Gastkommentar Anja Karliczek: Wie Deutschland trotz Krise Innovationsland bleibt

Anja Karliczek ist Bundesministerin für Bildung und Forschung.
Die Pandemie ist nicht überwunden. Noch stecken wir in der Bewältigung der Krise, auch weil wir nicht wissen, welchen Verlauf die nächsten Monate nehmen werden. Aber wir sind weiter als im März.
Die Wissenschaft kennt das Virus besser. Die Politik kann differenzierter auf die Herausforderung antworten. Die Menschen haben besser gelernt, mit dem Virus umzugehen. Es gibt keine Entwarnung. Nein. Aber wir sollten dennoch verstärkt an die Zeit nach der Pandemie denken.
Als Bundesregierung haben wir die Grundlagen dafür gelegt. Das Kraftpaket der Koalition vom Juni ist nicht allein ein Antikrisenpaket, es ist in großen Teilen ein Zukunftspaket. Das Forschungsministerium ist mit Hochdruck dabei, auf Grundlage der Beschlüsse zum Beispiel die Förderung der Künstlichen Intelligenz, der Quantentechnologie und des grünen Wasserstoffs weiter zu verstärken. Die Mittel sind aber das eine.
Das andere ist, nach der Krise ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir wieder durchstarten müssen. Deutschland ist Innovationsland. Das haben wir übrigens auch in dieser Krise gezeigt. Wir haben es auch unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu verdanken, dass wir vergleichsweise gut durch die Krise gekommen sind.
Deutschland muss aber auch in 20 Jahren noch Innovationsland sein, um einen Beitrag leisten zu können, den Klimawandel aufzuhalten und gleichzeitig unseren Wohlstand zu bewahren. Wir brauchen dafür aber eine veränderte Mentalität im Lande. Innovation muss hip, muss chic sein.
Viele unbekannte Elon Musks
Zu häufig stehen wir auf der Bremse, sehen das Risiko vor der Chance, stigmatisieren Scheitern, lassen Gründern keine zweite Chance. Bürokratie lähmt gelegentlich immer noch Gründergeist. Mit Bedenken gegenüber dem Neuen halten wir immer noch zu häufig am Gewohnten fest. Die Welt verändert sich, ob wir wollen oder nicht. Wir müssen vor die Welle kommen und den Trend vorgeben, statt zu reagieren.
Veränderung, Mut, Offenheit – wir haben dafür eine gute Basis. Deutschland ist wieder vorn im weltweiten Ranking der innovativsten Länder der Welt. Wir haben jede Menge Menschen mit Kreativität und Mut zur Veränderung.
Überall in Deutschland entstehen neue Ideen, Technologien, Produkte und Dienstleistungen, die unsere Lebensqualität verbessern und Fortschritt ermöglichen – in Unternehmen, Start-ups, Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Schulen. Aber wir reden zu wenig darüber. Dabei haben auch wir viele unbekannte Elon Musks im Lande. So interessant er auch ist, wir haben Menschen mit ähnlichem Potenzial.
Um das deutlich zu machen, um zu zeigen, was für Möglichkeiten in unserem Land und in unseren Menschen stecken, startet mein Haus an diesem Dienstag eine auf ein halbes Jahr angelegte Kampagne zum „#innovationsland Deutschland“. Es sollen dabei vor allem Geschichten von Menschen erzählt werden, die sich dem Neuen verschrieben haben. Erfolgsgeschichten werden berichtet werden, aber auch Geschichten von Rückschlägen und Neuanfängen.
Gleichzeitig wollen wir alle neugierigen, motivierten und begeisterungsfähigen Menschen zum Mitmachen einladen – durch Formate wie digitale Barcamps, digitale Interviews mit inspirierenden Persönlichkeiten oder Innovations-Workshops. An diesem Dienstag beginnen wir in Berlin mit einer Kick-off-Veranstaltung – in diesen Zeiten natürlich online, aber immerhin aus dem Berliner Futurium. Es ist in der Geschichte des Bundesforschungsministeriums eine bislang so nie da gewesene Aktion. Wir wollen auch in Pandemiezeiten zeigen: Schon jetzt beginnt wieder die Zukunft.
Bundesweiter Innovationstag denkbar
Mir ist klar, dass dies am Ende nur ein Beitrag für eine Aufbruchskultur sein kann. Damit die Bürgerinnen und Bürger Innovation mehr und mehr auch mit persönlichem Fortschritt verbinden, bedarf es eines langen Atems. In der Politik müssen wir über Innovationen noch mehr sprechen und sie unterstützen.
Das beginnt natürlich in der Gesetzgebung. Der Gedanke aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist da völlig richtig, dass der Gesetzentwurf auch Auskunft geben soll, was die Regelung in zehn oder 20 Jahren bewirken soll.
Aber jede künftige Regierung sollte auch eine Selbstverpflichtung eingehen, dass wir die Bildungs- und Forschungsausgaben kontinuierlich steigern. Wir sind hier auf einem guten Weg. Aber wir müssen dies in der kommenden Legislaturperiode verstetigen und mit einer Mindestquote konkret festschreiben. Um den Fortschrittsgedanken tatsächlich unter die Leute zu bringen, bedarf es noch mehr.
Warum sollten wir nicht einen bundesweiten Innovationstag ausrufen – einen Tag, an dem alle an nachhaltigem Fortschritt interessierten Organisationen, Unternehmen und staatlichen Institutionen ihre Ideen und Projekte vorstellen? Ein Innoland-Tag wäre ein Tag der Zukunft in Deutschland und gerne später in Europa.
Ein Tag, an dem sich das Innovationsland Deutschland als ein Land zeigt, das dank seiner Menschen in der Lage ist, ein gutes Leben für alle möglich zu machen.
Mehr: Deutschland macht große Schritte in Richtung digitale Schule, meint Handelsblatt-Reporterin Barbara Gillmann.
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