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Gastbeitrag Das EU-China-Abkommen birgt Chancen – aber auch drei große Risiken

Wer bei der Einigung den Erfolg ergebnisorientierter deutscher Realpolitik im europäischen Wirtschaftsinteresse sieht, sollte auch die Kosten klar benennen.
31.12.2020 - 14:30 Uhr Kommentieren
Das Abkommen ist eine Wette darauf, wie China sich in den kommenden Jahren verhalten wird, meint China-Experte Mikko Huotari. Quelle: dpa
EU und China einigen sich auf Investitionsabkommen

Das Abkommen ist eine Wette darauf, wie China sich in den kommenden Jahren verhalten wird, meint China-Experte Mikko Huotari.

(Foto: dpa)

Ein Vorwurf, der im Raum steht, trifft nicht zu: Naiv sind weder die deutsche Bundesregierung noch die Verhandler in Brüssel an die nun erreichte politische Übereinkunft zum europäisch-chinesischen Investitionsabkommen herangegangen. Für die stärksten Kritiker macht es das noch schlimmer. Sehenden Auges verkaufe sich Europa unter Merkels Führung an China, ignoriere all seine Werte und beschädige dabei auch noch das gerade erst wieder erwachende transatlantische Bündnis.

Die Realität ist grauer und kalkulierter. Ja, das Investitionsabkommen ist nicht das, was die EU sich zu Beginn der Verhandlungen erhofft hat, aber wer den Entwurf gelesen hat, sieht Erfolge. Es verspricht angelaufene Öffnungsprozesse festzuschreiben – und damit eine Verbesserung des Status quo für europäische Unternehmen. Die Chancen, die in dem Abschluss des Abkommens liegen könnten, müssen dabei aber zumindest gegen die folgenden drei Risiken abgewogen werden.

Erstens ist die Ernüchterung über den möglichen Deal fast schon programmiert: Der versprochene Fortschritt bezüglich Marktzugang und Gleichberechtigung europäischer Unternehmen wird auch in Zukunft in der Praxis vielfach konterkariert werden. Die Zeichen der chinesischen Wirtschaftspolitik stehen auf mehr Autonomie und „Versicherheitlichung“. Die breitere Öffnung Chinas ist aus der Sicht Pekings anderen politischen Zielen, die ans Herz europäischer Wettbewerbsfähigkeit gehen, untergeordnet.

Europäische Unternehmen sind dabei vor allem als willfährige Modernisierungskatalysatoren willkommen. Die zahnlosen Durchsetzungsmechanismen und der „track record“ Chinas bei der Einhaltung von internationalen Verpflichtungen wecken Zweifel an der Tragfähigkeit des gesamten Abkommens.

Dann muss aber nüchtern antizipiert werden, welche strategischen Lasten diese neuen Anreize zur vertieften Verflechtung mit China mittelfristig mit sich bringen. Ob gewollt oder nicht, mit dem Abkommen wird eine Wette eingegangen auf Chinas zukünftiges Verhalten. Was ist, wenn China international noch mehr zum Bully und Außenseiter wird? Die Zukunft europäischer Innovation wird dann in einem China geschrieben, das Europas langfristige Interessen unterminiert. Partner wie Australien bekommen ihre strategische Verletzlichkeit im Chinageschäft gerade vor Augen geführt.

Europäer werden Menschenrechtsverletzungen nicht dulden

Zweitens hat das Abkommen, gerade aus der Sicht Pekings, politische und strategische Obertöne. Das Versprechen besserer Geschäfte wird eingekauft mit einer impliziten Legitimation des Verhaltens der chinesischen Regierung und eines Parteistaats, der sich über alle stellt: im Innern und Äußeren, auch in Hongkong und gegenüber Taiwan.

Europäer werden sich weiter bemühen, systematische Menschenrechtsverletzungen und die Unterdrückung von demokratischen Kräften nicht einfach zu dulden. Der deutsche UN-Botschafter Heusgen wurde von seinem chinesischen Kollegen mit „auf Nimmerwiedersehen“ verabschiedet, als er seine letzte Rede nutzte, um sich für in China inhaftierte Kanadier einzusetzen. Und der europäische Auswärtige Dienst meldet sich schnell zu Wort, wenn auch in diesem Jahr die weihnachtliche Verurteilungswelle gegen Kritiker in Peking und Hongkong rollt.

Mikko Huotari ist Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien und Experte für die europäisch-chinesischen Beziehungen. Quelle: Marco Urban für Handelsblatt
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Mikko Huotari ist Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien und Experte für die europäisch-chinesischen Beziehungen.

(Foto: Marco Urban für Handelsblatt)

Der mögliche Hebel des Abkommens allein war hier immer gering, jetzt wird er wohl minimal: eine sehr beschränkte Verankerung von Arbeitsschutzrechten. Umso drängender wird die Umsetzung paralleler autonomer Instrumente nicht nur zum Menschenrechtsschutz, um die Erosion europäischer Glaubwürdigkeit und Interessen zu verhindern.
Drittens hat Berlins Führungsanspruch in dieser Frage auch Schattenseiten im Verhältnis zu wichtigen Partnern. Die innereuropäischen Spannungen, die das Hauruckverfahren am Ende der Ratspräsidentschaft wieder mit sich gebracht hat, hinterlassen Spuren. Das Signal, das nun wieder einmal in die gerade von Berlin viel kritisierten „Peripherie-Staaten“ Europas gesendet wird, ist: Privilegierte Beziehungen sollen vor allem Deutschland und Frankreich pflegen.

Und wenn, wie es derzeit aussieht, das Abkommen ein Spaltpilz zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission wird, bleibt mehr europäische Einigkeit in der Chinapolitik eine leere Floskel.
Geostrategisch bräuchte es diese aber, um das Doppelspiel vertiefter Integration mit China und die angestrebte Zusammenarbeit mit der Biden-Administration auch in der Chinapolitik durchhalten zu können. Der Vertrauensverlust dieses zukünftigen Partners in Washington scheint ebenfalls eingepreist gewesen. Zumindest ist klar, dass geschickte Diplomatie nötig sein wird, um zu vermeiden, dass Peking die erneute Annäherung der transatlantischen Partner behindert.
Das größte Risiko besteht dann vielleicht in den politischen und psychologischen Automatismen, die durch die Übereinkunft jetzt entstehen. Um den Abschluss des Abkommens zu schützen und zu rechtfertigen, könnten die Europäer den Blick abwenden und nicht mehr sehen wollen, wohin sich die Realitäten in und mit China entwickeln.

Mehr: Der Deal steht: Bei welchen Fragen sich die EU durchgesetzt hat – und wo China

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