New Work als Wirtschaftskritik: Das Ende des Kapitalismus?
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New Work als WirtschaftskritikDas Ende des Kapitalismus?
Erst auf der gesellschaftlich-politischen Ebene entfaltet sich das revolutionäre Potenzial von New Work, findet Autor Markus Väth. Wie wollen wir als Gesellschaft leben und wie sieht eine gerechte Arbeitswelt aus?
Markus Väth
28.08.2016 - 08:50 Uhr
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Arbeit - Die schönste Nebensache der Welt
„Zeit, Arbeit neu zu denken. Zeit für New Work!“, fordert Markus Väth in seinem neuen Buch.
NürnbergArbeit 4.0, New Work, Zukunft der Arbeit – wie man es auch nennt: Unsere Arbeitswelt befindet sich derzeit in einem radikalen Umbruch. Markus Väth hat dazu ein provokantes Debattenbuch verfasst, das gerade im GABAL Verlag erschienen ist. Der Verfechter einer neuen Arbeitskultur klärt auf, wie der Megatrend „New Work“ unsere Arbeitsrealität revolutioniert, wie die „Spielregeln“ dieser neuen Arbeitswelt aussehen und wie wir sie gemeinsam zu einer besseren machen können. Ein exklusiver Auszug aus dem Buch.
New Work widmet sich drängenden Fragen der modernen Arbeitsgesellschaft. Diese erschöpfen sich nicht in der Gestaltung von Arbeitsbedingungen, auch wenn ein solcher Ansatz in der New-Work- Diskussion prominent vertreten ist. Natürlich spielen Dinge wie die Flexibilisierung der Arbeitszeit oder gesunde Arbeitsbedingungen eine große Rolle. Doch diese spielen sich eher auf der Ebene der Wirtschaft und der einzelnen Organisationen ab. Genauso könnte man sagen, New Work handle von der Selbstverwirklichung des Einzelnen und der Nutzung und Vervollkommnung seiner natürlichen Talente. Auch das ist wahr, doch betrifft dies im Kern vor allem die persönliche Ebene, den einzelnen Menschen. Geht man konzentrisch von innen nach außen, haben wir als Kreisinneres den Menschen mit seiner individuellen Persönlichkeit, seinen Wünschen und Fähigkeiten. Zieht man einen zweiten Kreis darum, befindet man sich in der größeren Ebene der Organisation.
Der Autor
Markus Väth ist Psychologe, Publizist und Inhaber einer Beratungsfirma in Nürnberg. Er gilt als renommierter Burnout-Experte und als Verfechter einer neuen Arbeitskultur.
(Foto: Gabal Verlag)
Und zieht man darum wiederum einen Kreis, befindet man sich in der Ebene der Gesellschaft. Die aktuelle Diskussion läuft Gefahr, sich zu sehr auf den mittleren Kreis, die Gestaltung der Organisation, zu konzentrieren. Doch wir müssen genauso auf den einzelnen Menschen nach innen wie auch auf die größere Ebene der Gesellschaft und Politik schauen, also nach außen. Auf dieser gesellschaftlich-politischen Ebene entfaltet sich erst das revolutionäre Potenzial von New Work. Auch darüber sollten wir diskutieren, da es über einzelne Biografien und Organisationsentwicklung hinausgeht.
Was tun gegen die E-Mail-Flut?
E-Mails lenken von der Arbeit ab. Daher ist es ratsam, sich feste Zeiten für die Bearbeitung der elektronischen Post einzurichten und die Benachrichtigungen in der Zwischenzeit auszuschalten. Zumindest wenn es der Job erlaubt.
Erst überfliegen, später antworten: Viele Nutzer bearbeiten E-Mails mindestens zwei Mal. Das ist jedoch eine Zeitverschwendung. Sinnvoll ist, sofort zu entscheiden, was zu tun ist.
Je prägnanter, desto besser: Eindeutige Absprachen helfen, die Zahl der E-Mails einzudämmen. Daher sollte man seine Erwartungen klarmachen – das kann auch mit Formeln wie „Zur Information“ oder „Aktivität nötig“ tun.
Mit einigen Kollegen steht man täglich im Austausch – mit ihnen kann man sich auf eine sehr knappe Sprache verständigen. In einigen Fällen reicht die Betreffzeile aus, so dass man nicht jede Mail öffnen muss. Bestimmte Abkürzungen helfen: EOM (End of message) oder EDN (Ende der Nachricht) etwa signalisiert, dass alles gesagt ist.
Es kann zwar sinnvoll sein, E-Mails an Kollegen oder den Chef in Kopie weiterzuleiten, diese Funktion wird aber oft genutzt, um Verantwortung zu teilen oder weiterzugeben. Insofern ist es sinnvoll, sich über die Nutzung des CC-Feldes zu verständigen. Wer muss was wissen? Im besten Fall kann man alle CC-Mails in einen separaten Ordner laufen lassen und separat bearbeiten.
Je mehr Ordner, desto unübersichtlicher wird es. Experten raten daher von einer komplexen Struktur mit dutzenden Fächern ab – die Suchfunktion fördert auch so wichtige Informationen wieder zu Tage.
Wie genau ist das gemeint? In E-Mails gehen Zwischentöne oft verloren. Deswegen eignet sich das Medium nicht für Diskussionen. Im Zweifelsfall greift man besser zum Hörer (oder geht direkt zum Kollegen).
Die Frage der gesellschaftlichen Ebene lautet schlicht: Wie wollen wir als Gesellschaft leben und arbeiten? Welche Zukunft hat das traditionelle Lohnarbeitssystem in seiner jetzigen Form? Wie stellen wir uns eine gerechte Arbeitswelt vor? Müssen wir uns der Entkopplung von Arbeitsleistung und Produktivität ganz neu stellen? Auf diese Fragen gibt es noch keine Antworten, kann es noch keine geben. Doch New Work zu denken, ohne diese Fragen zu diskutieren, ist, als ob man ein Auto mit nur zwei Rädern baut. Es ist unsinnig, vergeudet Zeit und Kraft und stiftet keinen Nutzen.
Daher sollten wir die zwei großen, ursprünglichen Forderungen des New Work genauer betrachten und für unsere Gesellschaft diskutieren: den Rückbau der Lohnarbeit und die Entkopplung von Arbeit und Produktivität. Frithjof Bergmann (Anm.: Philosoph und Begründer der New-Work-Bewegung)forderte bereits in den 1980er-Jahren, das Wesen der Arbeit müsse sich grundlegend verändern, müsse als New Work die Gesellschaft umgestalten. Das System der Lohnarbeit solle drastisch zurückgefahren werden. Möglich würde dies durch eine umfassende Automatisierung im lokalen Maßstab („Hightech-Selbstversorgung“). Ergänzend bliebe den Menschen Zeit für das Verfolgen einer persönlichen Lebensvision, ihrer Berufung (Calling).