Personalmanagement Neuer Diversity-Index bewertet Vielfalt in Dax-Unternehmen – und stößt an Machbarkeits-Grenzen

Mit der Diversität hapert es bei einigen Dax-Konzernen.
Düsseldorf Gerade einmal 13 von 30 Dax-Unternehmen holen beim Thema Diversity mindestens die Hälfte von 100 möglichen Punkten – das bescheinigt zumindest ein neues Ranking der Initiative Beyond Gender Agenda (BGA). Sie hat heute ihren ersten German Diversity Index veröffentlicht.
Laut dem Ranking ist der Softwarekonzern SAP die Nummer eins unter den Dax-Konzernen, wenn es darum geht, die Belegschaft bunter zu machen – und das nach außen hin gekonnt darzustellen. Auf Platz zwei und drei folgen die Allianz-Versicherung und der Autohersteller BMW. Platz zehn – den aktuell hintersten Rang – belegt die Deutsche Telekom.
Doch Diversity-Rankings, die wie Pilze aus dem Boden schießen, sind nicht unumstritten. Stephan Dirschl von der Charta der Vielfalt zum Beispiel, der größten deutschen Initiative mit mehr als 3800 Unterzeichnern aus Unternehmen und Organisationen, sagt: „Wir kennen keinen guten und aussagekräftigen Index“. Die inzwischen sieben Diversity-Dimensionen abzubilden sei hochkomplex.
Von „Diversity“ sprechen Fachleute, wenn die Schar der Mitarbeiter ein vielfältiger Mix von Altersklassen und Nationen ist und weder Geschlecht, Behinderung, soziale Herkunft, sexuelle Orientierung oder Religionszugehörigkeit bei der Einstellung oder Beförderung bis an die Spitze des Unternehmens beziehungsweise im Arbeitsalltag eine Rolle spielen.
Ein hehres Ziel, mit dem sich imagemäßig gut in der Öffentlichkeit, etwa bei Investoren und Talenten, punkten lässt. BGA-Chefin Viktoria Wagner, flankiert von Susanne Schmidt, Professorin von der Otto-von-Guericke-Universität, will deshalb künftig einmal pro Jahr checken, was die größten börsennotierten Konzerne in puncto Diversität erreicht haben. Dazu schauen sich die PR-Expertin und die Wissenschaftlerin die Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte und den Brief des Vorstandsvorsitzenden an die Aktionäre an.
Messbarkeit als wesentliches Problem von Diversity-Indizes
Aus diesen Dokumenten schließen die Studien-Initiatorinnen, dass ihre Top Ten vor allem ein „umfassendes Diversitätsverständnis“ zeigen, das über das Trendthema Geschlechtergerechtigkeit hinausgeht. Sie bemängeln hingegen den „deutlichen Nachholbedarf“ bei der Definition von Leistungskennzahlen in der Unternehmenskommunikation, um Fortschritte in Sachen Diversität mess- und sichtbar zu machen.
Genau in der Messbarkeit liegt indes ein wesentliches Problem solcher Diversity-Indizes. Laut Dirschl von der Charta der Vielfalt müsse dafür umfangreiches Zahlenmaterial ausgewertet werden. Dieses aber auch nur zu erheben, verbiete der deutsche Datenschutz: Lediglich die Facetten Alter, Geschlecht, Religion und die Nationalität ihrer Mitarbeiter dürften Arbeitgeber ermitteln. Dirschl: „Über eine mögliche Behinderung, die persönliche sexuelle Orientierung sowie den neuen Diversity-Aspekt ,soziale Herkunft' muss kein Mitarbeiter dem Chef Auskunft geben.“ Nicht-datenschutzkonforme Erhebungen können in Deutschland zu Strafen für Unternehmen und Organisationen von bis zu 20 Millionen Euro führen.
Cawa Younosi, Personalchef von SAP Deutschland, dem aktuellen BGA-Gewinner, bestätigt aus der Praxis mit Blick auf die deutschen Datenschutzbestimmungen: Abgesehen von der Geschlechterquote ist es bei den restlichen sechs Diversity-Dimensionen sehr schwierig, mit Zielvorgaben zu arbeiten.“ Younosi behilft sich wie etliche andere Personalmanager mit Schätzungen. Etwa zum Anteil von homosexuellen Kollegen innerhalb der Belegschaft oder zu den Beschäftigten mit Wurzeln in fremden Kulturen.
Auch freiwillige Selbstauskünfte der Mitarbeiter sind beliebt, um die Arbeitgeber-Aktivitäten und Angebote für bestimmte Zielgruppen optimieren zu können. Die reichen bei SAP von Ansprechpartnern für diejenigen, die zum Beispiel Sexismus oder Homophobie erlebten, über virtuelle Treffen für Väter oder weibliche Talente bis hin zu multikulturellen Festen, wie sie vor Corona stattfanden. Außerdem arbeitet Younosi mit Schulungen daran, dass bei Einstellungen und Beförderungen nicht länger unbewusste Vorurteile die Entscheidung gegen eine Person negativ beeinflussen.
Für Rankings sei es entscheidend, wie sie zustande kämen. „Also, ob sie tatsächlich Erreichtes oder bereits bloße Absichtserklärungen bewerten“, sagt Cawa Younosi. Wer sich von Gendersternchen in der Außenkommunikation beeindrucken lasse, verliere die wirklichen Herausforderungen für mehr Vielfalt leicht aus den Augen.
Und Stuart Bruce Cameron, Chef der Uhlala Group, die sich für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bi- oder Transsexuellen (LGBT) am Arbeitsplatz einsetzt, ergänzt: „Statistische Betrachtungen allein reichen ohnehin nicht, um für Vielfalt in der Belegschaft zu sorgen.“ Es gehe vielmehr darum, wie sich Diversity gezielt fördern und ein Klima schaffen lasse, in dem sich alle Mitarbeiter zugehörig und wertgeschätzt fühlen.
Doch die Frage, wie es damit im Arbeitsalltag konkret aussieht und welche Instrumente dafür eingesetzt werden und wie gut sie funktionieren, werde für Diversity-Rankings allzu häufig nicht gestellt. „Nur zu checken, ob Unternehmen verbal die Regenbogenflagge hissen, ist zu wenig.“
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