jahre zuvor in einer tiefen Krise steckten, entweder wegen eines persönlichen Verlusts oder aus beruflichen Gründen. Heute schaffen sie viele wichtige Arbeitsplätze.“

Zudem gebe es an Universitäten zunehmend Studiengänge, die sich an potenzielle Start-up-Gründer richten. Diese Studiengänge würden heutzutage immer mehr von Frauen besucht, was noch vor Jahren undenkbar war. „Aber auch heute denkt noch immer einer von fünf Mexikanern, dass es besser ist, einem Mann statt einer Frau eine Ausbildung zu finanzieren“, gibt Garza zu bedenken.

Auch Gabriela León kennt dieses Problem. Deshalb sagt sie: „Wir brauchen endlich ausgewogene Voraussetzungen.“ Es gehe dabei nicht um Gleichheit, aber um Gleichberechtigung. „Die Startbedingungen für Frauen und Männer müssen vergleichbar sein.“ Doch sei es bis dahin noch ein langer Weg in Mexiko. „Aber Unterstützungsnetzwerke wie Unternehmerinnenverbände leisten da beim Monitoring und bei der Beratung wertvolle Hilfe.“

Wenn man Gabriela León fragt, was eine Frau heute brauche, um eine erfolgreiche Unternehmerin in Mexiko zu werden, sagt sie wieder ohne Zögern: „Sie muss starrköpfig sein, Durchhaltevermögen haben und möglichst eine gute Idee.“ Und dann fügt sie etwas optimistisch hinzu: „Dann gibt es keine Mauern, die sie stoppen können.“

Sonia Garza vom Unternehmerinnenverband AMMJE wünscht sich zudem, dass die Frauen trotz widriger Umstände mutiger werden beim Aufbau einer eigenen Firma. „Wir können einfach nicht darauf warten, dass wir ein besseres Umfeld bekommen. Wenn mexikanische Frauen eine Business-Idee haben, müssen sie sich einfach ins Abenteuer stürzen.“

Mehr: Die Stunde der Frauen: Das sind die 50 einflussreichsten Frauen der deutschen Tech-Branche

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