Moderne Kommunikation Die E-Mail schafft Arbeitsplätze

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „ZEIT“-Magazins.
Berlin Ich habe schon oft gehört, dass verschiedene Medienformen verschwinden würden und man sich deswegen auf neue Medien einstellen müsse. Zum Beispiel soll angeblich die E-Mail aussterben. Etliche Artikel sind dazu erschienen, die das unmittelbare Ende der elektronischen Mail angekündigt haben. Gemessen an den Nachrufen, muss die Mail komplett am Ende sein. Als ob man noch schnell eine abschicken müsste, um sicherzugehen, dass sie noch ankommt.
Die E-Mail wurde für überflüssig erklärt, weil die Leute lieber per SMS chatten. Die SMS wiederum wurde schon totgesagt, weil die Menschen jetzt WhatsApp nutzen. Das ist internetbasiert, also billiger. Das Internet wird wiederum von Facebook abgelöst. Facebook hat allerdings das Problem, dass die jungen Leute Tinder interessanter finden. Man muss sich schon gut überlegen, wem man was auf welchem Kanal mitteilt. Wenn man früher eine Beziehung beenden wollte, suchte man die Person auf oder schrieb vielleicht einen langen Brief, in dem man erklärte, wie leid einem alles tut.
Als dann die elektronische Kommunikation sich durchsetzte, schrieb man stattdessen eine E-Mail. Man konnte dann schon in der Betreffzeile („Time to say goodbye“) klarmachen, um was es geht, die Mail musste also nicht mehr so lang sein. Später schrieb man dann einfach eine SMS („Time 2 say goodbye“) oder, weil es billiger ist, eine „WhatsApp“-Nachricht. Mittlerweile wird vielleicht nur noch der Beziehungsstatus im Facebook-Profil geändert.
Die Frage ist natürlich, ob die alten Kommunikationsformen tatsächlich aufhören zu existieren. Das kann man getrost vom Telegramm sagen und von der Brieftaube. Ich habe etwa seit 25 Jahren kein Telegramm mehr erhalten, und die Tauben haben als Botschaft nur Vogelkot für mich übrig. Aber alles andere gibt es noch. Es werden immer noch Postkarten und Briefe geschrieben, und ich erhalte SMS – und E-Mails natürlich.
Die E-Mail ist angeblich weiterhin das beliebteste Kommunikationsmittel im Büro. Laut einer Umfrage unter Arbeitnehmern nimmt ihre Bedeutung sogar noch zu. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass man bevorzugt per E-Mail angesprochen werden möchte – und auch in der Freizeit regelmäßig die Mails abrufe. Die Umfrage ergab, dass ein Fünftel der Arbeitnehmer mehr als vier Stunden täglich mit E-Mails zubringt. Was bedeutet, dass es mittlerweile etliche Jobs gibt, die eigentlich nur daraus bestehen, dass Menschen E-Mails schreiben.
Fielen E-Mails weg, wären alle diese Menschen arbeitslos. Ich denke, dass für viele Arbeitnehmer die E-Mail gleichbedeutend ist mit Beschäftigung. Sobald man eine E-Mail beantwortet oder gar formuliert hat (Adressat: „An alle“), ist man offenbar am Arbeitsplatz – ganz egal, wo man sich in Wirklichkeit befindet. Am besten ist, wenn man an möglichst viele Teilnehmer eine Frage per Mail schickt. Bis dann alle darauf geantwortet haben, vergeht eine Ewigkeit. Diese Zeit lässt sich dann damit verbringen, sich auf Facebook herumzutreiben. Oder auf Tinder zu schauen, ob die neue Bekanntschaft dort schon wieder ihr Suchprofil aktiviert hat. Das ist nämlich die neue Art zu sagen: „Time to say goodbye“.
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