Karriere und Kind Nur Mut, Papa!

Väter, die nachmittags Zeit für ihre Kinder haben, sind in Deutschland selten.
Düsseldorf Während die Geburt seines zweiten Sohnes problemlos verlief, geriet Georg Kerns* (Name von der Redaktion geändert) Väterzeit zur Zitterpartie. Der Abteilungsleiter eines großen deutschen Autokonzerns stieß mit seinem Wunsch nach zwei Monaten Auszeit für die Familie bei seinem Vorgesetzten auf massiven Widerstand: „Mein Chef erklärte mir, dass mit meiner Entscheidung, meine Frau zu entlasten, ja wohl klar sei, wo meine Prioritäten auch in Zukunft lägen. Deshalb würde ich als Rückkehrer quasi nur noch als Verwalter der Resterampe taugen.“
Der Manager ließ sich nicht einschüchtern und nahm die Elternzeit trotzdem. Doch kaum hatte er seinen Nachwuchs zum ersten Mal gewickelt, machte seinen Job im Unternehmen tatsächlich auch schon dauerhaft ein anderer. Nach den offiziellen zwei Monaten fand sich dann angeblich keine neue Position für den Manager, weshalb er sein Wickelvolontariat unfreiwillig ausdehnen sollte. „Da habe ich angefangen, mich anderswo zu bewerben.“
Karriereknick, Verdienstausfall, Machtverlust: Konkrete Zahlen, wie oft sich die Kinderbetreuung für Väter tatsächlich als Aufstiegsfalle erweist, gibt es nicht. Aber eine interne Studie der Commerzbank gibt einen wichtigen Hinweis, wie groß die Befürchtungen männlicher Mitarbeiter noch immer sind, sich mit einer Elternzeit ins berufliche Aus zu manövrieren.
Das Frankfurter Finanzinstitut befragte diejenigen 754 Männer unter den rund 38 900 Mitarbeitern in Deutschland, die in den letzten fünf Jahren in Elternzeit waren. Die meisten von ihnen hatten sich für die Minimalvariante von zwei Vätermonaten entschieden. Viele Commerzbank-Väter geben an, dass sie durchaus gerne eine längere Elternzeit genommen hätten. Als Hauptgründe für ihre Zurückhaltung nennen sie zum einen Einkommensengpässe, zum anderen ihre Furcht vor beruflichen Nachteilen.
Drei Viertel der Banker sagen zwar, dass die Gespräche zur Elternzeit mit ihrem Vorgesetzten verständnisvoll liefen. Das heißt jedoch im Umkehrschluss: Etwa ein Viertel der Väter machte offenbar schlechte Erfahrungen – ganz ähnlich also wie Automanager Kern.
Und das, obwohl anders als beim Fahrzeughersteller die Führungskräfte der Bank extra in Seminaren für das gewandelte Rollenverständnis des Mannes vom passiven Ernährer zum aktiven Kümmerer sensibilisiert werden. Und es bei der Commerzbank nach inzwischen mehr als 20 Jahren entsprechender Personalpolitik selbstverständlich sein soll, dass auch Vorstände Väterzeit für sich beanspruchen.
„Der ist doch nie da“
Doch noch immer existieren Vorbehalte bei Chefs und Kollegen. Sie reichen vom Weichei-Image bis zum Generalverdacht „der ist doch nie da, wenn man ihn braucht“.
Besonders verbreitet ist offenbar auch die Sorge der Väter, dass kinderlose Kollegen beruflich vorbeiziehen könnten. Unbegründet ist das nicht. Das bestätigt Martin Bujard, Forschungsdirektor des Bereichs „Familie und Fertilität“ am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung mit Blick auf die Gruppe der 40- bis 45-jährigen Männer. Für sie geht es um entscheidende Weichenstellungen auf dem Weg nach oben. Bujard: „Diese Väter konkurrieren mit etwa 40 Prozent Männern, die ohne Kinder im Haushalt leben, um Beförderungen.“ Von qualifizierten Frauen ganz zu schweigen. Tendenz steigend, denn immer mehr Akademiker, männlich oder weiblich, bleiben kinderlos.

„Für Unternehmen wertvolle Erfahrungen bei der Kinderbetreuung sammeln.“
Und diese Rivalen haben einen deutlichen Wettbewerbsvorteil – mehr Zeit und eine größere Flexibilität. Und damit lässt sich in deutschen Betrieben, in denen traditionell eine Anwesenheitskultur vorherrscht, bei vielen Chefs noch immer punkten.
Wer also abends um 18 oder 19 Uhr brav am Schreibtisch sitzt, steigt auf. Und nicht derjenige Vater, der „keine Meetings nach 17 Uhr“ fordert. Oder der gar seine Arbeitszeit auf unter 100 Prozent reduzieren möchte.
„Nur sehr wenige Männer in Führungsposition trauen sich in Deutschland, auf die Teilzeit-Karte zu setzen“, sagt Volker Baisch. Er berät Unternehmen zum Thema „Väterfreundlichkeit“. In der männlich dominierten Chefetage beobachtet er, lässt sich allenfalls die Viertagewoche einrichten. Was einer Reduzierung der Arbeitszeit um maximal zwanzig Prozent entspricht. Auch der Einsatz im Homeoffice ist zunehmend beliebt. Denn da fällt es nicht so auf, wenn der Manager mal zwischendurch sein Kind von der Kita abholt.
Zu den deutlich mutigeren Vorreitern zählt Gerd Göbel. Er gehört zu den 53 Prozent derjenigen Commerzbank-Väter, die durch ihre Elternzeit die berufliche Entwicklung ihrer Partnerin begünstigen wollen. Seiner Frau wurde eine Position im Topmanagement eines Unternehmens in Bonn übertragen, und so war beiden klar, dass sie nach dem Mutterschutz nur selten zu Hause in Frankfurt sein würde.
Frauen voranzubringen geht ohne aktive Väter nicht, weiß der 49-Jährige. Daher beantragte der Gruppenleiter im Vermögensverwaltungsbereich für sich nach der Geburt seiner inzwischen fünfjährigen Tochter Elternzeit. Er experimentierte mit unterschiedlichen Teilzeitregelungen, steigerte sich schrittweise von zunächst 40 auf zuletzt 80 Prozent. „Doch dann war klar, dass bei vier Tagen im Büro nicht mehr genügend Zeit für unser Kind blieb. Unsere Tochter soll weder immer die Erste noch die Letzte im Kindergarten sein. Und ich will an ihrer Entwicklung aktiv teilhaben. Mit ihr spielen, sie zum Turnen oder zu ihren Freunden begleiten.“
Väter unterstützen Mütter
Göbel reduzierte vor einem Jahr auf 50 Prozent, verzichtete auf seine Führungsverantwortung und sagt selbstbewusst: „Ich sehe das nicht als Karriereknick. Wenn meine Tochter älter ist, ergeben sich für mich doch neue Chancen.“ Außerdem drücke sich eine erfolgreiche berufliche Entwicklung für ihn nicht nur durch Personalverantwortung aus, „ich kann auch als Spezialist Karriere machen“.
Christoph Kübel, Arbeitsdirektor beim Stuttgarter Technologiekonzern Bosch, geht noch einen Schritt weiter: „Wir sind überzeugt, dass man wertvolle Erfahrungen sammeln kann, wenn man zu Hause seine Kinder betreut oder einen Familienangehörigen pflegen muss.“ Daher werde bei Bosch eine Familien- oder Pflegeauszeit nicht nur toleriert, sondern diese auch honoriert.
Familienzeit gilt beim Stuttgarter Unternehmen als ein Karriere-Baustein, gleichwertig zum Beispiel mit einem Auslandseinsatz. Denn die Mitarbeiter kämen in beiden Fällen mit neuen Fähigkeiten zurück ins Unternehmen, von denen der Arbeitgeber profitieren kann.
Zu den Kompetenzen, die ein Vater am informellen Lernort „Familie“ erwerben kann, gehören laut Bosch beispielsweise Konfliktlösung, Organisation und Geduld.
Wer jemals länger als 24 Stunden am Stück Kinder betreut hat, wird diese Erkenntnis bestätigen. Vor allem das mit der Geduld.