Homeoffice heißt nicht Stillstand: So können Sie sich digital weiterbilden
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Virtuelles KlassenzimmerWeiterbildung im Homeoffice: So finden Sie das passende Angebot
Durch die Coronakrise werden die Deutschen immer kreativer im Job. Das Angebot an digitalen Weiterbildungen ist zudem riesig. Wer ist der richtige Anbieter?
Web-Trainings boomen aktuell. Es gibt viele Vorteile – auch ohne Coronakrise.
(Foto: Getty Images/iStockphoto)
Düsseldorf Morgens betritt Mike Große im Nadelstreifen-Anzug und blauer Krawatte das Gebäude. Punkt 8 Uhr beginnt für den Banker der nächste Unterricht seiner halbjährigen Schulung zum Social Media Manager. Im Foyer trifft Große zwei Mitglieder seiner Projektgruppe, mit denen er sich für zehn Uhr verabredet, um am gemeinsamen Kommunikationskonzept für ein Start-up zu tüfteln – da wird das Trio plötzlich in den Klassenraum in der ersten Etage gebeamt.
Richtig gelesen: gebeamt. Denn wer sich da trifft, sind die Avatare der Kursteilnehmer des Weiterbildungsanbieters WBS. Sie bewegen sich zu Hause am Computerbildschirm durch ein virtuelles Schulungszentrum. Ihr Seminarleiter kann per Mausklick alle digitalen Figuren der angehenden Social Media Manager in einem Raum versammeln, etwa zu seiner morgendlichen Auftaktlektion.
Kleiner Vorteil: Meist sind alle pünktlich. Denn wer sich verspätet, muss mit seinem Avatar an allen anderen vorbeigehen. WBS-Chef Joachim Giese weiß: „Und das ist in der 3D-Welt genauso peinlich wie im echten Klassenraum.“
Knapp 560 Kurse mit rund 8000 Teilnehmern laufen derzeit bei WBS in der simulierten Schulungsumgebung. Tendenz: steigend. Anzug und Krawatte oder Jeanshemd, Brille, Mütze – jeder Besucher der WBS-Akademie gestaltet seine Figur, wie es ihm gefällt. Das eigene Gesicht lässt sich per Videokamera über dem Avatar einblenden.
Auf diese Weise lassen sich echte Gespräche führen, ob Smalltalk im Foyer oder bei der gemeinsamen Arbeit am Projekt. Große ist begeistert vom virtuellen Campus des größten deutschen Bildungsanbieters.
Joachim Giese (WBS-Chef)
Die digitalen Weiterbildungsangebote von WBS sind momentan sehr gefragt.
(Foto: WBS)
„Das ist keine technische Spielerei, sondern dahinter steckt ein ganzheitliches Lernkonzept.“ Sein Urteil zählt, im Laufe seiner Karriere als Führungskraft in der Finanzwirtschaft hat er einige klassische Seminare absolviert. Virtuelle Weiterbildung wird derzeit stark nachgefragt.
Knackten die rund 250 am deutschen E-Learning-Markt tätigen Unternehmen 2018 die Marke von einer Milliarde Euro Jahresgesamtumsatz, lassen die Folgen der Corona-Pandemie die Web-Trainings erst so richtig boomen.
Fit für die Arbeitswelt nach Corona wollen viele werden. Erst recht diejenigen, die unter Kurzarbeit leiden oder von Kündigung betroffen sind. Ihnen allen bietet sich die Chance, sich von zu Hause mit digitalen Arbeitsweisen vertraut zu machen und neues Wissen zu erwerben.
„Eine Riesen-Bildungswelle schwappt gerade über Deutschland“, sagt Ulrich Schmid, Geschäftsführer des MMB Instituts in Essen, der die deutsche E-Learning-Wirtschaft aufmerksam beobachtet. Die Zugriffszahlen auf das Angebot an Onlinelektionen kommerzieller Schulungsanbieter sind im Schnitt um 30 Prozent seit Ausbruch der Krise gestiegen, schätzt Schmid.
Einsatz von KI
IT-Themen stehen für viele Interessenten ganz oben auf der Liste. Aber auch praktische Führungsfragen in Coronazeiten sind beliebt. Stephan Gingter ist Präsident des Berufsverbands für Training, Beratung und Coaching (BDVT) in Köln. Er weiß, dass es vielfach vor allem darum geht, sich Know-how anzueignen, um aus der Ferne zu führen: Wie etwa lassen sich Teamgeist und Motivation erzeugen? Oder mehr über agile Arbeitsmethoden wie Selbstorganisation erfahren.
Gingter schildert: „Die Veränderung wird als Chance gesehen, und Führungskräfte wollen wissen, wie sie die Eigenverantwortung ihrer Mitarbeiter stärken können und sich vernetzte Arbeit realisieren lässt.“ Angesichts des wegbrechenden Seminargeschäfts in Hotels und Tagungszentren warnt er aber auch: „Das Risiko ist gerade groß, dass Weiterbildungsanbieter analoge Inhalte in digitale Hüllen packen.“
Wie aber lässt sich die jeweils passende Online-Fortbildung finden? Zumal die Formatfülle groß, das Angebot somit riesig ist – vom Podcast eines Fachautors bis zur Vorlesung aus dem Hochschul-Hörsaal. Auch die Preisspanne variiert von kostenlosen Angeboten bis zu mehreren Tausend Euro pro Modul – etwa für einen akademischen Abschluss an einer Privatuni (siehe Checkliste).
Checkliste: Der passende Anbieter
Checken Sie, ob der Anbieter Erfahrung mit Weiterbildung in Ihrem Themenbereich hat. Bekommen Sie Informationen zu Ziel, Inhalt, Dauer und Ablauf des Trainings? Macht der Anbieter Angaben zu Arbeitsweisen, nötigem Vorwissen sowie Prüfungsanforderungen? Erkundigen Sie sich nach der Qualifikation der Lehrkräfte. Fragen Sie auch, wie Lernerfolg überprüft wird und ob es ein Abschlusszertifikat gibt. Wenn ja, sollten Sie klären, ob dieses überregional oder bundesweit anerkannt wird – als Vorbereitung für staatliche Prüfungen.
Prüfen Sie vor Abschluss eines Weiterbildungsvertrags die Bedingungen, die Sie eingehen: Sind Rücktritts- oder Kündigungsbedingungen beziehungsweise die Möglichkeit zur Unterbrechung der Teilnahme enthalten oder entstehen Kosten bei gesundheitlichen oder arbeitsbezogenen Gründen? Erkundigen Sie sich nach den Zahlungsbedingungen, etwa der Möglichkeit zur Teil- oder Ratenzahlung.
Informieren Sie sich über Leistungsumfang und Zahlungsweise. Bedenken Sie, dass neben den eigentlichen Lehrgangskosten oder Teilnahmegebühren auch Nebenkosten entstehen können zum Beispiel Anmeldegebühren oder Prüfungskosten.
Fragen Sie nach einem Testzugang und checken Sie, wie es um Beratung und technischen Support steht. (Quelle: DIE)
Zumindest was kostenpflichtige E-Learning-Angebote betrifft, hilft ein Blick in die Datenbank der staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU). Unter www.zfu.de finden sich aktuell 3700 zugelassene Fernlern- und Fernstudienangebote.
„Die sind fachlich und didaktisch geeignet“, sagt Sarah Widany, Abteilungsleiterin beim Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE). Die Expertin schränkt aber ein: „Nur weil geprüftes Onlinetraining draufsteht, ist der Erfolg nicht garantiert.“
Dass die Trainingsnachfrage derzeit groß ist, macht sich auch auf den externen Trainingsplattformen von SAP bemerkbar. Seit die rund 50 SAP-Bildungszentren weltweit wegen des Coronavirus geschlossen sind, geht es online hoch her. Michaela Lämmler, Chefin der externen SAP-Schulungsplattform für Kunden und Partner, hat das Trainingsangebot gerade für jedermann online gratis zugänglich gemacht.
Momentan lernen auf „open SAP“ bereits rund 950.000 Menschen weltweit virtuell. Vor allem geht es um den Erwerb von IT-Wissen. Bis zu 10 000 Menschen gleichzeitig verfolgen jeweils die aufgezeichneten Vorlesungen zu Robotik, Java-Programmierung oder Blockchain-Technologie.
Der Mix aus Solidarität und geschicktem Marketing lohnt sich für das Dax-Unternehmen. In der Walldorfer Zentrale des Softwarekonzerns kursieren derzeit Wetten, wann sich der Millionste Teilnehmer registrieren lässt.
Eva Zauke ist als Chief Knowledge Officer zuständig für die Wissensvermittlung. Sie weiß, dass Mitarbeiter in der Coronakrise vor allem so etwas wie einen Notfallkoffer benötigen. „Wir müssen besonders Führungskräfte schnell befähigen, von zu Hause aus ihr Team zu leiten.“
Und weil ein Bild oft mehr als 1000 Worte sagt, werden Mitarbeiter mit akuten Fragen zu Führung, Sicherheitsthemen oder Richtlinien zum Arbeitsschutz auf der zentralen Weiterbildungsplattform zu verschiedenen Videoclips geführt. „Hier gibt es die Kernbotschaften in je fünf Minuten. So sitzt der Mitarbeiter nicht stundenlang vor dem Monitor, um zu erfahren, was er wissen muss“, sagt Zauke.
Auf ein leicht verdauliches Bildungshäppchen im Comic-Stil folgt etwa noch eine kurze Frage mit drei Antwortmöglichkeiten. Kurzcheck: alles verstanden?
Wer dann mehr wissen möchte, für den steht weiterführendes multimediales Material zur Verfügung: von den Grundlagen der Motivationstheorie bis zum Trainingsvideo zur empathischen Gesprächsführung.
Das Risiko ist groß, dass Weiterbildungsanbieter analoge Inhalte nur in digitale Hüllen packen. Stephan Gingter (BDVT-Präsident)
Apropos passender Schwierigkeitsgrad und Vertiefung: Einen neuen Weg geht die Haufe-Akademie mit ihrem „Learning Experience“-Angebot, kurz LXP. Maschine statt Mensch lautet das Konzept dahinter. Will heißen: Während klassische Plattformen Fortbildungswilligen Kurse zuweisen, die ein Personalentwicklungsprofi als passend für sie erachtet, kommt bei LXP Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz.
„Die KI lässt sich von den individuellen Eingaben jedes Nutzers leiten, um ihm geeignete Weiterbildungsmaterialien zu empfehlen“, sagt Christian Friedrich, einer der Geschäftsführer der Haufe Akademie. Er erklärt die Wirkweise am Beispiel eines Managers, der sich derzeit neuen Herausforderungen stellen muss.
Tippt dieser etwa in das LXP-System ein: „Welche Tools gibt es, um Mitarbeiter aus der Distanz zu führen?“, listet die KI nicht nur Kurse zur Handhabung entsprechender Software auf. Mithilfe semantischer Verknüpfungen bietet der Algorithmus auch verwandte Themen an. Etwa einen Leitfaden zur erfolgreichen Kollaboration und einen Videokurs „So moderieren Sie ein Teammeeting“.
Die KI weist den Lernenden außerdem auf weitere Aspekte des Themas und die entsprechenden Materialien und Trainings im LXP-System hin. Dazu zählen etwa das Webinar „Konflikte in virtuellen Teams lösen“ oder der Expertenimpuls „interkulturelle Fettnäpfchen“ – ein launiger Podcast. Der Algorithmus merkt sich, welche Formate der Teilnehmer bevorzugt, und berücksichtigt das bei wachsendem Wissensstand.
Eigenes Büro im 3D-Schulungszentrum
Um neues Wissen zu verankern, müssen Lernende sich intensiv mit ihrem Thema beschäftigen. Deshalb wechselt sich zum Beispiel im 3D-Schulungszentrum von WBS Frontalunterricht mit multimedialen Selbstlerneinheiten und Projektarbeit in kleinen Gruppen ab.
Wer Fragen hat, kann den Trainer unter vier Augen konsultieren. Derjenige, der lieber an seiner Präsentation feilen will, zieht sich in sein Büro zurück, wo das zu bearbeitende Dokument als Aktenordner schon auf seinem Schreibtisch wartet. Zudem lassen sich Online-Lernmaterialien, von Literatur über Clips bis hin zum spielerischen Quiz nutzen.
Banker Große ist begeistert vom Mix. Der 54-Jährige, der zuvor noch nicht einmal bei Facebook registriert war, jongliert inzwischen souverän mit den sozialen Medien, kann eine Webpage mit Wordpress erstellen, layouten und Fotos bearbeiten, kennt sich mit Krisen-PR, Datenschutz und Copyright-Fragen aus.
Am besten verankert sich das Erlernte natürlich, wenn es gleich praktisch angewandt werden kann, wissen Bildungsexperten wie Sarah Widany. Das ist in Coronazeiten, wo viele Betriebe geschlossen sind, allerdings nicht immer möglich. Aus diesem Grund ist WBS-Chef Giese auf ein Feature seines 3D-Campus besonders stolz: „Hausaufgaben oder Projektergebnisse können den anderen Kursteilnehmern präsentiert werden.“
Präsentation vor virtuellen Kollegen
Ein genauer Blick zeigt: Bei einem Training von WBS erscheinen die Mitarbeiter als Avatare und können in einem 3D-Schulungszentrum mit ihren Kolleginnen interagieren.
(Foto: WBS)
Dazu tritt der eigene Avatar vor das Publikum, kann dabei sogar mit dem Laserpointer auf virtuelle Präsentationswände zeigen, auf denen die selbst erstellten Folien erscheinen. Natürlich schaut der Präsentierende den Zuhörern nicht direkt ins Gesicht. Aber viele empfinden die virtuelle Möglichkeit als angenehme Zwischenstufe zu einem realen Auftritt, um etwa Lampenfieber zu reduzieren.
Was zudem nicht zu kurz kommen sollte: Das Gespräch mit Gleichgesinnten. Sarah Widany sagt: „Wichtig für das Verstehen und Verinnerlichen des neuen Wissens sind auch zwanglose Gespräche darüber zum Beispiel in der Veranstaltungspause.“
Der Austausch unter den Teilnehmern ist auch bei klassischen Präsenzseminaren ein wichtiges Element. In der Welt der Webinare sind vernetzende und interaktive Elemente bedeutsam, die die Lernenden zusammenbringen. Auch das sollte fester Bestandteil einer Onlineschulung sein.
Und so erstaunt es nicht, dass im Foyer des 3D-Campus von Schulungsanbieter WBS ein Kaffeeautomat als Treffpunkt steht. Von dort aus können die Avatare der Lernenden gemeinsam auf eine Sonnenterrasse gehen – um dort eine Runde zu klönen. Eine Option, die auch Banker Große und seine Mitstreiter des Social-Media-Kurses gerne nutzen.
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