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Till Roenneberg „Wir leiden unter sozialem Jetlag“

Der Chronobiologe Till Roenneberg über die Fehler im Alltag, was den Biorhythmus bestimmt und warum der Wecker ein schlimmer Gegner ist.
20.02.2016 - 09:13 Uhr

Licht und Dunkel faszinieren ihn. Vor allem ihre Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität in München ist Chronobiologe. Er ist Experte für die innere Uhr und untersucht, wie sie sich auf Schlaf, Leistungsfähigkeit und Lernen auswirkt.

Herr Professor Roenneberg, es heißt: „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ – lässt sich die unterstellte Leistungsfähigkeit am frühen Morgen eigentlich wissenschaftlich belegen?
Je früher man anfängt, desto erfolgreicher ist man – wenigstens in manchen Berufen. Das hat aber nichts mit unserer inneren Uhr zu tun, sondern mit der Tatsache, dass man schon viel geschafft hat, bevor alle anderen überhaupt loslegen.

Apropos innere Uhr: Die Zeiten persönlicher Leistungsfähigkeit scheinen ja sehr unterschiedlich zu sein.
Ja. Es kommt zum einen auf die jeweilige Aufgabe an, also ob es um Rechnen, Hantelnstemmen oder etwa darum geht, mit Kollegen zu kommunizieren. Dafür gibt es unterschiedliche Hochs am Tag. Zum anderen tickt die innere Uhr eines jeden sehr individuell: Während der eine schon um vier Uhr morgens fit ist, um Sport zu treiben, kommt der andere erst um 15 Uhr in die Gänge.

Lässt sich denn gar nichts verallgemeinern?
Doch. Die Verteilung von Chronotypen in der Bevölkerung ähnelt der Verteilung der Körpergröße – sie entspricht einer Glockenkurve. Mit jeweils nur wenigen Zwergen und Riesen beziehungsweise Lerchen und Eulen an ihren Enden. Da die meisten Menschen irgendwo in der Mitte der Verteilung liegen, kann man für sie allgemeine Aussagen machen, wie zum Beispiel: An freien Tagen schlafen die meisten Menschen etwa von Mitternacht bis acht.

Das erscheint mir aber ziemlich spät. 
Ja. Die innere Uhr der meisten Menschen geht heutzutage nach. Da so die Innenzeit nicht mehr mit den Arbeitszeiten übereinstimmt, leidet die Mehrheit unter sozialem Jetlag.

Der Chronobiologe Till Roenneberg von der Ludwig-Maximilians-Universität München Quelle: picture alliance/dpa
Till Roenneberg

Der Chronobiologe Till Roenneberg von der Ludwig-Maximilians-Universität München

(Foto: picture alliance/dpa)

Was genau soll das sein?
Wir müssen gegen unsere innere Uhr leben. Sie lässt uns zu spät einschlafen und zu spät aufwachen. Die meisten Menschen brauchen daher einen Wecker, um rechtzeitig wach zu werden.

Ich mag das Gebimmel ja auch nicht, aber was ist denn aus wissenschaftlicher Sicht so schlimm daran?
Da wir tagsüber nicht mehr draußen sind und die Nacht mit künstlichem Licht erhellen, bringen wir unsere innere Uhr aus dem Takt. Sie verrutscht nach hinten, und wir werden immer später müde und immer später wach. Das führt zu chronischem Schlafmangel.

Eine Zivilisationskrankheit?
Ja. Die innere Uhr von Naturvölkern ist viel früher dran, da dort die Unterschiede zwischen Tageslicht und nächtlicher Dunkelheit viel stärker sind. Im Gegensatz wird es um uns herum niemals richtig hell, aber auch niemals richtig dunkel. In geschlossenen Räumen bekommen wir nur etwa 200 Lux, während selbst an einem grauen, verregneten Tag draußen noch 10.000 Lux und ohne Wolken über 100.000 Lux sind. 


Und als Folge von all dem steuern wir auf eine übermüdete Gesellschaft zu?
Nein, wir steuern nicht mehr darauf zu. Wir sind längst schon mittendrin!

Inwieweit lässt sich der menschliche Biorhythmus eigentlich beeinflussen? Angenommen, ich komme morgens schlecht aus den Federn. Lässt sich das ändern, etwa, indem ich früher schlafen gehe?
Die einzige Stellschraube für die innere Uhr ist Licht. Früher aufzustehen und dann mit der U-Bahn ins Bürodämmerlicht zu fahren stellt sie leider nicht um. Wenn Sie aber ab sofort tagsüber draußen arbeiten und nach Sonnenuntergang die Dunkelheit aushalten – ohne Smartphone-Display und TV – synchronisiert sich Ihre innere Uhr und somit auch Ihr Schlaf-Wach-Rhythmus.

Lässt sich denn vielleicht das Schlafbedürfnis abtrainieren, so dass ich zum Beispiel statt der durchschnittlichen sieben Stunden nur noch mit fünf pro Nacht auskomme?
Nein, das geht nicht ohne Nebenwirkungen. Sie bekommen zwar mehr Wachzeit, können diese aber so schlecht nutzen, dass Sie unterm Strich sogar an Effizienz verlieren.

Das dürfte jetzt aber alle enttäuschen, die davon träumen, effizienter zu werden. 
Was sollte an diesem Traum wunderbar sein? Ich sage immer: Schlaf nimmt der Wachzeit nichts weg, sondern macht sie erst möglich!

Die Fragen stellte Claudia Obmann.

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