1. Startseite
  2. Meinung
  3. Gastbeiträge
  4. Gastkommentar zu Steuergesetzen: Ein Rezept fürs Steuerrecht auf 38 Seiten

Gastkommentar zu SteuergesetzenEin Rezept fürs Steuerrecht auf 38 Seiten

Die deutschen Steuergesetze sind viel zu kompliziert. Der Vorschlag von Paul Kirchhof für eine radikale Vereinfachung sollte endlich umgesetzt werden, fordert Daniel Stelter.Daniel Stelter 09.07.2024 - 16:43 Uhr
Der Text des Einkommensteuergesetzes hat sich seit 1980 auf 200.000 Wörter verdoppelt, hat die Ökonomin Luisa Wallosek errechnet. Foto: Sabina Crisan/dpa

Die Ampel hat es geschafft, sich auf einen Haushalt für das kommende Jahr zu einigen. Ein erwartbarer Nebeneffekt dieser Einigung: Die deutschen Steuergesetze wachsen um weitere Paragrafen an.

Damit setzt sich ein schlechter Trend fort. Seit 1980 hat sich die Länge des Einkommensteuergesetzes auf rund 200.000 Wörter verdoppelt, wie die Ökonomin Luisa Wallossek von der Ludwig-Maximilians-Universität München in der Fachzeitschrift „National Tax Journal“ vorrechnet.

Statt der versprochenen Entlastung von Bürokratie steigt der Arbeitsaufwand für Bürger, Unternehmen und Staat weiter an. Statt der angestrebten Gerechtigkeit durch viele Einzelfallregelungen wächst die Ungerechtigkeit durch immer mehr Einzelfallregelungen – sodass nur jene, die sich einen Steuerberater leisten können, ihre Steuerlast optimieren können. Immerhin rund 20 Millionen Bürger verzichten auf die Abgabe einer Erklärung und schenken so dem Staat geschätzt eine Milliarde Euro.

Die Regierung macht, was sie in solchen Fällen gerne macht: Sie setzt Arbeitskreise ein. Gleich zwei Expertengruppen sollen Vorschläge für eine „bürgernahe Einkommensteuer“ und eine „moderne Unternehmensteuer“ vorlegen.

Dass deren Vorschläge Gehör finden werden, darf angesichts der bisherigen Erfahrungen bezweifelt werden. Zu groß ist der Wunsch der Politik, über das Steuerrecht in die Wirtschaft und das Verhalten der Bürger einzugreifen.

Der Autor: Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums beyond the obvious, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online. Foto: Robert Recker/ Berlin

Ein guter Vorschlag für ein gerechtes und unkompliziertes Steuerrecht liegt seit Jahren auf dem Tisch. Bereits 2011 präsentierte der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Paul Kirchhof, einen Entwurf für ein „Bundessteuergesetzbuch“.

Mit einer 22-köpfigen Expertengruppe hatte der renommierte Steuerjurist neun Jahre daran gearbeitet, ein Steuergesetz zu entwerfen, das nur noch 38 Seiten umfasst – wohlgemerkt für alle Steuern, also Einkommensteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Umsatzsteuer und Verbrauchsteuer.

Einheitlicher Satz von 25 Prozent

Das geht naturgemäß nur mit einer deutlichen Vereinfachung. 534 einzelne steuerliche Begünstigungen würden gestrichen, sämtliche Einkommen würden einheitlich mit einem Satz von 25 Prozent besteuert.

Für sozialen Ausgleich würde ein deutlich höheres Existenzminimum sorgen, während der Wegfall von Abzugsmöglichkeiten die Entlastung der oberen Einkommensgruppen verringern würde. Die Gewerbesteuer würde abgeschafft und durch einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommensteuer ersetzt. Der Mehrwertsteuersatz würde vereinheitlicht und die Erbschaftsteuer ohne Ausnahme auch für Familienunternehmen erhoben, mit einem Einheitssatz von zehn Prozent.

Die Reaktion der Politik war 2011 so erwartbar wie falsch. Der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU warnte vor Steuerausfällen. Ein vorgeschobenes Argument, ließen sich diese doch leicht durch etwas höhere Steuersätze vermeiden.

In Wahrheit dürfte der Grund für den Widerstand der Politik gegen eine solche Vereinfachung ganz anders begründet sein, nämlich durch den damit einhergehenden Verlust der Möglichkeit zur Feinsteuerung.

Die schlechte wirtschaftliche Lage Deutschlands macht jedoch einen Bürokratieabbau dringender denn je. Deshalb sollte ein weiterer Anlauf erfolgen, das Steuerrecht radikal zu vereinfachen. Spätestens wenn der Fachkräftemangel auch die Finanzämter erreicht, wird der Regierung ohnehin keine andere Wahl bleiben, als die Komplexität der Steuergesetzgebung zu reduzieren.

Verwandte Themen Steuern Steuerpolitik Deutschland CDU

Paul Kirchhof hat den richtigen Vorschlag gemacht. Eine mutige Politik würde ihn aufgreifen.

Erstpublikation: 07.07.2024, 12:58 Uhr.

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt