Equal Pay Day „Teilzeit ist ein Gehaltskiller“

In Berlin machen Sozialverbände aufmerksam auf die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen.
Düsseldorf Am 19. März ist Equal Pay Day in Deutschland. Entstanden ist der Tag für gleiche Bezahlung von Männern und Frauen Ende der 80er-Jahre in den USA. Hierzulande verdienen Frauen unbereinigt im Schnitt etwa 21 Prozent weniger als Männer, das hat das Statistische Bundesamt ermittelt. Im europäischen Vergleich ist die Lücke nur in Estland (28,3 Prozent) und Österreich (22,9 Prozent) noch größer. Vergütungsexperte Sebastian Pacher vom Female Desk der Beratung Kienbaum erklärt die tieferen Hintergründe der auf den ersten Blick ungerechten Entlohnung von Frauen.
Herr Pacher, Frauen arbeiten in Deutschland 79 Tage umsonst im Jahr. Daran erinnert der Equal Pay Day. Nach Ihren Gehälteranalysen ist die dramatische Lücke zwischen dem Verdienst von Männern und Frauen gar nicht so eklatant. Warum?
Die Lücke von 21 Prozent sagt nicht sehr viel darüber aus, was Männer und Frauen verdienen, wenn sie eine vergleichbare Tätigkeit in vergleichbaren Unternehmen ausüben. In unserer Studie haben wir Frauen und Männer auf vergleichbaren Hierarchieebenen und Jobfamilien wie Marketing, Controlling oder Produktion miteinander verglichen, bei 8000 Positionen in 30 Unternehmen. Nicht zu leugnen ist: In einem Großteil der untersuchten Firmen gibt es Gehaltsunterschiede. Die bereinigte Gehaltslücke liegt aber bei rund fünf Prozent. Die Differenz ist also immer noch da, aber sie ist wesentlich kleiner.

Der Vergütungsexperte arbeitet am Female Desk der Managementberatung Kienbaum in Düsseldorf.
Wo haben Sie die größte Gehaltslücke festgestellt?
In unserer Studie zeigt sich ein klares Bild: Je höher die Hierarchie umso geringer sind die Gehaltsunterschiede. Bei Sachbearbeitern und Spezialisten liegt die Differenz bei sieben respektive neun Prozent. Zwischen Männern und Frauen im Management jedoch sind so gut wie keine Unterschiede bei der Vergütung festzustellen. Das ist auch nicht verwunderlich.
Wieso nicht?
Wer oben in der Hierarchie angekommen ist, hat eine sehr ähnliche Arbeitshaltung und Lebenseinstellung. Wenn eine Frau die Entscheidung für einen Job trifft, der von ihr sehr hohen zeitlichen Einsatz, Flexibilität und Durchsetzungsstärke verlangt, dann verdient sie in der Regel auch genauso viel wie ihre männlichen Kollegen.
In den Führungsetagen sind Frauen aber immer noch Exoten…
Im Schnitt fällt Frauen der Weg nach oben deutlich schwerer. Neben der sprichwörtlichen „gläsernen Decke“ ist es vor allem das klassische Rollenbild, das Frauen auch unbewusst beeinflusst. Familie hat Vorrang vor Karriere – diese Einstellung ist bei Frauen immer noch deutlich stärker ausgeprägt als bei Männern. Auch weil die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nach wir vor nicht optimal sind.
Und viele Väter machen lieber Karriere als frische Windeln…
Das ist sicher häufig der Fall. Aber das ist auch ein Grund dafür, warum Lohnungleichheit nicht immer Ungerechtigkeit bedeutet. Ein recht großer Teil der Gehaltslücke ist durch persönliche Präferenzen erklärbar. Diskriminierung spielt bei der Gehaltsdifferenz in der Regel nur eine geringe Rolle. Etwa dann, wenn der Chef eine Mitarbeiterin nur deshalb bei Beförderung und Gehalt kleinhält, weil er davon ausgeht, dass sie noch Kinder bekommen will.
Ohne Kinder würden Frauen also gleich viel verdienen?
Studien zeigen, dass Frauen und Männer am Anfang des Berufslebens praktisch gleich bezahlt werden. Die Gehaltslücke entsteht erst im Laufe der Jahre, wird dann größer und verfestigt sich. Wenn Mütter im Beruf länger aussetzen und danach in Teilzeit arbeiten, ist der Karrierezug oft ohne sie abgefahren. Denn zwischen 30 und 40 Jahren werden die entscheidenden Weichen gestellt.