Serie: Netzwerken in der Krise – Teil 5: Kulturelle Netzwerke
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Serie: Netzwerken in der Krise – Teil 5Kulturelle Netzwerke: Wie Geschäftsbeziehungen auf Vernissagen entstehen
In jeder deutschen Großstadt dienen die kulturellen Institutionen als wichtige Netzwerke. Welche Verbindungen es gibt – und was die Mitgliedschaft nützt.
Ingvild Goetz, Steffi Czerny, Gabriele Quandt (v.l.): In jeder deutschen Großstadt dienen die kulturellen Institutionen als wichtige Netzwerke.
München Zu den Höhepunkten des sozialen Lebens in München gehört die jährliche „PIN-Party“. Da treffen sich im November die Freunde der Pinakothek der Moderne und ihre Gäste in dem weißen Sichtbetonbau. Zunächst werden, zum Wohl der Museumsfinanzen, zeitgenössische Werke versteigert, anschließend tafelt die Gesellschaft – in eine „Seated“-Zone sowie einen offenen Bereich geteilt – und tanzt am Schluss in der Rotunde.
2020 fiel die Sause aus. Aber immerhin brachten zwei Onlineversteigerungen drei Millionen Euro ein, an der Spitze ein Neo-Rauch-Ölgemälde mit 300.000 Euro. Das passende Krisenmotto: „Das ganze Leben ist eine Kunst, jetzt erst recht.“ Davon fühle sich in München „altes und kluges Geld“ angesprochen, sagt ein maßgeblicher PR-Unternehmer.
Die PIN-Gesellschaft, vor 56 Jahren als „Galerie Verein“ gegründet, lockt etliche einflussreiche Persönlichkeiten der bayerischen Landeshauptstadt, etwa die Kunstsammlerin Ingvild Goetz, Tochter des Hamburger Versandhausgründers Werner Otto, die auch das Kuratorium leitet. Oder BMW-Aktionärin Susanne Klatten, Vermögensverwalter Jens Ehrhardt, Allianz-Vorstand Klaus-Peter Röhler, Herzog Franz von Bayern oder Munich-Re-Aufseher Nikolaus von Bomhard.
Jede deutsche Großstadt hat für ihre wichtigen kulturellen Institutionen solche Freundeskreise. Es handelt sich um Interessen- und Neigungsgemeinschaften, die versuchen, Geschmack und Geld zu verbinden, und die darüber hinaus kulturelle Netzwerke bilden. Aufstieg und Karriere zeigt sich in postmodernen Gesellschaften eben nicht mehr allein in der von der Hausbank übermittelten Vermögensübersicht, sondern vielmehr im bildungsbürgerlichen Befähigungsnachweis.
So ist Kunst gewissermaßen der Türöffner für Debatten über Sein und Schein, über Schön und Böse, über Arm und Reich, über die großen Widersprüche dieser Welt. Das interessiert eine Klientel, die das Sammeln von Kunst als Neben-Lebensinhalt entdeckt hat und – in virenfreien Zeiten – die großen Kunstmessen abklappert.
Auf Kunstveranstaltungen können Geschäftsbeziehungen entstehen
„Wenn ich auf die Art Basel gehe, könnte ich 50 Prozent meiner Geschäftstermine dort abhalten“, sagt Unternehmensberater Stephan Goetz, Ehemann der PIN-Kuratoriumschefin Ingvild Goetz. Für ihn hat gezielte Beziehungspflege jedoch „immer auch etwas Unappetitliches“.
Es zähle vielmehr, mit anderen an Kultur und Gesellschaft Interessierten offene Diskussionen zu führen, um so ein „gerundeter Mensch“ zu werden. Irgendwann entstünden vielleicht enge Beziehungen, die man „Network“ nennen könnte, so Goetz, „das kann dann auch im beruflichen Kontext helfen“. Die wahre Qualität des Netzwerkens ist eben, es gar nicht so aussehen zu lassen. Nichts soll wie „Small Talk“ auf Berechnung wirken.
In dieser lebendigen Szene haben sich längst neben den Fanmeilen der großen Museen und Konzerthäuser informelle Kreise gebildet. Besonderen Status verleiht da die Einladung zu einem Musikabend des Berliner Anwalts Peter Raue und seiner Frau Andrea Gräfin Bernstorff.
Man trifft sich natürlich auch bei Vernissagen oder Finissagen, kommt ins Plaudern, sieht sich abends beim Dinner. Besonders in Berlin funktioniert diese Form der Kontaktpflege, etwa wenn Mathias Döpfner einlädt, Vorstandschef und Teilhaber von Axel Springer. In seiner eigenen Potsdamer „Villa Schöningen“ organisiert er Ausstellungen.
Andere Berliner Kulturgrößen, um die herum sich Eingeweihte gruppieren, sind der Unternehmer Christian Boros und seine Frau Karen. Ihre Objekte zeigen sie im ehemaligen Reichsbahnbunker in Berlin-Mitte, Friedrichstraße. Abends lädt Boros schon mal in sein Penthouse oben auf dem Bunker.
Wichtige kulturelle Verbindungen
Mitgliederzahl: knapp 900
Gründungsjahr: 1965 (als „Galerie Verein“)
Zugang: Online-Anmeldung (regulär 650 Euro Jahresbeitrag)
Selbstverständnis: Wunsch, der Münchner Pinakothek der Moderne sowie dem Museum Brandhorst zu Aufmerksamkeit und Ankäufen zu verhelfen, Ansprache auch junger Kunstinteressierter
Mitgliederzahl: 1400
Gründungsjahr: 1977 (Wiedergründung, erste Phase 1929-1945)
Zugang: Online-Anmeldung mit Bürgen
Selbstverständnis: Netzwerk zur Förderung der Leidenschaft für bildende Kunst
Mitgliederzahl: 2000
Gründungsjahr: 1949
Zugang: Online-Anmeldung als „Freund“, „Förderer“ oder „Mäzen“ (100 bis 5000 Euro Jahresbeitrag)
Selbstverständnis: Finanzhilfen für das Orchester organisieren, Gemeinschaft von Liebhabern klassischer Musik
Mitgliederzahl: 9000
Gründungsjahr: 1899
Zugang: Online-Anmeldung für 120 Euro Jahresbeitrag
Selbstverständnis: Förderung der Museumsarbeit von Städel und Liebieghaus in Frankfurt am Main
Zum unbestrittenen Ober-Netzwerker der neuen Kunstwelt aber stieg der Schweizer Hans Ulrich Obrist („HUO“) auf, ein furioser Ausstellungsmacher, der als künstlerischer Leiter der Serpentine Gallery in London wirkt. „HUO“ sei selbst zur „weltumspannenden Organisation“ geworden, urteilt das Magazin „Monopol“.
Obrist ist einer, der von sich selbst sagt, Leute zusammenzubringen sei „sein Job, je mehr Funken fliegen, desto besser“. Und er ist einer, der als Stammkünstler seit 15 Jahren bei „Digital Life Design“ (DLD) auftritt, einer Schöpfung aus dem Medienhaus Hubert Burda, und der dort früh Ai Weiwei auf die Bühne brachte, als kaum einer den chinesischen Künstler kannte.
„Kuratorin von Themen und Menschen“
Den Kurator Obrist interessiere „nicht der Marktwert eines Künstlers“, sondern sein „gesellschaftlicher Impact“, sagt Steffi Czerny, Mitgründerin und Geschäftsführerin des Netzwerks DLD: „Künstler sind Disruptoren und Seismografen für gesellschaftliche Veränderungen.“
Czernys Organisation spricht mit Konferenzen rund um digitale Lebenskultur global 40.000 Menschen an. Ist sie ein „Rockstar-Networker“, wie ein Fachmagazin befand? Nein, erklärt Czerny, das Wort „Networking“ sei ihr „zu profan“. Sie begreift sich lieber als „Kuratorin von Themen und Menschen“. Es gehe darum, „Muster zu erkennen“. Also: Wer passt zu wem? Und: Was verbindet unterschiedliche Subsysteme?
Weit weg von solchen Ansätzen ist das, was der Verein der Freunde der Nationalgalerie tut. Unter Vorsitz von Gabriele Quandt, Hauptgesellschafterin der Harald Quandt Holding, hilft hier das bürgerliche Berlin, sechs Museen mitzufinanzieren. 1500 Mitglieder haben freien Eintritt, wer neu dazustoßen will, braucht einen Bürgen. Im Kuratorium sitzen etwa Textilunternehmerin Ingeborg Nemann oder Kunstsammlerin Julia Stoschek, die am Autozulieferer Brose beteiligt ist.
Unsere Veranstaltungen bieten viele Gelegenheiten, um ins Gespräch zu kommen und interessante Kontakte aufzubauen. Sylvia von Metzler, Städelscher Museums-Verein
Als weiteres konventionelles Netzwerk fallen die Freunde der Berliner Philharmoniker auf. Sie geben Geld für neue Instrumente oder die Generalsanierung der Orgel und stifteten eine Büste des Dirigenten Claudia Abbado.
Man wird hier „Freund“ (mindestens 100 Euro Beitrag im Jahr), „Förderer“ (mindestens 1000 Euro) oder Mäzen (mindestens 5000 Euro) – im letzteren Fall kann man eventuell mit dem Chefdirigenten speisen. Im Kuratorium sitzen unter anderem die Politiker Wolfgang Schäuble und Norbert Lammert sowie die Wirtschaftsgrößen Karl-Ludwig Kley, Christian Bruch und Theodor Weimer, ein eindrucksvoller Mix.
Unter anderen nennenswerten Freundeskreisen findet sich jener rund um die Tonhalle in Düsseldorf, wo sich örtliche Unternehmer wie Arag-Gesellschafter Paul-Otto Faßbender engagieren, oder der Städelsche Museums-Verein in Frankfurt mit seinen 9000 Mitgliedern. Regie führt hier Sylvia von Metzler, Frau des Bankiers Friedrich von Metzler, und wirbt offen mit „Vitamin B“: Die eigenen Veranstaltungen böten viele Chancen, „um miteinander ins Gespräch zu kommen und interessante Kontakte aufzubauen“.
In München schließlich haben es auch die Freunde des Nationaltheaters zur Bedeutung gebracht. Der gemeinnützige Verein, 1951 für den Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Theaterbaus gegründet, hat einige Mäzene zum Zahlen großer Geldbeträge bewegt. Chef des Freundeskreises ist Monsignore Siegfried Kneißl, Institutsleiter in der Erzdiözese München und Freising. An göttlichem Beistand fehlt es also nicht.
München sei „keine schlechte Stadt für kulturelle Netzwerke“, resümiert Unternehmer Goetz: „Es gibt viele Zirkel, in denen offen miteinander geredet wird.“
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