Vergütungsstudie Weniger Boni für Frauen: Auch bei der variablen Vergütung klafft eine Gehaltslücke

Mitarbeiterinnen deutscher Unternehmen werden beim Grundgehalt benachteiligt, aber auch bei Bonuszahlungen.
Düsseldorf Frauen verdienen in Deutschland für die gleiche Arbeit immer noch weniger als Männer – die geschlechterbedingte Benachteiligung in Sachen Bezahlung zeigt sich aber nicht nur beim Grundgehalt. Vielmehr werden Frauen offenbar auch schlechtergestellt, wenn es um jährliche Bonuszahlungen geht.
Das zumindest lässt jetzt eine Gehaltsdatenanalyse bei mehr als 750 Unternehmen in Deutschland mit rund 370.000 Beschäftigten durch die Mercer-Vergütungsberatung vermuten, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.
Demzufolge besteht sowohl bei den vereinbarten Zielgehältern – bestehend aus Grundgehalt plus in Aussicht gestelltem Zielbonus – eine Benachteiligung von Frauen als auch beim Betrag inklusive Tantieme, der schließlich vom Chef ausgezahlt wird.
Konkret fallen die vereinbarten Zielgehälter von Frauen über alle Branchen betrachtet um 12,6 Prozent niedriger aus als bei Männern. Die tatsächlich ausbezahlten Gehälter an weibliche Angestellte inklusive des variablen Anteils sind sogar um 13,6 Prozent niedriger als die der männlichen Mitarbeiter.
Selbst wenn man diese Daten bereinigt, liegen Frauen immer noch vier Prozent unter dem entsprechenden Zielgehalt für Männer bei gleicher Arbeit. Und betrachtet man die tatsächlich ausbezahlten Gehälter samt Boni, steigt der Unterschied leicht auf 6,2 Prozent zum Nachteil des weiblichen Personals.
Effektive Gehaltsauszahlung wird am Ende des Geschäftsjahres angepasst
Bei diesen bereinigten Zahlen ist berücksichtigt, dass zum Beispiel insgesamt weniger Frauen als Männer in Bereichen wie dem Vertrieb tätig sind, wo die variable Bonuszahlung besonders häufig einen sehr großen Teil vom Jahresgehalt ausmacht. Je nach Branche und Position können zwischen zehn und fünfzig Prozent des Einkommens von der Erreichung der vereinbarten Umsatzziele abhängig sein.
Die effektive Gehaltsauszahlung wird dann, je nach Leistung und Erfüllungsgrad der vereinbarten Ziele, am Ende des Geschäftsjahres angepasst. Nur etwa ein Drittel der im Vertrieb Tätigen sind weiblich. Frauen arbeiten dagegen eher in Bereichen wie dem Personalwesen oder dem Kundendienst, in dem es selbst auf Leitungsebenen um weniger hohe Boni geht.
Thomas Gruhle, Vergütungsexperte bei Mercer, sagt: „Insgesamt zeigen die Zahlen, dass ein geschlechtsspezifischer Unterschied bereits bei den geplanten Boni existiert, welcher bei der tatsächlichen Auszahlung dann noch größer wird.“ Dies läge oftmals daran, dass Unterschiede, die bereits beim Grundgehalt bestehen, sich bei der variablen Vergütung fortsetzen, wenn diese am Grundgehalt ausgerichtet ist. „Der ansteigende Gap unter Berücksichtigung der tatsächlichen Auszahlung deutet in der Tat auf eine bessere Beurteilung für Männer hin.“
Bei Unternehmen ohne Vergütungsregeln könnte Boni-Lücke noch größer sein
6,2 Prozent weniger im Portemonnaie – was sich im ersten Moment vergleichsweise geringfügig anhört, kann im Einzelfall zu deutlich niedrigeren Kontoständen führen, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: Bei einer Jahresvergütung inklusive Boni von jährlich 100.000 Euro hat eine Vertriebsmanagerin in zehn Jahren rund 62.000 Euro weniger auf der Bank als ihr männlicher Kollege.
Dazu kommt noch: Die analysierten Daten stammen von Unternehmen, die in irgendeiner Form bereits Vergütungsregeln anwenden, ihren Angestellten also keine völlige Verhandlungsfreiheit in Sachen Gehälter und Tantiemen zugestehen. Gruhle schließt daraus: „Bei kleineren Unternehmen, aber auch großen Organisationen, die keine Systematik anwenden, dürfte die Boni-Lücke noch größer sein.“
Das kann Henrike von Platen nur bestätigen: „Zu beobachten ist, dass sich Lohnlücken weniger im Tarifgehaltsbereich zeigen, wo es klare Regeln zur Eingruppierung in Gehaltsklassen gibt, sondern dort, wo Führungs- und Fachkräfte ihre Vergütung frei vereinbaren.“ Die Gründerin des Instituts Fair Pay setzt sich seit Jahren für transparente und faire Bezahlung ein.
Dem deutschen Entgelttransparenzgesetz mangele es an Schärfe, so die Expertin, die reine Empfehlung von Gehaltsanalysen und das Recht der Mitarbeitenden, das Durchschnittsgehalt der Angestellten des jeweils anderen Geschlechts zu erfahren, hätten wenig bewirkt. Insofern begrüßt von Platen die neue EU-Richtlinie, die für mehr Transparenz sorgen und die Beweislast umkehren wird sowie spürbare finanzielle Folgen für Unternehmen vorsieht, die nicht fair bezahlen.
Vergütungsspezialist Gruhle wiederum rät Arbeitgebern, die eine Benachteiligung bei der Bezahlung beenden wollen: „Der Ursache auf den Grund gehen und zum Beispiel Boni-Zahlungen nach Rang und Geschlecht auswerten. Zeigt sich eine höhere Boni-Ausschüttung bei den männlichen Kollegen, könnte eine Erklärung dafür sein, dass die Beurteilung, wie gut die vorgegebenen Ziele erreicht wurden, vielleicht unbewusst durch Vorgesetzte zu Ungunsten von Frauen ausfällt.“
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