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Künstliche Intelligenz Die Robo-Anwälte kommen

Der erste Roboter-Anwalt ist in den USA in eine der größten Kanzleien der Welt eingezogen. Noch erledigt er nur die Hilfsarbeiten für seine Kollegen. Doch er lernt täglich dazu – und arbeitet 24 Stunden am Tag.
17.05.2016 - 06:48 Uhr
In den USA soll hilft ein Roboter einer Kanzlei bereits bei der Recherche. Quelle: dpa
Können Roboter bald mehr Jobs übernehmen?

In den USA soll hilft ein Roboter einer Kanzlei bereits bei der Recherche.

(Foto: dpa)

San Francisco Für den jüngsten Neuzugang bei der Anwaltsfirma Baker & Hostetler ist der Krawattenzwang ausnahmsweise einmal aufgehoben. Er muss nicht einmal einen Anzug tragen. Denn Ross ist ein Robo-Anwalt. Seine Aufgabe besteht darin, sich durch Berge von Unterlagen, Gesetzbüchern, Notizen und Anträgen zu wühlen und alle relevanten Unterlagen zum aktuellen Fall zusammenzutragen. Weil er eine künstliche Intelligenz besitzt, lernt Ross mit jedem Fall, den er bearbeitet dazu und verfeinert seine Antworten.

Der Digital-Kollege gibt sich dabei auch sehr umgänglich. Die 50 Anwälte in der Konkurs-Abteilung der Anwaltsfirma können ihre Aufträge an Ross in einfachen Sätzen formulieren, so wie sie die jungen Kollegen instruiert hätten, die jetzt als Researcher nicht mehr gebraucht werden.

Der Robo-Anwalt ist der jüngste Vorstoß der künstlichen Intelligenz mit selbstlernenden Maschinen in die sogenannten „White Collar“-Jobs. Der Wort wurde geprägt durch die bei US-Büroangestellten weit verbreiten weißen Kragen („Collar“) beziehungsweise Hemden. Nachdem Roboter die Fabrikhallen und Fertigungsbänder übernommen haben, ziehen sie jetzt in die Büros der Hauptverwaltungen, Kanzleien oder Krankenhäuser ein.

Moshe Vardi vom Ken Kennedy Institute for Information Technology an der Rice University in Maine, wagt die Prognose, dass künstliche Intelligenz innerhalb von 30 Jahren die Weltarbeitslosigkeit auf 50 Prozent treiben und die sogenannte „Mittelschicht“ auslöschen könnte.

Spezielle Suchmaschinen für Rechtsthemen gibt es schon lange. Der Unterschied zur künstlichen Intelligenz ist, dass diese eigenständig Schlüsse ziehen und Beziehungen herstellen kann, die normale Suchabfragen in Datenbanken so nicht ermöglichen. Gesetzestexte, Urteile oder deren Begründungen sind zudem in normalem Englisch verfasst, sie gelten für die Computertechnik als „unstrukturierte Daten“.

Sie zu untersuchen und auszuwerten ist nur mit spezieller Technik und Hochleistungs-Computern sinnvoll und in annehmbarer Zeit zu erledigen. Ross liefert seinem Kollegen in den Anzügen die notwendigen Unterlagen und eine Einschätzung der Relevanz für den aktuellen Fall samt Dokumentation dazu. Damit werden dann die Fälle vorbereitet.

Robo-Anwälte wie der von Baker-Hostetler mit rund 940 Anwälten in 14 US-Büros können dabei helfen, zwei große Probleme des US-Justizsystems zu lösen: Zum einen ist es viel zu teuer. Nach Schätzungen können sich bis zu 80 Prozent der Amerikaner gar keinen Anwalt leisten, selbst wenn sie ihn dringend brauchen würden. Stundensätze von 200 bis 300 Dollar sind die Norm für Amerikas Anwälte, nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Neue Formen von teilautomatisierten Kanzleien könnten dann mit geringeren Preisen diesen riesigen Markt profitabel angehen.

Zum zweiten sind die Einstiegshürden für junge Anwälte sehr hoch. Belastet von drückenden Schulden aus der Studienzeit müssen sie einen Job bei einer der großen Anwaltsfabriken der USA landen, wenn sie schnell Karriere und später ein eigenes Büro eröffnen wollen. Junge Anwälte werden in Zukunft vielleicht in ihrer eigenen kleinen Kanzlei mit gemieteter Robo-Intelligenz die Masse der Standardarbeit erledigen und sich somit auf ihre Mandanten konzentrieren können. Die großen Law-Firmen können theoretisch geringere Gebühren berechnen, wenn sie nicht mehr Anwälte bezahlen müssen, die sich tagelang durch staubige Archive wühlen müssen. Oder sie behalten die alten Sätze und steigern ihre Gewinne.“

Ross Intelligence wurde ursprünglich in Kanada gegründet, zog dann aber nach Palo Alto im kalifornischen Silicon Valley. Die juristische Plattform ist derzeit beschränkt auf amerikanisches Konkursrecht und aufgebaut auf der Watson-Technologie von IBM. Watson ist ein selbstlernendes System mit künstlicher Intelligenz und natürlicher Spracheingabe. IBM setzt es unter anderem auch als „Robo-Doktor“ in Krankenhäusern ein.

Andrew Arruda, Gründer von Ross Intelligence, erklärte, es hätten bereits weitere Anwaltsfirmen Verträge für Ross abgeschlossen, deren Namen würden in den kommenden Monaten bekanntgegeben. Eine Ausweitung auf andere Bereiche wie Urheberrecht, Arbeitsrecht oder Steuerrecht seien geplant.

Für Jurastudenten und junge Anwälte jedenfalls ist kurzfristig der Trend zum Robo-Anwalt keine gute Nachricht. Er besetzt jetzt die Einstiegsstellen in den Kanzleien, die sie früher über Wasser gehalten haben. Nur im Gerichtssaal wird man Ross wohl noch lange nicht sehen. Zumindest hier sind seine menschlichen Kollegen noch vor ihm sicher. Schließlich hat er keinen Anzug.

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