Trauer in Unternehmen: Wenn der Kollege plötzlich stirbt
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Trauer in UnternehmenWenn der Kollege plötzlich stirbt
Wenn ein Mitarbeiter unerwartet aus dem Leben scheidet, erschüttert dies auch seine Kollegen. Doch der Umgang mit Trauerfällen fällt vielen schwer. Wie Unternehmen ihren Beschäftigten beim Trauern helfen können.
München Wenn ein Mensch stirbt, ist das nicht nur für Familie und Freunde ein Schock. Auch am Arbeitsplatz erschüttert keine Nachricht die Mitarbeiter so sehr wie die vom Tod eines Kollegen. Viele Chefs reagieren hilflos. „Meist wird in Unternehmen über Tod nicht gesprochen. Denn eigentlich rechnet niemand so recht damit, dass in einem Betrieb jemand stirbt“, sagt Mechthild Herberhold, die Unternehmen im Umgang mit Trauerfällen berät.
Aber nach Zahlen des Statistischen Bundesamts starben 2012 mehr als 140 000 Menschen in Deutschland im Alter zwischen 25 und 65 Jahren durch Krankheiten, Unfälle oder Suizide - und damit im Alter der Berufstätigkeit.
„Der Tod sollte auch im beruflichen Umfeld kein Tabuthema sein“, rät der Theologe und Trauerbegleiter Norbert Mucksch. Vielen hilft es, über den Verstorbenen zu sprechen, sich zusammen mit Kollegen an ihn zu erinnern: Auch an seine Macken, an seine Sprüche in Konferenzen oder Vorlieben in der Kantine wie vier Löffel Zucker im Kaffee.
Was in Firmen alles schief läuft
„Der Arbeitsplatz einer Kollegin war für ihre neue Aufgabe ungeeignet: Sie musste abwechselnd auf den Tisch und dann 45° nach oben schauen. Dort war ihr Monitor im Regal untergebracht. Also standen alle ratlos ums Regal herum und beklagten sich, dass die IT-Jungs, die für solche Umbauten eigentlich zuständig sind, nicht endlich kommen, um den Monitor umzubauen. Während alle anderen rumstanden und klagten, haben ein Kollege und ich einfach den Monitor aus dem Regal genommen und auf den Tisch gestellt. War deutlich besser als auf die IT-Jungs zu warten. Seltsam, dass sonst keiner auf die Idee kam …“
„Das Blöde an ›Mach einfach!‹ ist: Seit alle wissen, dass unsere Abteilung´ einfach mal macht, lösen wir auch die Probleme aller anderen Abteilungen, die gerne jede Verantwortung von sich schieben und sich nur noch Routineaufträge zutrauen.“
„Leider trauen sich nur sehr wenige Manager, Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen haben den kleinen Haken, dass sie eventuell falsch sein könnten, weshalb viele leider die falsche Entscheidung treffen – nämlich keine.“
„Ich kenne Vertriebsorganisationen, bei denen die Account Manager vier Tage die Woche Reports verfassen und folgerichtig nur einen Tag die Woche beim Kunden sind. Desaströs.“
„Es besteht ein Hang dazu, sich in Routine zu vergraben, um keine unangenehmen Entscheidungen fällen zu müssen.“
„Ich glaube, dass Action Management bei uns nur so lange funktioniert, wie das Unternehmen in Notlage ist. Der Satz ›Verhalt dich mal ruhig!‹ fällt bereits, sobald wir irgendwie eine schwarze Null schreiben.“
„Action Management funktioniert bei uns nicht, weil Action Manager Erfolg haben und jeder Erfolg bei uns die Neider auf den Plan ruft. Sie fürchten, dass jeder merkt, dass sie keine solchen Erfolge vorweisen können. Erfolge machen einsam.“
„Action Manager sind oft erfolgreich, aber meist nicht beliebt, weil die anderen sich dann auch schneller bewegen müssen. Schwache Chefs finden den Action Manager auch eher unbequem …“
„Action Manager ernten bei uns meist weniger Anerkennung als diejenigen, die sich mehr aufs Schwafeln konzentrieren.“
Das gemeinsame Gestalten einer Todesanzeige kann helfen, aus der Sprachlosigkeit herauszufinden. „Es geht darum, die Schockstarre zu überwinden und selbst zu agieren“, sagt Mucksch. Manchmal entstehen dabei kleine Kunstwerke, wie der Buch-Autor Christian Sprang weiß. Er sammelt seit Jahren ungewöhnliche Todesanzeigen und hat zusammen mit Matthias Nöllke drei Bücher dazu herausgegeben. „Todesanzeigen sind Romane in Kurzform“, sagt er über seine ungewöhnliche Sammlung.
In seinem dritten Buch „Ich mach mich vom Acker“ hat er ein Kapitel den Todesanzeigen mit Berufsbezug gewidmet. Unter der Überschrift „Sein Leben galt der Kartoffel“ liefern die Texte reichlich Beweise dafür, dass auch Todesanzeigen für Kollegen oder Chefs eine echte Herzensangelegenheit sein können.
„Dein Großer Wagen“, schrieben Mitarbeiter eines Mercedes-Autohauses zum Beispiel in der Todesanzeige an ihren verstorbenen Kollegen. „Wenn jetzt da oben im Sternenhimmel die Sterne des „Großen Wagen“ besonders hell leuchten, wissen wir hier unten, dass Du Dich darum gekümmert hast. Mit großen Wagen kennst Du Dich ja aus.“ Der Inhaber eines Zoo-Markts erhielt posthum das höchste Lob von seinen Mitarbeitern: „Er war Chef und Mensch zugleich.“
„Einen besseren Chef konnten wir uns nicht vorstellen“
Geht der Chef, gehen die Anleger
Christophe de Margerie, Total
Der Chef des französischen Mineralkonzerns Total, Christophe de Margerie, ist bei einem Flugzeugunfall am 20. Oktober in Moskau getötet worden. Das Geschäftsreiseflugzeug vom Typ „Falcon 50“ sei im Nebel beim Start mit Ziel Paris mit einem Schneeräumfahrzeug zusammengeprallt, teilten die russischen Behörden mit.
Die Total-Aktie gab zunächst ein Prozent nach, erholte sich dann aber wieder.
Plötzliche Todesfälle von Chefs können einen Konzern in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Wenn noch kein Nachfolger bereit ist oder der Chef eine Kultfigur im Unternehmen war, kann dies Anleger verschrecken. In den meisten Fällen stoßen Anleger Aktien ab, nachdem der Chef starb.
Quelle: Financial Times und Stanford University
Steve Appleton, Micron Technologies
Am 3. August 2012 starb Steve Appleton, Chef des Mikrochipherstellers Micron Technologies, bei einem Flugzeugabsturz. Appleton war ein ausgebildeter Kunstpilot und verunglückte in seiner eigenen Maschine in der Nähe des Flughafens von Boise im US-Staat Idaho.
Der Handel mit Micron-Aktien wurde nach der Todesmeldung vorerst ausgesetzt. Nachdem der Handel wieder anlief, ging es für die Aktie um 2,8 Prozent nach unten.
Jai Nagarkatti, Sigma-Aldrich
Im September 2014 wurde der amerikanische Forschungsmaterialienhersteller Sigma-Aldrich vom deutschen Chemie- und Pharmakonzern Merck KGaA aufgekauft. Als Sigma-Aldrich noch selbstständig war, starb der Chef Jai Nagarkatti am 13. November 2010 an einem Herzinfarkt. Die Aktie gab ein Prozent nach.
Jim Cantalupo, McDonald's
Der McDonald's-Chef Jim Cantalupo starb am 19. April 2004 an einem Herzinfarkt im Alter von 60 Jahren. Noch am selben Tag wurde der Nachfolger bekannt: der bisherige Präsident und Chief Operating Officer (COO) Charlie Bell.
Die Aktie fiel nach der Todesmeldung um rund drei Prozent.
Joseph Magliochetti, Dana
Der amerikanische Automobilzulieferer Dana Corp. verlor am 22. September 2003 seinen Chef und Chairman Joseph Magliochetti. Der Konzern teilte mit, dass Magliochetti nach „kurzer Krankheit“ im Alter von 61 gestorben sei – und zwar an einer Bauchspeicheldrüsenentzündung. Der Aktienkurs von Dana Corp. gab im Gegensatz zu den meisten anderen Todesfällen nicht nach, sondern stieg um 1,6 Prozent. Es lässt sich ein Trend erkennen: Je bekannter ein Chef, desto schlimmer ergeht es dem Aktienkurs.
Michael Chowdry, Atlas Air
Michael A. Chowdry, Chef von Atlas Air, starb am 24. Januar 2001, ähnlich wie Steve Appleton, als Pilot beim Absturz seines ehemaligen tschechischen Militärjets. Die US-Behörden gingen davon aus, dass auch die aufgrund des Alters nachlassenden Flugfähigkeiten des Piloten mitverantwortlich für den Absturz waren.
Die Aktie von Atlas Air verlor nach der Meldung rund fünf Prozent.
Mark Hughes, Herbalife
Mark Hughes, der Gründer und Chef des Diät- und Kosmetikproduktverkäufers Herbalife, starb an einer Überdosis Alkohol und Antidepressiva am 21. Mai 2000. Traurige Parallele: Hughes hatte vorher immer betont, dass er Herbalife aufgrund des tragischen Tods seiner Mutter gegründet hat. Er sagte, sie sei an einer Überdosis Diätpillen gestorben – die Autopsie ergab, dass es ein Schmerzmittel war. Mutter und Sohn starben so durch eine Überdosis.
Der Aktienkurs von Herbalife reagierte besonders heftig auf die Todesmeldung und stürzte um zwölf Prozent ab.
Auch die Belegschaft einer Filmproduktionsgesellschaft fasste ihre Trauer über den Boss in wenige Worte, die alles sagen: „Wir trauern um unseren Chef“, schrieben sie unter die Zeichnung einer Filmkamera. „Einen besseren konnten wir uns nicht vorstellen.“
Eine derart gute Todesanzeige zu verfassen ist aber nicht einfach. „Das kann zwei oder drei Tage dauern“, sagt Buch-Autor Sprang. Besonders bei pensionierten Mitarbeitern setzen Unternehmen daher lieber auf Standardtexte - wenn sie sich überhaupt noch Anzeigen leisten. Die Hypovereinsbank würdigt immer noch alle pensionierten Mitarbeiter ab gewissen Positionen mit Todesanzeigen.
„Bereits seit Jahrzehnten bringt die Hypovereinsbank durch die Schaltung einer Traueranzeige, der Niederlegung eines Trauerkranzes und einem Kondolenzschreiben ihre Anteilnahme gegenüber den Familienangehörigen unserer Mitarbeiter bzw. Pensionisten zum Ausdruck“, sagt ein Sprecher der Bank auf Anfrage. Aus Sicht von Buch-Autor Sprang ist die Wertschätzung der Firma für die Angehörigen wichtig. „Die Todesanzeige ist da wie ein Zeugnis.“
Das Andenken an Kollegen können Beschäftigte aber auch auf andere Art bewahren. Die Mitarbeiter einer Werkstatt fanden ihren ganz persönlichen Weg, sich bei der Arbeit stets an ihren Kollegen zu erinnern und kündigten in der Todesanzeige an: „In dankbarer Erinnerung werden wir seine Drehbank bei uns in Zukunft Gerhard nennen.“
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