Unternehmerin Tijen Onaran „Der schlechteste Karrieretipp, den ich je bekommen habe? Bleib so wie du bist!“

„Flexibel sein, bedeutet manchmal auch zu springen“, sagt die Unternehmerin.
Düsseldorf Nicht nur im Karrierenetzwerk LinkedIn, auch in der deutschen Wirtschaft gilt Tijen Onaran als starke Stimme für Diversität und Inklusion. Im beschaulichen Karlsruhe in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, hat die Unternehmerin mit ihren 36 Jahren eine beachtliche Vita vorzuweisen.
Als Gründerin und CEO des Beratungsunternehmens Global Digital Women (GDW) hat Onaran mehr als 30.000 Frauen aus rund 20 Ländern untereinander und mit Teilen der deutschen Wirtschaft vernetzt. Seit Kurzem will Onaran zudem mehr Frauen in die Venture-Capital-Szene bringen.
Schon mit 20 kandidierte sie für die FDP und war später unter anderem für den Verband der Automobilindustrie und das Bundespräsidialamt tätig. „Ich versuche, unideologisch durch die Welt zu gehen“, sagt Onaran im Gespräch mit dem Handelsblatt – und kann sich noch ganz genau an einen ziemlich schlechten Karrieretipp erinnern:
„Der Tipp kam von einem ehemaligen Chef – und war sicherlich gut gemeint. Es ging darum, dass ich in der Organisation mehr machen wollte und vorhatte, mich auf einen Job in einer anderen Abteilung zu bewerben. Mein Chef sagte daraufhin den entscheidenden Satz: 'Bleib so wie du bist.' Das ist ein ganz furchtbarer Tipp, wie ich finde. Denn: Ich möchte nicht bleiben wie ich bin, ich möchte mich weiterentwickeln – immer. Damals habe ich das aber noch nicht gesehen.“
Gerade der Forderung vieler Unternehmen nach lebenslangem Lernen widerspreche der Spruch „Bleib so wie du bist“, sagt Onaran. Ihr Chef sei damals „ein Stück weit ein Bremser“ gewesen, wie sie erst rückblickend feststellen musste.
„Aus heutiger Perspektive denke ich: Warum habe ich darauf gehört? Aber es war einer meiner ersten Jobs. Ich war eher dankbar, dass sich jemand meiner annimmt und mir einen Tipp gibt.“ Daher habe sie dann die Idee zum internen Wechsel verworfen und blieb, wo sie war.
Heute sagt Onaran, der eigentliche Karrieretipp sei, immer für Veränderung bereit zu sein. Gerade in Krisenzeiten wie aktuell müsse man Flexibilität zeigen, um Karrierechancen auch wirklich zu nutzen. „Das bedeutet manchmal auch zu springen“ – oder eben die Abteilung zu wechseln.
So testen Personaler die Anpassungsfähigkeit von Bewerbern
Auch in Vorstellungsgesprächen wird regelmäßig die Anpassungsfähigkeit von Kandidatinnen und Kandidaten auf die Probe gestellt. „Personalchefs prüfen Kandidaten immer häufiger auf diese Eigenschaft“, bestätigt Emine Yilmaz von der Personalvermittlung Robert Half.
Kandidaten können einerseits über konkrete Beispiele aus dem Job beweisen, wie flexibel sie sind. Wenn beispielsweise jemand häufig für sein Unternehmen auf Dienstreise ist und immer wieder mit neuen Kunden oder Geschäftspartnern zu tun hat, spricht das für eine gewisse Anpassungsfähigkeit. Auch kann ein Hinweis auf gelegentliche Überstunden ein Beweis für eine erhöhte Flexibilität sein.
Manche Unternehmen prüfen Anpassungsfähigkeit im Vorstellungsgespräch aber auch mit Fangfragen oder sogenannten Brainteasern. Bei solchen Knobelfragen gibt es in der Regel kein „richtig“ oder „falsch“ – es geht vornehmlich darum, die Stressresistenz eines Bewerbers zu prüfen.
Mehr: Vom Arbeiterkind zur Unternehmerin – warum wir uns stärker mit sozialer Herkunft beschäftigen müssen
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.