Personalsuche Flirt am Messestand – wenn Firmen um Fachkräfte werben

Nicht nur auf der Electronica werben viele Firmen um die begehrten Spezialisten.
Düsseldorf Mit dem Rennsimulator fahren und dabei in einem echten Formel-E-Wagen sitzen oder einen blinkenden Fidget-Spinner zusammenlöten – das alles konnten Besucher der Weltleitmesse Electronica in München am Stand von Würth Elektronik ausprobieren.
„Wir wollen Elektronik erlebbar machen und so Fachkräfte, Studenten und Schüler für unser Unternehmen begeistern“, erzählt Annika Rehmet, verantwortlich für das Employer Branding der Würth-Tochter. „Die Electronic Experience Hall schafft einen lockeren Rahmen, unverbindlich mit potenziellen Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen – anders als typische Karrieremessen.“
Die rund 58.000 deutschen Unternehmen, die jedes Jahr auf Fachmessen ausstellen, nutzen diese längst nicht mehr nur, um Kunden ihre Innovationen zu präsentieren. Messen sind als Stelldichein der Branche auch immer wichtiger geworden, um Fach- und Nachwuchskräfte anzuwerben. Nach einer aktuellen Umfrage des Verbands der deutschen Messewirtschaft Auma nutzen heute 23 Prozent der Aussteller Messen gezielt zur Rekrutierung. Vor zehn Jahren waren es erst neun Prozent.
Hauptmotiv ist der steigende Fachkräftemangel, gerade im Mittelstand. „Es ist schwieriger geworden, Fachkräfte zu finden, selbst für namhafte Unternehmen wie Würth Elektronik“, räumt die Personalexpertin ein. „Gerade Elektrotechniker sind rar und heiß umkämpft.“
Das Familienunternehmen ist zwar weltbekannt, die meisten denken aber an einen Großhändler für Schrauben und nicht unbedingt an einen Elektronikspezialisten. Dabei zählt Würth Elektronik mit 8 300 Mitarbeitern zu den führenden Herstellern von elektronischen und elektromechanischen Bauteilen in Europa.
Die Präsentation auf großen Messen ist heute für das Image eines Arbeitgebers prägend. Deshalb sind auf Branchenmessen meist Personaler mit am Stand. Denn interessierte Kandidaten suchen spontan das Gespräch, um sich ein Bild vom Berufsspektrum und der Firmenkultur zu verschaffen. Selbst wenn sie sich vielleicht erst Jahre später eine Stelle suchen – der erste Eindruck eines Unternehmens bleibt haften.
Zwar gibt es heute bundesweit rund 200 spezielle Karriere- und Jobmessen, doch die sind oft regional organisiert. Auf einem Zehn-Quadratmeter-Stand einer Jobmesse kommen Bewerber meist nur mit Personalern und Flyern in Kontakt. Zumal gesuchte Topkräfte es ohnehin nicht nötig haben, sich auf Jobmessen nach einer Stelle umzuschauen.
„Nirgendwo sonst als auf einer Fachmesse ist es so einfach, ein Unternehmen erlebbar zu machen und sich von Wettbewerbern zu differenzieren“, sagt Klaus Dittrich, Vorsitzender der Geschäftsführung Messe München. Gerade mittelständische Unternehmen nutzten auf Messen verstärkt die Möglichkeit, sich potenziellen Bewerbern als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. „Als Messegesellschaft bieten wir deshalb inzwischen Plattformen an, auf denen sich Arbeitgeber und Bewerber gezielt vernetzen können.“
Das reicht vom Job-Matching bis zum Hackathon. Auch Kongresse mit VIP-Faktor und Festivals parallel zur Messe locken junge qualifizierte Interessenten, die sonst kaum zu einer Fachmesse gekommen wären. Auf der Weltleitmesse Productronica in München beispielsweise veranstalten VDMA und Fraunhofer Institut diesen November erstmals einen Hackathon. Aussteller stellen jeweils eine Fachaufgabe. Studenten, junge Fachkräfte und Start-ups haben 48 Stunden Zeit, um Ideen und Prototypen vor Ort zu erarbeiten. So kommen Unternehmen zwanglos mit vielversprechenden Nachwuchskräften in Kontakt.
Auf der Transport Logistic in München findet im Sommer zum zweiten Mal ein Job-Matching statt. Interessierte Bewerber können mit Arbeitgebern im Zehn-Minuten-Takt speed-daten. Schließlich hat sich durch Tinder und Co. die Partnersuche der jüngeren Generation auch im Berufsleben stark verändert. Das hat auch das Logistikunternehmen Duvenbeck erkannt, das sich für das Job-Dating am Rande der Messe interessiert. Die Bocholter suchen laufend qualifiziertes und flexibles Personal – vom Lkw-Fahrer bis zum Disponenten. Die sind heute rar.
1993 hatte das Familienunternehmen gerade mal 80 Mitarbeiter, heute sind es europaweit 6 500. „Gerade für einen expandierenden Hidden Champion wie uns werden Branchenmessen immer wichtiger, um als Arbeitgeber auf uns aufmerksam zu machen“, sagt Thomas de Roy, Leiter der firmeneigenen kaufmännischen Weiterbildungsakademie.
Die meisten halten Duvenbeck für eine Spedition. „Aber wir machen heute viel mehr: Autoteile wie Achsen werden von uns vormontiert bis zu Dachhimmeln, die wir großen Autobauern anliefern“, erklärt de Roy. Da würde so mancher Messebesucher, mit dem man ins Gespräch komme, staunen.
Der Logistikexperte weiß nur zu gut: „Die wenigsten dieser Kandidaten würden sich auf einer Karrieremesse aktiv an uns wenden.“
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