
Gunnar Beck ist Professor für EU-Recht, ehemaliger Regierungsberater und Fachanwalt für EU-Recht in London.
„Um den Euro zu retten, haben wir Recht gebrochen“, so die ehemalige französische Finanzministerin und heutige IWF-Chefin Christine Lagarde im Jahre 2011. Mittlerweile ist der Rechtsbruch den Euro-Rettern zur Gewohnheit geworden. Die Schlüsselrolle in der rechtswidrigen Euro-Rettungspolitik nimmt die Europäische Zentralbank (EZB) unter ihrem Präsidenten Mario Draghi ein. Bestes Beispiel dafür ist Draghis sogenanntes OMT-Programm vom September 2012, das heißt die Ankündigung, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen der Euro-Krisenstaaten anzukaufen.
Selbst das in EU-Fragen sonst so politisch willfährige Bundesverfassungsgericht erklärte im Februar, dass das OMT-Programm eindeutig dem monetären Staatsfinanzierungsverbot widerspricht. Ihrem Rechtsbefund zum Trotz vermieden die Richter allerdings, ihrer Einsicht gemäß zu urteilen, und verwiesen die heikle Frage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Dass der integrationsfreundliche EuGH die EU-Verträge beugen und das OMT-Programm im Kern für rechtmäßig erklären wird, bezweifelt niemand.
Kaum hatten die Verfassungsrichter die OMT-Entscheidung auf die lange Bank geschoben, lechzen Investmentbanken und Hedge-Fonds bereits nach mehr. Draghi erklärte mehrfach, dass sich die EZB nach der Europawahl den Marktbegehrlichkeiten durch eine neue Geldschwemme gefügig zeigen wird. Dabei brachte er drei Optionen ins Spiel. Erstens den massiven Ankauf von Staatsanleihen. Zweitens, den Kauf im großen Stil verbriefter Unternehmensanleihen. Und drittens, die unerprobte Einführung eines negativen Einlagezinses.
Die erste Option, quantitatives Easing durch umfassende Staatsanleihenkäufe unterscheidet sich vom OMT dadurch, dass die EZB nicht nur Anleihen der Krisen-, sondern aller Euro-Staaten kauft. Staatsanleihenkäufe, so klügelte Draghi schon beim OMT, seien EU-rechtlich nur im Falle des Direktkaufes von den emittierenden Staaten ausgeschlossen, nicht hingegen beim Erwerb über die Kapitalmärkte. Draghi verschweigt, dass laut Ratsverordnung 3603/1993 das Verbot in Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) auch für Sekundärmarktkäufe gilt, sofern diese die Finanzierungsbedingungen öffentlicher Schuldner erleichtern könnten.
Die Inflation im Euro-Raum lag im Mai bei 0,5 Prozent – und damit weit entfernt von der Zielmarke der EZB von nahe zwei Prozent. Die Entwicklung erhöht den Druck auf die EZB, die Zinsen niedrig zu halten oder noch unter das Rekordtief von 0,25 Prozent zu senken. EZB-Präsident Mario Draghi hatte betont, die Notenbank werde sich notfalls entschieden gegen einen Preisverfall stemmen.
Für Verbraucher sind sinkende Preise zunächst erfreulich, schließlich bekommt man mehr für sein Geld. Die Gefahr ist, dass eine Abwärtsspirale in Gang kommt, wenn die Preise auf breiter Front fallen. Ökonomen nennen das Deflation. Unternehmen und Verbraucher könnten dann Investitionen hinauszögern - in der Erwartung, dass es in den nächsten Monaten noch günstiger für sie wird. Das könnte die ohnehin noch fragile Erholung der Konjunktur in Europa abwürgen.
„Eine handfeste Deflation ist in der Eurozone eine sehr weit entfernte Gefahr“, meint Berenberg-Volkswirt Christian Schulz. Das betont auch regelmäßig das EZB-Spitzenpersonal. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte Mitte März erklärt, er halte die Risiken von Preis- und Lohnrückgängen auf breiter Front im Euroraum für sehr begrenzt.
Bei den Zinsen hat die EZB den Boden fast erreicht. Mit einem Leitzins von 0,25 Prozent ist Zentralbankgeld für die Banken im Euroraum bereits extrem günstig. Ob eine weitere Zinssenkung die Geldinstitute dazu bewegen würde, mehr Kredite zu vergeben und so die Wirtschaft anzukurbeln, ist umstritten. Denkbar wäre, dass die EZB den Zins für Geld, das Geschäftsbanken bei der Notenbank parken, unter Null senkt. Theoretisch möglich wäre auch, dass die EZB in großem Stil Staatsanleihen aufkauft.
Theoretisch animiert das billige Geld Unternehmen zum Investieren und Verbraucher zum Konsumieren - beides kurbelt die Konjunktur an und erhöht so den Preisauftrieb. Doch gerade in den kriselnden Eurostaaten in Südeuropa blieb die Kreditvergabe zuletzt schwach. Nach Einschätzung des Bundesverbandes Deutscher Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) kann die EZB mit noch billigerem Geld dagegen so gut wie nichts ausrichten.
Mit ihren Käufen drängt die EZB private Investoren aus dem Bondmarkt und in andere Anlagen. Die zusätzliche Nachfrage bei ungefähr konstantem Angebot, wirkt sich dadurch auf die Anleihenkurse, deren Rendite und damit auch auf die Finanzierungskosten der Emittenten aus. Zudem begünstigen solche Eingriffe der EZB die Bildung von Vermögensblasen.
Der Aufkauf von verbrieften Unternehmensanleihen - Option 2 - bricht gleichfalls EU-Recht. Die EZB-Satzung gestattet dem EZB-Rat mit Zwei-Drittel-Mehrheit zwar die Anwendung „anderer Instrumente der Geldpolitik“, doch nur, so diese das Preisstabilitätsgebot beachten und in den Bereich der Geldpolitik und nicht der Fiskal- und Wirtschaftspolitik fallen. Mit dem Kauf von Unternehmenskreditverbriefungen stiege die EZB direkt in die Unternehmensfinanzierung ein, denn Draghi verspricht durch die Maßnahme direkte Erleichterungen der Finanzierungskonditionen von mittleren und kleineren Unternehmen in Südeuropa.
18 Kommentare zu "Gastbeitrag: Warnung vor Draghis neuer Geldschwemme"
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@Hegglin
!. Die EZB vertritt ausschließlich die Interessen der Schuldenstaaten.
2. Ob wir heute mit der DM die gleichen Problem hätte, ist reine Spekulation und ein unhaltbares Argument, um zumindest etwas den Kritikern entgegenhalten zu können.
3. Es ist ein Unterschied, ob ein Land eigenes Geld in den eigenen Markt pumpt um
eigene Interessen zu schützen, oder ob einige solide Länder, für andere, die über ihre Verhältnisse leben, quasi als Belohnung gezwungenermaßen Gelder zur Verfügung gestellt werden müssen, das zudem nicht zurückbezahlt werden wird.
4. In der Krise zeigt sich eben, daß Gemeinschaft nicht funktioniert und daß Eigenverantwortung eine gute Wertvorstellung ist.
5. Mitgefangen, mitgehangen: unser Volk wurde nicht gefragt - und jetzt wird es in Sippenhaft genommen - eine seltsame Vorstellung von Demokratie.
@ Haref
Ich bin mir sicher, daß unseren Politikern die ganze Malaise bekannt ist. Sie scheren
sich allerdings keinen Deut um die Interessen der deutschen Bürger. Sie unterstützen doch Draghi voll und ganz in seinem Bemühen, den Südländern die Geldhähne offen zu halten. Das Projekt EU darf nicht scheitern koste es was es wolle. Dafür sind alle Mittel recht, alles wird diesem Projekt untergeordnet. Es ist ihre Religion, ihr Größen-wahn. Da gibt es doch tatsächlich Leute, die glauben, was da vor sich geht, ist in ihrem Interesse. Den EU-Akteuren vertrauen sie blind und verteidigen das Übel EU
noch dazu vehement nach dem Motto: Verarschen kann ich mich selber.
Die EZB handelt im Sinne des "Club Med" .Das durchschnittliche Medianvermögen dieser Schuldnerstaaten wird weiter wachsen, durch diese Umverteilung in den Süden ,wie es der Herr Prof.Sinn es erst kürzlich im TV so treffend darlegte,denn der Italiener oder Spanier spürt die niedrigen Zinsen kaum,betrug doch die durchschnittliche Rendite italienischer-und spanischer Kapitallebensversicherungen seit der Euroeinführung stolze 6,5%, im Gegensatz zu den 3,5 % in Deutschland.
Es geht doch schon damit los,dass ausgerechnet ein Vertreter aus einem ehemaligen Weichwährungsland,nämlich dem ehemaligen "Lira-Paradies" Italien die EZB führt.Wer kommt dann als nächstes an die Spitze der Währungsunion -ein Grieche...?
Sehr richtig. Es handelt sich um Planwirtschaft. Und wir alle wissen wie Planwirtschaft immer enden wird. Politiker werden und vor allem die Bürger werden wohl nie begreifen, dass nur freie Märkte das Zinsniveau bestimmen können. Leider werden zur Zeit alle Märkte (Anleihe-, Aktien-, Devisen- und Edelmetallmärkte massiv manipuliert. Gerade heute konnte man wieder sehr schön beobachten, wie die Notenbanken bis zur Europawahl das aktuelle Interventionsniveau von 1300 USD pro Unze an den Goldmärkten verteidigen. Ich bin gespannt, wann ihnen das physische Gold ausgehen wird. Lange kann es nicht mehr dauern.
1. Warum diskutiert man Gesetze, die sowieso im Ernstfall gebrochen werden? Um die Menschen von der Enteignungspolitik durch FIAT Geld abzulenken?
2. Wir haben keine niedrige Inflation, sondern extrem hohe Inflationsraten. Die Geldmenge wurde global durch alle Notenbanken extrem ausgeweitet. Alles andere ist Propaganda.
3. Nach der Europawahl wird Draghi natürlich ungehemmt seine rechtswidrige Inflationspolitik weiterverfolgen bzw. ausweiten. Das ist möglich weil die EU Bürger das so wollen. Einfache Gegenmittel des Bürgers wäre seine Guthaben bei Geschäftsbanken abzuräumen und/oder Edelmetalle kaufen. Würden nur 1-3% der Bürger so handeln, hätten wir übermorgen steigende Zinsen.
4. 2/3 der EU Bürger leiden seit rund 5 Jahren unter der verfehlten Notenbankpolitik und bis 2017 werden es auch die Deutschen begriffen haben.
@Buerge-r
Gretchen frage, welche würden sie den in der jetzigen Situation kaufen. Schweizer Staatsanleihen? Dann müsste die SNB den CHF gegen über der D Mark Deckeln. Gleiches Problem, andere Währung. Oder würden sie lieber USA oder Japan Anleihen kaufen??
"Und an die D Mark Nostalgiker, wenn ihr heute die D Mark hättet, so hättet ihr nämlich die gleichen Probleme."
Ich würde sofort die Probleme Deutschlands mit denen der Schweiz tauschen. Dann würde die Bundesbank sich wenigstens aussuchen können, welche harten Sicherheiten/Assets sie für die zur Schwächung der DM gekauften Valuta erwirbt, statt von der EZB fragwürdige Weichanleihen in die Bücher gedrückt zu bekommen, deren werthaltige Rückzahlung ausgeschlossen ist.
Sparer (also i.d.R die "kleinen" Steuerzahler) schädigen, Recht brechen.
Wo ist da die News? Das ist doch üblich wenn es um EZB und Europa im Allgemeinen geht.
Bei der UdSSR war es damals klar was da abläuft, bei der EUdSSR wird es immer klarer und hoffentlich auch bald dem letzten noch belehrbaren Bürger klar.
"Und an die D Mark Nostalgiker, wenn ihr heute die D Mark hättet, so hättet ihr nämlich die gleichen Probleme. Fragt mal die SNB, wie viele Milliarden CHF sie in den Markt pumpen muss um die Währung zu Deckeln."
Im Prinzip ist die armselige Eurozone der Schuldige, wenn sich Leute in solide Währungen flüchten. Ohne Euro hätte die SNB dieses Problem nicht.