Kommentar Die Kanzlerin hat recht: Eine Testpflicht für Unternehmen muss her

Firmen müssen ihren Mitarbeitern keine Schnelltests anbieten. Kanzlerin Angela Merkel erwägt eine Testpflicht.
Düsseldorf Angela Merkel sagte am Sonntag, dass man das Testen in den Betrieben „wahrscheinlich verpflichtend“ machen muss. Die Kanzlerin hat recht: Eine bundesweite Testpflicht muss her, so, wie es die Verordnungen von Sachsen und Berlin schon vorsehen.
Es wäre das Ende einer ermüdenden Diskussion. Schon Anfang März wollte die Bund-Länder-Runde Firmen zum Testen verpflichten. Doch der Aufschrei der Wirtschaft war groß, am Ende blieb es bei einer Selbstverpflichtung.
Eine Selbstverpflichtung? Die Erfahrungen der Vergangenheit lehren, dass diese nicht zum Erfolg führen. Bestes Beispiel: die Frauenquote. Jahrelang bekundeten Firmen, die Zahl der weiblichen Aufsichtsräte erhöhen zu wollen. Doch es passierte wenig. Der Frauenanteil stieg erst merklich an, als die Politik eine gesetzliche Quote vorschrieb.
Jüngstes Beispiel: Homeoffice. Die Zahl der Heimarbeiter ging erst wieder nach oben, als die Politik Ende Januar eine Pflicht auf den Weg brachte. Warum also sollte es beim Thema Testen funktionieren?
Zugegeben: In Deutschlands Großunternehmen scheint es ansatzweise zu gelingen. 20 der 30 Dax-Firmen wollen kostenlose Tests ermöglichen, zeigt eine Handelsblatt-Umfrage. Doch mit dem Triebwerkshersteller MTU und der Deutschen Wohnen lehnen auch zwei Unternehmen eine Pflicht ab. Zu umständlich und unnötig, heißt es.
Tests sind ein weiterer Baustein, um die Pandemie zu bekämpfen
In vielen kleineren Firmen dürfte die Haltung ähnlich sein, wie vergangene Woche eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags belegte. Demnach plant die Hälfte der 8000 befragten Betriebe nicht, ihre Mitarbeiter zu testen. Dabei arbeitet gerade dort das Gros der Deutschen. Der Kanzlerin wird das zu Recht nicht ausreichen. Aus ihrer Sicht sollen „in die Richtung 90 Prozent“ der Firmen Tests anbieten.
Gegner der Pflicht argumentieren gern, dass Tests nur schwierig in den Arbeitsablauf zu integrieren wären. Das sind nur Ausreden, denn viele Unternehmen haben in den vergangenen Monaten doch bewiesen, dass funktionierende Schutzkonzepte möglich sind.
Tests wären nun ein weiterer wichtiger Baustein, um die dritte Welle der Pandemie zu bekämpfen – und gerade die Mitarbeiter in den Werkshallen zu schützen, die eben nicht im Homeoffice Schutz suchen können. Und das sollte doch im ureigenen Interesse der Firmen sein.
Ach ja: Die Politik darf die Wirtschaft mit einer Pflicht nicht alleinlassen. Als die Bund-Länder-Runde zuletzt über eine Testpflicht nachdachte, blieben zig Fragen offen: Selbst- oder Schnelltest? Ein- oder zweimal pro Woche? Wer bezahlt? Und wo beschaffen? Die Kanzlerin muss erst Antworten liefern und die Betriebe wohlwollend unterstützen, sonst nützt die beste Verordnung nichts. Und dann eine Testpflicht, bitte!
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Selbstverpflichtungen führen zu einer Privilegierung der Freerider. Sie kommen mit geringeren Kosten durch, und die anständigen Unternehmen sind die Dummen.