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FinanzpolitikUnternehmen unterstützen – Konsumenten stärken

Die wirtschaftliche Gesundung Deutschlands hängt entscheidend auch von der Nachfrage ab. Wie der private Konsum wieder in Schwung kommt, erklärt Marcel Fratzscher. Ein Gastkommentar. 27.01.2025 - 03:57 Uhr Artikel anhören
Der blinde Fleck in der Debatte um die Wirtschaftspolitik ist die Nachfrageseite, schreibt Markus Fratzscher. Foto: dpa,imago

Alle reden davon, dass Unternehmen entlastet und finanziell unterstützt werden müssen, um eine wirtschaftliche Erholung zu ermöglichen. Die Parteien überbieten sich im Wahlkampf mit Versprechen von Steuersenkungen und Subventionen für Unternehmen. Diese sind zumeist nicht nur nicht finanzierbar. Eine ausschließlich angebotsorientierte Wirtschaftspolitik ist unzureichend, um der deutschen Wirtschaft die dringend benötigten Impulse zu geben.

Der blinde Fleck in der Debatte um die Wirtschaftspolitik ist die Nachfrageseite

Teile der Industrie sind in den letzten zehn Jahren bei wichtigen Transformationen und Innovationen ins Hintertreffen geraten und verlieren an Wettbewerbsfähigkeit. Die Wirtschaft ist in den vergangenen beiden Jahren geschrumpft, und auch 2025 könnte ein schlechtes Jahr werden. Im Bundestagswahlkampf wetteifern die Parteien mit Versprechen von Steuerentlastungen und Subventionen, vor allem für Industrieunternehmen. Diese Strategie wird jedoch scheitern, da die Schuldenbremse eine Umsetzung fast unmöglich macht.

Bundestagswahl

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Der blinde Fleck in der Debatte um die Wirtschaftspolitik ist die Nachfrageseite. Eine erfolgreiche Angebotspolitik ist ohne Nachfragepolitik nicht denkbar. Unternehmen werden nur dann ihre Investitionen erhöhen, wenn es ausreichend Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen gibt. Da die globale Nachfrage auf absehbare Zeit wohl schwach bleibt, wird die wirtschaftliche Gesundung Deutschlands entscheidend von der Nachfrage abhängen.

Der private Konsum ist bei Weitem der wichtigste Bestandteil der Binnennachfrage und trägt mit mehr als der Hälfte zur Wirtschaftsleistung bei. Die privaten Investitionen dagegen machen nur knapp 19 Prozent aus, Konsum und Investitionen des Staates etwa 25 Prozent.

Eine zu enge Fokussierung der Politik auf private Investitionen und Unternehmen wäre nicht gut

Fakt ist: Ohne eine deutliche Stärkung des privaten Konsums wird eine wirtschaftliche Erholung nicht gelingen. Die Politik muss sich daher von einer zu engen Fokussierung auf Unternehmen und private Investitionen verabschieden. Dies bedeutet nicht, dass die neue Bundesregierung Unternehmen nicht unterstützen sollte. Sie sollte jedoch zielgenau steuerliche Anreize für private Investitionen setzen und nicht Gelder per Gießkanne verteilen und bevorzugte Branchen durch riesige Subventionen alimentieren. Dies würde zumeist lediglich zu Mitnahmeeffekten und höheren Gewinnen führen. Eine kluge Angebotspolitik sollte Bürokratie abbauen, mehr Wettbewerb und bessere staatliche Rahmenbedingungen schaffen.

Besonders Menschen mit geringen und mittleren Einkommen haben zuletzt stark unter der hohen Inflation gelitten. Obwohl die Reallöhne für viele mittlerweile wieder steigen, konnte dies oftmals noch nicht die Verluste der Vorjahre kompensieren. Hinzu kommen stark steigende Wohnkosten in vielen Städten und Ungewissheit über die Arbeitsplätze. Die Wahlprogramme der Parteien zeigen, dass die Politik dieses Problem noch immer nicht erkannt hat. Die Union verspricht Entlastungen von 100 Milliarden Euro pro Jahr, mehr als die Hälfte davon für Unternehmen und effektiv für die oberen zehn Prozent der Spitzenverdiener – und nur ein kleiner Teil für Menschen in der Mitte der Gesellschaft und mit geringeren Einkommen.

Eine kluge Angebotspolitik sollte mit einer Nachfragepolitik der Entlastung derjenigen mit geringen und mittleren Einkommen verbunden sein.
Marcel Fratzscher

Man kann darüber streiten, wer die Leistungsträger unserer Gesellschaft sind, die entlastet werden sollen. Aus wirtschaftlicher Perspektive ist jedoch die Entlastung derjenigen mit den Spitzeneinkommen im besten Falle ineffektiv und im schlechtesten Falle kontraproduktiv. Denn ein Topverdiener mit einem Jahreseinkommen von 200.000 Euro wird den größten Teil der 15.000 oder 20.000 Euro an steuerlicher Entlastung nicht ausgeben, sondern sparen. Wenn für das gleiche Geld jedoch fünf Haushalte mit einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro entlastet werden, dann wäre der wirtschaftliche Impuls maximal, da diese Haushalte fast jeden Euro davon ausgeben werden.

Kurzfristig bedeutet ein zusätzlicher Konsum mehr Umsatz und Erträge für die Unternehmen. Langfristig ermöglicht es den Unternehmen, mehr zu investieren und produktiver zu werden. Dies wiederum führt zu steigenden Löhnen und Einkommen der Beschäftigten, die dadurch ihre Nachfrage stärken können. Es entsteht eine positive wirtschaftliche Dynamik, die in diesen schwierigen Zeiten dringend nötig ist.

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Der blinde Fleck im Diskurs ist es, eine kluge Angebotspolitik mit einer Nachfragepolitik der Entlastung derjenigen mit geringen und mittleren Einkommen zu verbinden. Kluge Konzepte wie geringere Abgaben und Steuern, bessere Löhne und Einkommen oder ein sozial gestaffeltes Klimageld gibt es. Die Frage ist, ob Politik und Parteien den Mut zur Ehrlichkeit und zu einem wirklichen Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik haben werden.

Der Autor:
Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung  (DIW).

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