Wenn der Job zur Hölle wird Fünf Tipps gegen Frust am Arbeitsplatz

Mancher Chef besitzt wenig Fingerspitzengefühl im Umgang mit Kollegen.
Düsseldorf Rücksichtslose, machtbesessene Chefs sind der Stoff, aus dem viele Geschichten sind: der von blindem Hass getriebene Schiffsführer Ahab in „Moby Dick“, Kapitän Bligh, gegen den die Mannschaft der „Bounty“ meutert, oder auch Stromberg, der Antiheld aus der gleichnamigen Fernsehserie.
Früher Piratenchefs oder Kapitäne, heute vielleicht eher Chefs wie Stromberg, der seine Qualitäten als Führungspersönlichkeit maßlos überschätzt und als ewig nörgelnder, launischer Narzissten-Boss stets unzufrieden ist – nicht jeder Vorgesetzte füllt seine berufliche Rolle mit Bravour aus. Zu den häufigsten Fehlern zählen Mikromanagement, Mobbing, Entscheidungsschwäche, sich mit fremden Federn schmücken und nicht zuhören wollen. Da kann selbst der friedliebendste und geduldigste Angestellte die Lust und auch die Nerven verlieren.
Wie prekär das Verhältnis zwischen Angestellten und Chefs in vielen Unternehmen ist, zeigt die Forschung: Nur 16 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland sind mit Herz und Verstand bei der Arbeit. Das belegt der aktuelle „Engagement-Index“ des Beratungs- und Marktforschungsunternehmens Gallup. Die große Mehrheit macht lediglich Dienst nach Vorschrift, 16 Prozent sind emotional ungebunden und haben innerlich bereits gekündigt. Die durch mangelnde emotionale Bindung zum Unternehmen entstandenen Kosten belaufen sich laut Studie auf jährliche Produktivitätseinbußen zwischen 76 und 99 Milliarden Euro.

Psychologe Manfred Kets de Vries.
Doch alle Klagen vonseiten der Mitarbeiter ändern nichts an der goldenen Regel: Unabhängig von der Qualität des jeweiligen Chefs gilt für Mitarbeiter, dass ein gutes Verhältnis zum Vorgesetzten essenziell wichtig für die Karriere ist. Denn letztendlich entscheidet dieser über Beförderung, Gehalt oder Kündigung. Wie der gute Draht nach oben gelingen kann, weiß Jörg Kasten, Chairman der Boyden World Corporation, eines der führenden Personalberatungsunternehmen. Seine Empfehlung lautet: professionelle Distanz wahren. „Wenn Emotionen hochkochen, ist das immer schädlich. Konflikte sollten deshalb nicht auf einer persönlichen Ebene ausgefochten werden“, sagt er. Und natürlich der Tipp für jede gute Kommunikation: „Ich-Botschaften“ senden. Das sei allemal besser, als mit Vorwürfen das Feuer zu eröffnen. Anschuldigungen wie „Du hast …“ oder „Du machst immer …“ seien keine gute Idee.
Und was, wenn der Konflikt trotz aller guten Ratschläge eskaliert? Der Niederländer Manfred Kets de Vries ist einer der weltweit profiliertesten Führungsexperten. Der Psychologe ist Professor an der Business School Insead im französischen Fontainebleau und brachte die Psychoanalyse in die Welt des Managements. Er hat Lösungsempfehlungen für frustrierte Arbeitnehmer entwickelt. Es liegt nämlich weitgehend in unserer Macht, die Situation zu verbessern.
1. Empathie zeigen
Zunächst ist es wichtig, Verständnis für die Situation der Vorgesetzten aufzubringen. Schließlich sind auch die übelsten Chefs nur selten wirklich schlechte Menschen. Meistens sind es gute Menschen, die von Druck und Zielvorgaben zum Negativen verändert werden. Daher ist es wichtig, zu verstehen, warum sie sich so verhalten. „Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Empathie selbst in schwierigsten Situationen hilfreich ist“, sagt Kets de Vries. Sie wirke nämlich in beide Richtungen. „Wer sich in den Chef hineinversetzt, hat gute Chancen, dass er oder sie auch mit ihm emphatisch ist. Davon profitieren beide Seiten.“
Der Psychologe zitiert als Beispiel den Fall eines Vertriebsmitarbeiters bei einer großen US-Firma. Er sei frustriert gewesen von der Unfähigkeit seiner Chefin, ihm Aufmerksamkeit und Anerkennung zuzugestehen. Kollegen schlugen ihm vor, sich in ihre Lage zu versetzen. Er wusste, dass der Vorgesetzte seiner Chefin ein echter Anpeitscher war, der ihr kaum zu erreichende Ziele setzte. Von da an konnte der unzufriedene Mann erkennen, dass seine Chefin ihn nicht aktiv ignorierte, sondern ihr schlicht die Zeit fehlte, ihm mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Es kann demnach helfen, die Empathie im richtigen Moment einzusetzen, wenn das Gegenüber dafür empfänglich ist. Dazu eigne sich etwa ein Betriebsausflug oder ein gemeinsames Essen. In diesem Fall sei die Chefin froh und erleichtert gewesen, endlich ihre Frustration und Anspannung mitteilen zu können. „Das Gespräch markierte einen Wendepunkt in der Beziehung der beiden“, so der Psychologe.
2. Selbstreflexion üben
Auch wenn der Chef noch so unfair scheint: Es lohnt immer der Blick auf sich selbst. Laut Kets de Vries sind unzufriedene Mitarbeiter fast immer Teil des Problems. „Sie stehen sich mit ihrem Verhalten selbst im Weg, auch wenn das niemand gern hört.“ Selbsterkenntnis ist auch bei Problemen im Job häufig ein wichtiger Schritt in Richtung Besserung. Dazu sollte man sich so objektiv wie möglich die Kritik des Chefs in Erinnerung rufen. Was sind die Punkte, die den Boss besonders stören, wo kann man sich verbessern? Ist es die Arbeitsleistung, oder sind es persönliche Differenzen, die Reibung erzeugen?
Aus Gesprächen mit Klienten erfahre er häufig, dass sie in Vorgesetzten Figuren aus der persönlichen Vergangenheit wiedererkennen, mit denen sie ungelöste Konflikte haben, sagt der Führungsexperte. Das beeinflusse dann die Beziehung, obwohl eigentlich kein Problem zugrunde liege.
Eine Klientin habe ihm berichtet, dass ihr Chef sie an einen Grundschullehrer erinnere, der sie gemobbt habe. Der Lehrer und der Chef ähnelten sich vom Erscheinungsbild und beide einte ein herrisches Auftreten. „Wenn man sich über diese Projektionen klar wird, fällt es leichter, die alten Probleme von der neuen Situation zu trennen“, erklärt Kets de Vries. Die Klientin habe es nach einigen Gesprächen geschafft, den Chef in einem anderen Licht zu sehen.
Dazu kann es hilfreich sein, den Rat von Kollegen einzuholen, die mit dem Vorgesetzten gut zusammenarbeiten. Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Es empfiehlt sich, nicht von der ungerechten Behandlung zu sprechen, sondern danach zu fragen, warum es bei dem Kollegen besser funktioniert.
3. Probleme ansprechen
Wer zu der Erkenntnis gelangt, dass er selber nicht an der Situation schuld sei und damit auch keine Möglichkeit zur Verbesserung habe, sollte das klar benennen und erklären, dass man den Konflikt gerne aus der Welt schaffen würde. Dabei gibt es gleich mehrere Varianten, ein solches Gespräch zu starten. „Wenn Sie die Gelegenheit dazu haben, können Sie den Wunsch am Rande einer Diskussion anbringen“, sagt der Führungsexperte. So habe eine leitende Angestellte, die er einmal beriet, ihm von einem gemeinsamen Kundentermin mit ihrem Chef erzählt. Der Kunde habe es ihnen schwergemacht, woraufhin die Frau mit ihrem Chef in ein Gespräch über die Ursachen dafür gegangen sei. „Das hat ihr die Gelegenheit gegeben, ihrer Frustration über sein Verhalten Luft zu machen“, sagt Kets de Vries. Die beiden hätten ihr Verhältnis in der Folge deutlich verbessern können.
Falls sich eine solche Gelegenheit nicht von allein ergibt, kann man aber auch initiativ werden und das Gespräch suchen. Dafür empfiehlt sich ein privater Rahmen, in dem man ungestört ist und keiner einfach das Gespräch verlassen kann. „Laden Sie Ihren Chef doch zum Essen ein, am besten in ein Restaurant, wo sie keine Kollegen treffen“, sagt der Psychologe. Es sei auch hilfreich, dem Vorgesetzten vorher klarzumachen, dass es um ein schwieriges Thema gehe, das nicht vermieden werden könne. „Mauert dann der Chef und schmettert das Anliegen ab, ist das ein Hinweis darauf, dass man selber nicht das Problem ist.“
4. Meuterei anzetteln
Versagt die Kommunikation, könnte es an der Zeit sein, schwerere Geschütze aufzufahren. Falls es Kollegen ähnlich geht und der Chef bei weiten Teilen seiner Mitarbeiter unbeliebt ist, sollte man die Personalabteilung einschalten und die Chefs des Chefs alarmieren. „Wer diesen Schritt wagt, sollte stichhaltige Punkte vorbringen können, warum der Vorgesetzte eine Belastung für das Unternehmen ist“, warnt Kets de Vries. Ebenso sollte man eine glaubwürdige Drohung mit juristischen Folgen aufbauen können.
Beispiele für eine Meuterei gebe es viele, sagt der Psychologe – so auch auf der höchsten Ebene der deutschen Industrie. Ferdinand Piëch, damaliger VW-Aufsichtsratschef, wollte den Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn aus dem Konzern drängen. Das Schicksal des Topmanagers schien besiegelt – doch Winterkorn setzte sich erfolgreich zur Wehr: In einem eilig einberufenen Treffen des Aufsichtsrats stellten sich fünf von sechs Präsidiumsmitgliedern gegen Porsche-Enkel Piëch . Winterkorn entschied den Machtkampf für sich.
Damit eine Meuterei Aussicht auf Erfolg hat, rät Kets de Vries, dass Zeugen in einer konzertierten Aktion bestätigen, wie der Problem-Vorgesetzte Unternehmensleitlinien verletzt und das Geschäft schädigt. „Je mehr Angestellte ähnliche Beschwerden vorbringen, desto schwerer wird es für die Führungsebene, das Anliegen zu ignorieren.“ Denn: Eine Meuterei kommt nur als letzter Ausweg infrage. Fehlen überzeugende Argumente und Beweise, wird es schwerfallen, die oberste Führungsriege auf die eigene Seite zu ziehen. Gelingt das nicht, ist die Kündigung wohl nur noch Formsache. Und wer derart verbrannte Erde hinterlässt, kann sich damit auch für künftige Jobs Probleme einhandeln. Personalchefs haben schließlich kein Interesse daran, sich Meuterer in ihr Unternehmen zu holen.
5. Auf Zeit spielen und gehen
Sind alle Joker gezogen, alle Möglichkeiten ausgelotet, hat keine der beschriebenen Strategien gefruchtet, bestehen kaum noch Möglichkeiten, das Verhältnis zum Vorgesetzten zu verbessern. In diesem Fall ist es schlicht und einfach empfehlenswert, Dienst nach Vorschrift zu verrichten, keine Angriffspunkte zu bieten und dem Chef aus dem Weg zu gehen. Natürlich besteht noch die Hoffnung, dass das Problem sich von alleine löst, indem der Vorgesetzte die Position wechselt oder das Unternehmen verlässt.
Ein Spiel auf Zeit sollte man aber nicht zu lange aussitzen. Wer sich langfristig Stress und seelischer Belastung aussetzt, läuft Gefahr, depressiv zu werden und die Perspektive zu verlieren. Es ist dann ratsam, die berufliche Zukunft neu zu planen.
So lautet die beste Lösung, nach Jobangeboten Ausschau zu halten und in den Bewerbungsprozess einzusteigen, solange man noch angestellt ist. „Peppen Sie Ihren Lebenslauf auf, kontaktieren Sie gegebenenfalls einen Headhunter, und starten Sie mit Bewerbungsgesprächen“, rät Kets de Vries. Für einen schlechten Chef sei man zwar nicht verantwortlich – dafür, bei ihm zu bleiben, aber schon. Wer langfristig keinen Spaß an seiner Arbeit hat, ist selbst schuld.
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