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Volkswirtschaftslehre Weitblick inbegriffen

Der zweite Teil der Serie VWL-Studium: Wo Ökonomie mit Politik oder Philosophie kombiniert wird.
22.05.2016 - 20:00 Uhr Kommentieren
Mehr als nur „Homo Oeconomicus“. (Foto: Presse)
Studenten der Uni Bayreuth

Mehr als nur „Homo Oeconomicus“.

(Foto: Presse)

Frankfurt Viele junge Menschen interessieren sich für wirtschaftliche Fragestellungen, sind aber verunsichert von der Diskussion über die vermeintliche Mathematiklastigkeit, Realitätsferne und Einseitigkeit, mit der Ökonomie vielerorts gelehrt werden. So beginnt etwa das meistverkaufte Einführungslehrbuch von Greg Mankiw und Mark Taylor mit „Zehn volkswirtschaftlichen Regeln“, die das Zusammenwirken der menschlichen Atome wie in einem physikalischen Modell beschreiben. Grundlage ist der „Homo Oeconomicus“, der gänzlich unabhängig von seinen Mitmenschen denkt und fühlt.

Dass das einmal anders war, ist an Überresten wie dem Titel „Dr. rer. pol.“ erkennbar, den Volkswirte mit einer erfolgreichen Doktorarbeit erwerben. „Politische Ökonomie“ war bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts die übliche Bezeichnung für das, was heute Volkswirtschaftslehre (VWL) heißt. Adam Smith, der als Urvater der Mainstream-Ökonomik gilt, war Moralphilosoph und beschäftigte sich wie andere klassische Ökonomen intensiv mit gesellschaftlichen Fragen.

Wer sich mehr für Politische Ökonomie (PE, PPE) interessiert als für Modelle von „rationalen Agenten“, für den bieten immer mehr Universitäten und Hochschulen multidisziplinäre Studiengänge an. Dort wird im VWL-Teil oft das Gleiche gelehrt wie in traditionellen Studiengängen, aber daneben wird, je nach Studiengang, auch Politikwissenschaft, Philosophie, Soziologie, Recht oder gleich eine Kombination davon unterrichtet. Weil die zwei oder mehr Fächer meist von unterschiedlichen Fakultäten gelehrt werden, gibt es mancherorts spezielle Verzahnungskurse. An der privaten Hochschule Witten/Herdecke etwa, die Politik, Philosophie und Ökonomie kombiniert, wird im Herbst die Ukraine-Krise aus politischer, philosophischer und ökonomischer Sicht beleuchtet, mit Lehrkräften aus allen drei Fächern.

Vielfältig einsetzbar im späteren Berufsleben

Die Uni Bayreuth ist mit bereits über 600 Absolventen des 2001 eingeführten Studiengangs Philosophie & Ökonomie Pionier in Deutschland für diesen im angelsächsischen Raum stärker verbreiteten Studiengang. Wie eigentlich überall bei diesen Angeboten übersteigt die Nachfrage das Angebot von 130 Studienplätzen beträchtlich, so dass die Anbieter die besten und engagiertesten Bewerber auswählen können. In Bayreuth lernt man, laut der Kursbeschreibung, „die großen Fragen der Gesellschaft und der Globalisierung“ zu untersuchen. Der Philosophie-Teil setzt wie meist bei den angelsächsisch inspirierten Philosophy-and-Economics-Programmen auf die ebenfalls angelsächsisch inspirierte analytische Philosophie, die stärker als die Kontinentalphilosophie Entscheidungsprozesse und deren Grundlagen betont. Damit weist sie eine große Nähe und Überschneidungen zur Mikroökonomie auf, die individuelle Entscheidungsprozesse in wirtschaftlichen Zusammenhängen untersucht.

Zu den älteren Angeboten zählen neben Bayreuth der Bachelor-Studiengang Politik und Wirtschaft in Münster und der Bachelor Sozialökonomie in Hamburg, mit dem passenden Master-Programm Arbeit, Wirtschaft, Gesellschaft. Die Namenswahl der Hamburger lässt Anklänge an Max Weber erkennen, der seinen Forschungsgegenstand gern Sozialökonomik nannte. Der Bachelor-Studiengang bietet eine gleichrangige Grundausbildung in BWL, VWL, Soziologie sowie Wirtschafts- und Arbeitsrecht an und ist mit rund 300 Studienplätzen, auch für Studierende ohne Abitur, eines der größten multidisziplinären Angebote. Nach dem ersten Studienjahr wählen die Studierenden eine der vier Fachdisziplinen als Schwerpunkt. Der Master-Studiengang kombiniert Soziologie und VWL. Schwerpunkt ist die „sozialökonomische Analyse des Strukturwandels von Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft“. Das soll fit machen für eine Vielzahl von beruflichen Einsatzgebieten, von strategischer Unternehmensberatung, über Stiftungen bis hin zu betrieblicher und außerbetrieblicher Weiterbildung.

Starke Nachfrage nach Kombi-Studiengängen

Auch die Universität Erfurt ist mit „Staatswissenschaften“ seit langem auf dem mehrdisziplinären Markt vertreten. Hier lernt man die Grundlagen des Rechts, der Wirtschaftswissenschaften und von Politik und Soziologie, um sich dann auf eines dieser drei Fächer als Hauptfach und ein zweites als Nebenfach zu spezialisieren. Auch die Kombination von Wirtschaftswissenschaften und Philosophie ist möglich.

„Die realen Probleme des 21. Jahrhunderts scheren sich nicht um die Grenzen zwischen den akademischen Disziplinen“, lautet die Begründung der privaten Hochschule Witten/Herdecke dafür, dass sie ebenfalls einen deutschsprachigen Bachelor und einen englischsprachigen Master in Philosophie, Politik und Ökonomie aus der Taufe gehoben hat. Gleichzeitig sei jedoch die Wissenschaft heute so fragmentiert wie nie zuvor. Angesichts der starken Nachfrage denken dem Vernehmen nach weitere Universitäten darüber nach, ähnliche Kombi-Studiengänge anzubieten.

Die Frage nach den Arbeitsmarktaussichten der Absolventen dieser bunten Studiengänge bringt keinen der Verantwortlichen in die Defensive. Dabei ist keineswegs selbstverständlich, dass es unter diesem Aspekt eine gute Idee ist, VWL mit anderen Sozialwissenschaften zu kombinieren. Schließlich haben die Ökonomen im Durchschnitt weit bessere Jobchancen und Durchschnittsgehälter als etwa Politikwissenschaftler. „Ich bin sicher, dass diese jungen Leute ihren Weg machen werden“, sagt Programmdirektor Joachim Zweynert von Witten/Herdecke, weshalb er auch keinen Zweifel hat, dass „Study now, pay later“ für den PPE Studiengang aus Sicht der Hochschule funktioniert. In diesem Modell zahlen die Studierenden statt einer Studiengebühr später einen vorher festgelegten Prozentsatz ihres Bruttogehalts.

Das konzeptionelle Denken stärken

Sollte es Gehaltsnachteile gegenüber Ökonomen geben, was er in Anbetracht der Auswahl an extrem engagierten jungen Leuten, die diese Fächerkombination studieren wollten und dürften, für fraglich hält, dann würde es aus seiner Sicht auch die Motivlage der Studierenden abbilden. „Sie sind auf Verstehen aus und wollen etwas bewegen, nicht in erster Linie ein hohes Gehalt“, beschreibt er den Antrieb seiner Studenten. „Wer Investmentbanker werden will, dem würde ich auch nicht zu diesem Studiengang raten“, sagt Dirk Sauerland, der in Witten für den Bachelor-Studiengang zuständig ist. Bernhard Herz, der den Bachelor Philosophie und Ökonomie in Bayreuth mit aus der Taufe gehoben hat, sieht das genauso. Und Arne Heise vom Fachbereich Sozialökonomie in Hamburg betont, Arbeitgeber wüssten die zweckmäßige Kombination aus ökonomischen, juristischen und anderen sozialwissenschaftlichen Fachkenntnissen und das in der Ausbildung betonte konzeptionelle Denken zu schätzen. Ohnehin steht den Absolventen, wie Dirk Sauerland betont, der kombinierten Bachelor-Studiengänge noch der Weg offen, über einen wirtschaftswissenschaftlichen Master-Studiengang den Arbeitsmarkt als Ökonom in Reinform zu betreten.

Beim Übergang in inländische Master-Studiengänge für VWL klemmt es bei einigen dieser kombinierten Bachelor-Studiengänge allerdings manchmal ein bisschen, weil nicht immer genug VWL-Kernfächer und Methodenkurse abgelegt wurden. In Witten hat man im Zuge der Reakkreditierung des Bachelor-Studiengangs diesen gleich so gestaltet, dass die üblicherweise für den Zugang zum VWL-Master geforderte Kurszahl bestimmter Fächer erbracht wird. Andernorts sei das aber auch eine relativ leicht zu nehmende Hürde, betont etwa Bernhard Herz. Wer vorher weiß, wohin er möchte, belege einfach noch einen Kurs dazu oder aber er müsse fehlende Kurse im Laufe des Master-Studiums nachholen. In England oder den USA, wo die PE- und PPE-Kombination zu den Standards gehört, gehe es ohnehin lockerer zu. Die Bachelor-Absolventen hätten kein Problem, auch an renommierten internationalen Master-Studiengängen in Ökonomie akzeptiert zu werden, berichtet Herz aus Bayreuth.

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