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Serie: Netzwerken in der Krise – Teil 4 Politische Netzwerke: Diese Verbindungen nützen der Karriere der Abgeordneten

Obwohl in der Politik gute Beziehungen wichtig sind, gibt es im politischen Berlin keine echten Karrierenetzwerke. Besonderen Einfluss haben die Gruppen der Fraktionen.
02.03.2021 - 09:11 Uhr Kommentieren
CDU-Chef Armin Laschet, Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (v.l.): Hilfreiche Netzwerke im politischen Berlin.
Politische Netzwerke

CDU-Chef Armin Laschet, Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (v.l.): Hilfreiche Netzwerke im politischen Berlin.

Berlin Der Geheimbund wurde bei einer guten Flasche Whisky über den Wolken gegründet. Auf einem Nachtflug von Caracas nach Santiago de Chile schmiedeten zwölf junge konservative Männer einen Pakt. Der Männerbund schwor sich, die CDU Helmut Kohls zu modernisieren. Alle Mitglieder strebten in hohe politische Ämter und versprachen sich, niemals gegeneinander anzutreten.

Als der „Andenpakt“ rund 25 Jahre später publik wurde, hatte sich die politische Seilschaft für die Mitglieder ausgezahlt. Peter Müller und Christian Wulff waren Ministerpräsidenten, viele andere Mitglieder ebenfalls in Führungspositionen.

Der Andenpakt gilt als mächtigstes politisches Netzwerk der vergangenen Jahrzehnte. Der Pakt war einzigartig, weil er so lange geheim blieb. Und weil es einen vergleichbaren Geheimzirkel seitdem nicht wieder gab.

Obwohl in der Politik gute Beziehungen so wichtig sind wie fast nirgendwo sonst, gibt es im politischen Berlin keine echten Karrierenetzwerke, zumindest keine, die bekannt wären. Zwar haben sich in den Parteien unzählige WhatsApp-Gruppen gebildet, aber ob und wie stark dort tatsächlich die eigene Karriere vorangebracht wird, lässt sich nur schwer sagen.

Nicht direkt der Karriere, aber durchaus dem Kontaktbuch nützt Politikern die Mitgliedschaft in transatlantischen Netzwerken wie etwa der „Atlantik-Brücke“, die vom ehemaligen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel geführt wird.

Im politischen Berlin gibt es immer mal wieder Versuche, neue Netzwerke zu initiieren. Der CDU-Abgeordnete Andreas Steier etwa gründete mit seinen Kollegen Silvia Breher und Stefan Rouenhoff die „Gruppe 17“ – ein informelles Netzwerk von Unionsabgeordneten, die 2017 in den Bundestag einzogen.

Einflussreicher, aber ebenfalls keine echten Karrierenetzwerke sind die parteiübergreifenden Gesprächsrunden, die seit jeher zum Politikbetrieb gehören. Legendär ist die „Pizza-Connection“, in der Politiker von CDU und Grünen einst eine Annäherung versuchten.

Seit 2014 gibt es ein schwarz-gelbes Pendant. Der damalige Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU), heute Bundesgeschäftsführer beim Arbeitgeberverband, rief unter anderem mit dem FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke die „Kartoffelküche“ ins Leben. Es geht darum, auch in Zeiten der Großen Koalition den Kontakt zwischen Union und Liberalen zu pflegen. Die Kartoffelküche tagte auch schon digital in Corona-Zeiten.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums treffen sich Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei, etwa im „Progressiven Zentrum“ oder der „SPD-Denkfabrik“. In der Denkfabrik loten seit 2004 sozialdemokratische Abgeordnete und ihre Mitarbeiter die Möglichkeiten rot-rot-grüner Regierungsbündnisse aus.

Einflussreiche Fraktionen

Wichtiger für die eigene Karriere sind aber die einflussreichen Gruppen in den jeweiligen Fraktionen, besonders in der Union und der SPD. In der SPD teilen sich etwa die „Parlamentarische Linke“ und der konservative „Seeheimer Kreis“ oft die Jobs in Partei und Fraktion auf. Etwa 2017: In der Annahme, in die Opposition zu gehen, gab es nach der Bundestagswahl einen harten Wettbewerb um das Amt des parlamentarischen Geschäftsführers in der Bundestagsfraktion.

Der damalige Parteichef Martin Schulz wollte Hubertus Heil zum sogenannten „PGF“ machen. Doch das vereitelte der Seeheimer Kreis. Nachdem mit Andrea Nahles schon eine Parteilinke Fraktionschefin war, stand der zweite Posten in der Fraktion dem eigenen Verständnis nach einem Seeheimer zu. Am Ende bekam der Seeheimer Carsten Schneider den Job.

Doch nicht immer gehen die Pläne so auf, wie ausgerechnet Johannes Kahrs, viele Jahre oberster Strippenzieher des Seeheimer Kreises, erfahren hat. Kahrs wollte Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestags werden. Doch am Ende zog er gegen Eva Högl den Kürzeren – und legte daraufhin im Mai 2020 sein Bundestagsmandat nieder.

In der Unionsfraktion hat vor allem der „Parlamentskreis Mittelstand“ (PKM) durch seine Größe Gewicht. Von den 246 Abgeordneten der Fraktion engagieren sich 161 im PKM, der vom CDU-Politiker Christian von Stetten geleitet wird. Die Anzahl der Parlamentarier führt aber auch dazu, dass die Bindung nicht so eng ist wie bei kleineren Netzwerken. Der PKM ist als soziologische Gruppe kein geschlossener Block, wird aber bei wichtigen Personalentscheidungen umgarnt, etwa vor der Kampfabstimmung von Ralph Brinkhaus und Volker Kauder um den Fraktionsvorsitz im Herbst 2018.

Der PKM hat viele einflussreiche Mitglieder, etwa Jens Spahn (CDU). Als es nach der Bundestagswahl 2017 um die Verteilung der Kabinettsposten ging, soll Spahn mit dem PKM im Rücken Druck auf Angela Merkel gemacht haben, einen Ministerjob zu bekommen. Andernfalls, so ging damals das Gerücht um, würde er für den Fraktionsvorsitz kandidieren.

Die Grenzen der informellen Bündnisse

Auch im Rennen um den CDU-Vorsitz 2018 spielte der Wirtschaftsflügel eine Rolle. PKM-Chef von Stetten hielt zu Friedrich Merz – wie auch die „Mittelstands- und Wirtschaftsunion“ (MIT). Dem Wirtschaftsflügel ist rund ein Drittel der Delegierten auf CDU-Parteitagen zuzurechnen, was ihn zu einem wichtigen Faktor macht. Merz setzte damals auf die Unterstützung der MIT und der Jungen Union (JU). MIT-Vorsitzender ist Carsten Linnemann. JU-Chef war damals noch Paul Ziemiak, mittlerweile CDU-Generalsekretär.

Spahn, Linnemann und Ziemiak verband lange ein informelles Bündnis, „Troika“ genannt. Die drei aufstrebenden Jungpolitiker unterstützten sich über Jahre gegenseitig. Im Rennen um den CDU-Vorsitz vor zwei Jahren funktionierte die Troika allerdings nicht mehr richtig. Die MIT gehörte eher zum Merz-Lager.

Viele Gerüchte gab es um die Rolle der JU: Angeblich unterstützte sie im ersten Wahlgang mehrheitlich Spahn, wechselte dann in der zweiten Runde zu Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie setzte sich gegen Merz durch – und machte Ziemiak zu ihrem Generalsekretär.

Bei der erneuten Wahl eines CDU-Vorsitzenden im Januar zeigte sich, dass der Wirtschaftsflügel nicht so geschlossen ist wie häufig dargestellt. Der MIT-Bundesvorstand hatte sich erneut für Merz ausgesprochen, allerdings gab es im Landesverband Nordrhein-Westfalen auch Unterstützer für Armin Laschet. Der NRW-Ministerpräsident setzte sich letztlich durch.

Der Vorgang zeigt die Auflösungserscheinungen des Andenpakts. Der ist nur noch ein Freundeskreis, echten Einfluss hat er nicht mehr. Das sieht man auch daran, dass das einst größte Versprechen, niemals gegeneinander anzutreten, nicht mehr gilt. Laschet hat sich im Januar auf dem digitalen Parteitag gegen Merz durchgesetzt. Beide sind Andenpakt-Mitglieder.

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