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MBA-Studium neben dem Beruf Die Undercover-Studenten

Viele MBA-Studenten verheimlichen ihrem Arbeitgeber, dass sie neben dem Job studieren. Warum nur? Das Versteckspiel kann zu unangenehmen Situationen führen – und dennoch manchmal die richtige Strategie sein.
  • Axel Gloger
19.05.2017 - 12:53 Uhr Kommentieren
Immer mehr MBA-Studenten verschweigen ihren Vorgesetzten die berufsbegleitende Weiterbildung. Quelle: RooM/Getty Images
Versteckspiel beim Lernen

Immer mehr MBA-Studenten verschweigen ihren Vorgesetzten die berufsbegleitende Weiterbildung.

(Foto: RooM/Getty Images)

Bonn Gleich zu Beginn seines Studiums machte Sven Nagel eine überraschende Entdeckung. Drei-, viermal hatte er sich mit Kommilitonen zum Lernen getroffen, die wie er das praxisnahe Managementstudium mit MBA-Abschluss an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht neben dem Job absolvierten. Sie sprachen über Fallstudien, ihre Motivation für das Studium und Privates. Dabei kam heraus: „Ein Drittel der Klasse studierte heimlich“, sagt Nagel, der als selbstständiger Berater Start-ups bei Geschäftsentwicklung und Kommunikation unterstützt. „Die Arbeitgeber waren nicht über die Weiterbildung informiert.“

Undercover-Studenten – dieses Phänomen kennt auch Burghard Hermeier. Zwar weiß der Rektor der privaten Hochschule FOM in Essen von vielen seiner MBA-Absolventen, dass sie ihren Arbeitgeber in ihre Weiterbildungspläne einbeziehen – aber auch das Gegenteil sei verbreitet. „Es gibt Studenten, die ihr Studium bewusst geheim halten“, sagt der Professor, „das merken wir spätestens bei Fototerminen: Diese Studenten wollen auf keinen Fall abgelichtet werden – aus Angst, ihr Arbeitgeber könnte herausfinden, dass sie sich parallel zum Job weiterqualifizieren.“ Etwa ein Drittel der Studenten an der FOM, schätzt Hermeier, informiert sein Umfeld nur selektiv, zehn bis 15 Prozent verschweigen ihr Studium ganz bewusst.

Der Trend zur Heimlichtuerei ist auf dem gesamten Markt zu beobachten. „Der Anteil derer, die ohne Einbeziehung des Arbeitgebers studieren, ist in den vergangenen Jahren gestiegen“, fasst Detlev Kran, Herausgeber des Studienführers „MBA-Guide“, die Ergebnisse seiner Gespräche mit den Dekanen diverser Business-Schools zusammen. Belastbare Zahlen gibt es nicht, doch die Trendstudie Fernstudium, für die die private Hochschule IUBH im vergangenen Jahr 2.000 Teilnehmer in berufsbegleitenden Studiengängen befragen ließ, belegt die schlechte Stimmung: 59 Prozent der Studenten aller Fachrichtungen klagen über mangelnde Unterstützung aus ihrer Firma.

Als MBA-Student Nagel seine Kommilitonen fragte, warum sie heimlich studierten, bekam er mehr als einmal die Antwort: „Keine Weiterbildungskultur im Unternehmen.“ Andere nannten misstrauische Chefs und Vorurteile im Betrieb als Gründe für ihr Schweigen am Arbeitsplatz. „Es gab eine verbreitete Angst, dass die Weiterbildung von der Firma als Vorstufe zur Kündigung wahrgenommen werden könnte“, so der Unternehmer. Auch die Eifersucht manches Chefs nährte das Tarnverhalten: Ihr Vorgesetzter befürchte, dass die Doppelbelastung durch Studium und Job die Arbeitsergebnisse verschlechtere, berichteten ihm Mitstudenten.

Die Nase für die Karriere

Aber auch Eigennutz und persönliche Optimierung der Studenten befeuern das Verhalten. Jeder Arbeitnehmer mit einer gewissen Berufserfahrung hat ein Gespür dafür, was im aktuellen Job karrieremäßig noch geht – und was nicht. Zeichnet sich eine Sackgasse ab, beginnt das Nachdenken über den Umstieg. „Mitarbeiter verlassen schlechte Chefs“, heißt es in der Zufriedenheitsstudie des Gallup-Instituts. In der Realität heißt das oft: Kopf einziehen, noch ein, zwei Jahre im Betrieb bleiben, alle Vorteile mitnehmen und parallel das Undercover-Studium absolvieren. Nach dem Abschluss geht es raus aus der Deckung und rauf auf den Arbeitsmarkt.

Anlässe für solche Frusthandlungen gibt es genug. „Defizitäres Führungsverhalten, uneingelöste Versprechen der Vorgesetzten oder Mobbing im Team bringen Mitarbeiter schnell in den Vorhof der inneren Kündigung“, sagt Klaus Christians, Personalberater und Partner bei Corporate Management Recruiting (CMR) in München. In solchen Situationen sei es aus Sicht des betroffenen Mitarbeiters rational, den bestehenden Job zum Auslaufmodell zu erklären, aber noch so lange zu bleiben, bis die Lebenslaufpunkte für den Neustart beisammen sind.

„Außerdem wollen Mitarbeiter ohne Einschränkungen mobil sein“, ergänzt Christians. „Wenn sich draußen eine Chance auftut, wollen sie die auch annehmen können.“ Auch das spreche für ein Studium ohne Wissen des Arbeitgebers. Denn sobald dieser mit im Boot sei und den Mitarbeiter unterstütze, spielten automatisch dessen Interessen in die persönliche Karriereplanung hinein. „Als Gegenleistung für die Beteiligung an den Studiengebühren lassen Chefs etwa eine Bindungsfrist in den Arbeitsvertrag des Mitarbeiters schreiben“, sagt Volker Stößel, Sprecher der HHL Leipzig Graduate School of Management. Konkret heißt das: Geförderte Mitarbeiter müssen nach dem Abschluss mindestens zwei Jahre bleiben, damit der Betrieb von seiner Investition auch etwas hat.

Offenheit lohnt sich

Wer sich geheim dem Studium widmet, sollte freilich wissen, dass er damit auf einige Vorteile verzichtet – denn eine gute Partnerschaft zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber kann ein Gewinn für beide Seiten sein. So können MBA-Studenten ihren Arbeitsalltag zum Lernstoff machen. „Die Kommilitonen bearbeiten während ihrer Zeit an der Hochschule sehr viele Projektaufgaben und Fallstudien, in die sie Fragestellungen aus dem eigenen Unternehmen einbringen“, beschreibt FOM-Rektor Hermeier eine Praxis, die an vielen Business-Schools gängig ist. Das erhöhe den Nutzen für die Studenten, weil sie das Gelernte sofort anwenden können – und schaffe einen hohen Transfernutzen für die Firma.

Wer im Betrieb offen über sein Studium spreche, habe es zudem leichter, sich mit anderen Know-how-Trägern auszutauschen. „Wenn die Führungskraft weiß, dass es in den Vorlesungen des Mitarbeiters gerade um das Thema Finanzen geht, kann sie den Kontakt zu den jeweiligen Fachleuten in der Firma herstellen“, sagt Hermeier. Undercover-Studenten müssen auf diese Vorteile der internen Vernetzung verzichten. Auch beim Einsatz von Zeit und Geld kann sich die Kooperation mit dem Arbeitgeber lohnen. Manche Chefs sind so begeistert vom Weiterbildungsdrang der Mitarbeiter, dass sie sich nicht nur an den Kosten beteiligen, sondern vor Prüfungen auch freie Tage zum Lernen gewähren oder feste wöchentliche Zeiten während der Arbeitszeit. Gut 20 Prozent aller nebenberuflichen Studenten werden mit der Möglichkeit flexibler Zeiteinteilung von ihrem Arbeitgeber unterstützt. 21 Prozent bekommen finanzielle Hilfen.

Bei einem guten Verhältnis zum Chef und einer von Offenheit geprägten Unternehmenskultur gibt es also gute Gründe, den Arbeitgeber einzubeziehen. Manche MBA-Anbieter machen das sogar zur Pflicht. Das IMD in Lausanne etwa verlangt bei der Bewerbung ein Empfehlungsschreiben des Arbeitgebers. Auch an der Mannheim Business School und der ESCP Berlin funktioniert das heimliche Studium nicht: Beide Hochschulen lassen sich von ihren Teilnehmern bestätigen, dass die Firma von Anfang an in das Vorhaben einbezogen ist. Das wirkt stressmindernd – für alle Beteiligten.

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