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Recruiting in Unternehmen Wenn der Algorithmus die besten Bewerber aussucht

Manche Firmen bekommen Tausende Bewerbungen, wenn sie eine Stelle ausschreiben. Automatische Datenanalysen sollen bei der Auswahl helfen. Die Personalabteilungen müssen sich umstellen, die Kandidaten – vorerst – kaum.
07.08.2016 - 09:41 Uhr Kommentieren
Hand pointing to portrait amongst many others Quelle: Getty Images
Digitale Auswahl

Daten ersetzen keinen persönlichen Kontakt.

(Foto: Getty Images)

Köln Für Bewerber gehört Aufregung im Bewerbungsverfahren dazu. Dass auch ein Unternehmen höchst gespannt auf die Ergebnisse des Auswahlprozesses blickt, ist eher ungewöhnlich. So aber ging es einigen Personalverantwortlichen der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte, als im vergangenen Jahr Auszubildende gesucht wurden. Denn erstmals durchliefen alle jungen Bewerber online einen Auswahltest, der automatisch ausgewertet wurde. Eingeladen wurden dann die vielversprechendsten Kandidaten für die 100 Ausbildungsplätze. „Das hat dazu geführt, dass wir mit dem gleichen Einsatz von Ressourcen deutlich bessere Ergebnisse erzielen“, sagt Jens Plinke, der bei Deloitte für das Personalmarketing verantwortlich ist.

Nach dem erfolgreichen Test denkt die Beratung jetzt intensiv darüber nach, auch für andere Stellen auf eine Datenanalyse als Teil des Bewerbungsprozesses zu setzen. Grund dafür ist die schiere Masse: Jedes Jahr landen 60.000 Bewerbungen bei der deutschen Niederlassung der Beratungsgesellschaft, quer durch alle Altersklassen und für die verschiedensten Jobprofile. Mit automatisierten Verfahren wollen die Personaler nicht nur Zeit gewinnen, sie wollen auch weg von der Vorauswahl nach Bauchgefühl: „Wir wollen einen möglichst rational strukturierten Prozess erreichen“, sagt Plinke.

Der Algorithmus als Auswahlhelfer, das bedeutet: Big Data erreicht die Personalabteilungen deutscher Unternehmen. „Wir stehen an einem Wendepunkt im Recruiting“, bemerkt Marc Irmisch-Petit, Geschäftsführer für Deutschland bei der Karrierewebsite Monster. „So wie auch in anderen Sektoren die Zeichen auf Digitalisierung stehen, so werden auch im Personalbereich die Vorteile neuer Technologien erkannt.“

Klar ist aber auch: Im Vergleich zu anderen Branchen ist das Datenaufkommen vergleichsweise gering. In allererster Linie geht es darum, die schon bisher anfallenden Angaben zu Person und Lebenslauf in IT-Systemen zu erfassen und zu bearbeiten. Das fühlt sich für Bewerber und vor allem Personalverantwortliche vielleicht nach Big Data an – ist aber in den meisten Fällen erst einmal eine Aufholjagd zu anderen Unternehmensbereichen. „Es geht um eine grundsätzliche Digitalisierung im Recruiting“, sagt Steffen Braun, Gründer und Geschäftsführer des Software-Anbieters Talention.

Eine aktuelle Umfrage der Universität Bamberg und des Portals Monster zeigt etwa, dass bislang nur vier von zehn Unternehmen überhaupt Kennzahlen für die Mitarbeitersuche definiert haben. Doch das könnte sich schnell ändern. Denn um geeignete Bewerber müssen sich viele Unternehmen heute bereits aufwendig bemühen. Was die Fachleute früher als „Post & Pray“-Prinzip bezeichneten, also das bloße Veröffentlichen einer Stellenanzeige in der Hoffnung auf passende Bewerber, zieht heute nicht mehr.

Gründer Braun vergleicht die Bemühungen in vielen Unternehmen dabei mit dem Stand des Onlinemarketings vor fünf Jahren: Die ersten Digitalisierungsschritte unternehmen die Firmen, indem sie ihre Rekrutierungskanäle besser überprüfen – wo und bei wem ist eine Onlinestellenanzeige besonders gut geklickt worden, welches Portal brachte tatsächlich geeignete Kandidaten hervor? Wie in Onlineshops experimentieren die Unternehmen dabei mit kleinen Details, etwa einem veränderten Bild in der Anzeige, und überprüfen dessen Wirkung. „Und idealerweise finde ich auch noch heraus, warum sich jemand nicht bewirbt“, beschreibt Braun die Datensammlung an dieser Stelle.

Offene Kommunikation steigert Verständnis

Die Ergebnisse überraschen dabei durchaus auch erfahrene Personaler: Als Deloitte etwa im vergangenen Jahr über zahlreiche Kanäle nach SAP-Beratern mit einigen Jahren Berufserfahrung suchte, kam ein großer Teil der erfolgreichen Bewerber via Facebook. „Das war für uns eine sehr wichtige Information“, berichtet Plinke.

Für die Bewerber ändert sich aktuell noch relativ wenig – die meisten Big-Data-Prozesse laufen im Hintergrund ab. Ausgefüllte Lebenslauf-Masken und Onlinetests gehören ja zumindest in größeren Unternehmen schon seit einiger Zeit zum Repertoire. „Die Kandidaten stehen solchen Analysen sehr offen gegenüber, wenn man ihnen erklärt, was genau passiert“, schildert Plinke aus seinen Erfahrungen.

Das deckt sich mit den Zahlen der Bamberger Wissenschaftler: Sechs von zehn Bewerbern finden demnach eine Datenerhebung gut, wenn sich dadurch die Prozesse beschleunigen. Und fünf von zehn Kandidaten sind bereit, persönliche Daten anzugeben, wenn der Rekrutierungsprozess so insgesamt optimiert werden kann.

Die Unternehmen betonen zudem: Es solle gerade vermieden werden, dass der Bewerber oder Mitarbeiter zu einer Nummer im Bewerbungsprozess verkommt. Laut einer Studie vom Branchenverband Bitkom und dem sozialen Netzwerk LinkedIn aus dem vergangenen Jahr geht es vor allem darum, bessere „Entscheidungsgrundlagen“ zu erhalten – was bei der Vorauswahl an Ressourcen eingespart wird, soll in die detaillierte Beschäftigung mit den interessanten Kandidaten investiert werden. „Die Daten ersetzen nie den persönlichen Kontakt und die Entscheidung“, sagt Plinke, „aber sie helfen uns sehr wohl, eine valide Entscheidung zu treffen.“

Diese Erfahrung teilt auch Musikanbieter Soundcloud, der mit insgesamt etwa 300 Mitarbeitern vom Hauptsitz Berlin aus agiert. Die Akzeptanz für Technologie sei in dem jungen Unternehmen groß, bestätigt Chris Brown, zuständig für die Personalsuche. Trotzdem gelte: „Wir müssen immer nach der Balance suchen, was wir automatisieren wollen und können.“

Aktuell nutzt das Unternehmen vor allem Angebote der Lebenslauf-Plattform LinkedIn, um dort gezielt interessante Kandidaten erreichen zu können. Auch Empfehlungs-Tools gehören dazu, mit denen Mitarbeiter besonders unkompliziert Bekannte mit ihrem Arbeitgeber in Verbindung bringen können. Aber blind wolle man auch hier keinem Algorithmus folgen: „Bevor es im Bewerbungsprozess weitergeht, wird es immer ein persönliches Gespräch geben“, sagt Brown.

Der gläserne Mitarbeiter

Gebastelt wird durchaus auch an noch komplexeren Lösungen. Aus Sicht vieler Personaler wäre eine einheitliche Plattform wünschenswert, die das gesamte Arbeitsleben eines Mitarbeiters abbilden kann – gewissermaßen von der Rekrutierung bis zur Rente. Insbesondere in größeren Firmen könnten in so einer Datenbank dann nicht nur die Erfahrungen bei der Einstellung vermerkt werden, sondern auch jede Fortbildung und jede Beurteilung. Sollten dann etwa für ein neues Büro im Ausland passende Mitarbeiter gesucht werden, wären per Knopfdruck die geeigneten Kandidaten zu sehen.

Diese Fehler brechen Bewerbern das Genick
Nicht ausreichend über das Unternehmen informiert
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Viele Bewerber machen sich im Vorfeld ihres Jobwechsels nicht genug Gedanken, ob der neue Job tatsächlich etwas für sie ist. Lutz Busch, Berater bei HiTec Consult, einem der führenden Anbieter von Executive Search Consulting in Europa, hält es beispielsweise für eine Todsünde, sich nicht ausreichend über den neuen Arbeitgeber zu informieren: Denn grundsätzlich kann man sich zum Beispiel unter www.bundesanzeiger.de zu jeder Kapitalgesellschaft hervorragend informieren. So lassen sich Übernahmen oder Insolvenzen voraussehen. Auch ein Vorab-Check über Bewertungsportale wie Glassdoor kann nicht schaden.

(Foto: Fotolia)
Wettbewerbsverbot oder lange Kündigungsfrist nicht berücksichtigt
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Ein bestehender Arbeitsvertrag kann so aufgebaut sein, dass der bereits gefasste Entschluss zum Jobwechsel scheitern kann. Bevor die Bewerbung abgeschickt wird, sollten Wechselwillige also noch einmal einen Blick in den aktuellen Vertrag werfen und überprüfen, ob sie überhaupt zum gewünschten Zeitpunkt anfangen können.

(Foto: dpa)
Dem Lebenslauf fehlt die Kontinuität
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Natürlich muss auch der Lebenslauf stimmen. Sowas wie: "Ich habe dreimal Pech gehabt, weil das Unternehmen übernommen wurde, insolvent gegangen ist oder ich mich nicht mit meinem Vorgesetzten verstanden habe. Die kurzen Wechsel sind daher nicht in meiner Person begründet" zieht bei Personalern leider nicht. Wenn die Kontinuität fehlt, wandert die Bewerbung auf den Ablagestapel. Es ist unerheblich, wie häufige Wechsel zustande kommen. Bewerber, die schnell die Nerven verlieren und rasant die Arbeitsplätze wechseln, haben irgendwann keine Chance mehr auf einen neuen Job.

(Foto: gms)
Nicht auf die Art des Vertrages geachtet
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Zeitverträge sind für Berufseinsteiger inzwischen gang und gäbe. Knapp die Hälfte aller Neueinstellungen sind befristet. Den Betroffenen bleibt die Hoffnung auf Festanstellung. Doch auch, wenn es nicht der erste Job ist, müssen Bewerber darauf achten, worum es bei der neuen Stelle geht: Teilzeit, unbefristeter Arbeitsvertrag? Es werden immer noch sehr wichtige Dinge zur Klärung bis in das finale Gespräch eines Bewerbungsprozesses geschoben. Deshalb besser früh nach wichtigen Rahmenbedingungen fragen. Der neue Job kann sonst eine Mogelpackung sein.

(Foto: dpa)
Vom hohen Gehalt blenden lassen
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Häufig werden nicht die Arbeitsinhalte in den Vordergrund gestellt, sondern monetäre Anreize als Grundlage für den Wechsel gewählt. Ein Trugschluss, der oft bestraft wird. Spätestens nach dem zweiten finanziell motivierten Wechsel wird dem einstellenden Personaler klar, wen er da vor sich sitzen hat. Es gibt natürlich auch das Gegenteil...

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Finanzielle Verluste übersehen
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Doch Gier ist nicht das einzige Problem von Bewerbern: Viele vergessen, sich vor einem Jobwechsel anzuschauen, welche Boni, Aktien, Stockoptions oder Pensionszusagen verloren gehen können. Diese Verluste sollte man durch das neue Gehalt auffangen. Ein häufiger Fehler ist, dass Bewerber oft die einzelnen Komponenten mit dem zukünftigen Arbeitgeber separat verhandeln wollen. Dabei sollte man nicht vergessen, dass beispielsweise Aktienzusagen bei vielen, logischerweise bei nicht börsennotierten Unternehmen, gar nicht existieren. Daher immer alle „Benefits“ über das Gehalt abbilden und nicht einzeln einfordern

(Foto: Fotolia)
Bauchgefühl ignorieren
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Schon im Vorstellungsgespräch kann das Gefühl aufkommen, dass man irgendwie nicht zusammenpasst. Wenn das Bauchgefühl „Nein“ sagt, sollte man auch darauf hören.

(Foto: Fotolia)

Noch weiter gehen Versuche, per Software die Kündigungswahrscheinlichkeit abzuschätzen. „Interessant wären sicher Warnsignale, ob sich ein Mitarbeiter mit einem Abschied aus dem Unternehmen beschäftigt“, sagt Brown, in dessen Firma viele begehrte Software-Entwickler benötigt werden. Wer also Führungsverantwortung anstrebt, aber dann zweimal bei einer Beförderung nicht zum Zug kommt, für den könnte der Computer in Zukunft eine besonders intensive Betreuung empfehlen. Um mit mehr Daten rechnen zu können, schalten einige Anbieter von Software für die Personalarbeit bereits – anonymisiert – die Mitarbeiterdaten all ihrer Unternehmenskunden zusammen. So kann der Algorithmus Millionen von Mitarbeiterprofilen auf Auffälligkeiten hin vergleichen.

Langfristig könnten diese Ergebnisse dann wiederum die Schwerpunkte im Recruiting verändern. Je härter der Kampf um bestimmte Fachkräfte wird, desto eher dürften sich Unternehmen auf IT-Unterstützung verlassen, um gezielter rekrutieren zu können. Deloitte-Manager Plinke geht davon aus, dass immer mehr Faktoren auch systematisch ausgewertet werden: „Für uns wäre es sicher spannend zu sehen, von welcher Hochschule die Talente kommen, die sich bei uns besonders erfolgreich entwickeln.“

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