Gastkommentar BMW, Daimler und VW müssen Tesla nicht fürchten – Warum Frank Thelens Kritik übertrieben ist

Die Kalifornier wollen den Markt für Elektroautos beherrschen.
Es ist ein griffiges Bild, das der Investor Frank Thelen jüngst in seinem Gastbeitrag im Handelsblatt zeichnete. Wie die behäbig-verschlafene deutsche Autoindustrie von dem smarten Newcomer Tesla nicht nur überholt, sondern mit einem kurzen Tritt aufs Pedal von der Straße gefegt wird.
Allein: Der etwas schadenfrohe Abgesang eines Tesla-Aktionärs auf BMW, Daimler und VW kommt nicht nur zu früh, er ignoriert Stärken und Potenziale hier im Land. Ja, die deutschen Hersteller haben sich zu lange in ihren Erfolgen gesonnt und so mancher Top-Manager wurde in der Sonne blind. Nein, es ist zwar spät, aber bei weitem nicht zu spät.
Ich komme aus einer Branche, die einmal so stark war, wie es die deutsche Automobilindustrie heute ist. Deutsche Kommunikationstechnik war weltweit führend, von Sibirien bis Südafrika lief alles über Netze made in Germany. Siemens war noch Anfang der Nuller Jahre der drittgrößte Handyhersteller, wenig später war die Sparte pleite.
Aber: Ist es ein Naturgesetz, dass Digitalisierung deutsche Traditionsfirmen in den Abgrund führt? Nein. Digitalisierung ist eine Gestaltungsaufgabe, auch in der Mobilität. Sie erfordert einen klaren Blick, die Bereitschaft alles in Frage zu stellen und den Mut zu radikalem Handeln.
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Achim Berg ist Präsident des IT-Verbands Bitkom und Autoliebhaber mit Passion.
Wie fehlgeleitet und desorientiert die Diskussion in der Automobilindustrie war, zeigen ihre Referenzpunkte: Spaltmaße in den Türen, Zehntelsekunden in der Beschleunigung, Zentiliter im Verbrauch. Nichts davon entscheidet die Zukunft. Sie entscheidet nur eines: eine Mobilität, die den Menschen dient und unseren Planeten erhält. Wer hier das beste Angebot hat, macht das Rennen.
In den Chefetagen der Autoindustrie ist die Botschaft angekommen, jetzt muss sie umgesetzt werden. Und deutsche Automobiler können umbauen, das haben etwa Porsche und Audi bewiesen. Für die Autobranche ist es nichts Neues, dass sich Marktanteile verschieben. Hersteller verschwinden (erinnert sich jemand an NSU, Simca oder Zündapp?), ausländische Unternehmen drängen auf den Markt (man denke an die hysterische Debatte um „die Japaner“ in den 80ern).
Auch jetzt Hysterie, diesmal wegen Tesla. Als Beleg dient die Marktkapitalisierung. Für viele Investoren mag sie das Maß aller Dinge sein. Tatsächlich sind Aktienkurse Wetten auf die Zukunft. Tesla hat im vergangenen Jahr 300.000 Autos verkauft. Für Tesla ist das ein sensationell guter Wert, VW schafft das in zwei Wochen. Ein uneinholbarer Vorsprung, wie ihn Frank Thelen für Tesla proklamiert, sieht anders aus.
Die Deutschen müssen ihren Datenschatz heben
Die Bedeutung der einzigartigen deutschen Zulieferindustrie blendet er in seinem Abgesang völlig aus. Ohne die Bauteile deutscher Zulieferer könnte kein Tesla aus der Werkshalle fahren. Und teilautonom im Verkehr bewegen könnte er sich schon gar nicht.
Selbst wenn Tesla mit seinem oft als „Autopiloten“ titulierten Fahrassistenzsystem mehr (wenn auch nicht nur positive) Schlagzeilen macht, unsere Automobiler sind alles andere als untätig. Nach einer Auswertung des Patent- und Markenamts halten von 4800 hierzulande wirksamen, autonomes Fahren betreffenden Patenten deutsche Unternehmen mehr als 2000, US-Firmen kommen auf 527. Die größte Herausforderung für deutsche Hersteller kommt nicht aus Fremont, sie kommt aus China.
Ebenfalls ausgeblendet wird, dass Tesla keine eigene Datenplattform besitzt – anders als deutsche Hersteller. Die Mobilität der Zukunft ist intermodal, autonom und vor allem datengetrieben.
Mit Here verfügt die deutsche Automobilindustrie über eine globale Datenplattform und eine in Mobilitätsfragen derzeit einzigartige Intelligenz, die keinen Vergleich zu scheuen braucht. Die Autohersteller sind jetzt gefordert, aus diesen Datenschätzen auch etwas zu machen.
An diesem Punkt entscheidet sich die Zukunft der deutschen Automobilindustrie: Ist die Politik und sind wir als Gesellschaft bereit, den Einsatz von Daten für eine zukunftsfähige, sichere und ressourcenschonende Individualmobilität zuzulassen? Gelingt es uns, eine neue Balance zwischen dem Einsatz von Daten und dem Schutz der Privatsphäre herzustellen? Oder schnüren wir das regulatorische Korsett immer enger?
Ich teile die Meinung Frank Thelens, dass Tesla weitere Erfolge feiern wird. Ich widerspreche ihm, wenn er daraus den Misserfolg deutscher Autobauer schlussfolgert.
Im Gegenteil: Thelen mag eine Totenglocke gehört haben, tatsächlich hat Tesla einen Weckruf gegeben. Die Zeit von Ignoranz und Eitelkeit in der Automobilbranche ist endgültig vorbei.
Jetzt heißt es: radikal umbauen, schnell sein, Kräfte bündeln, und das branchenübergreifend. Die Zukunft der Mobilität ist digital, und digitale Mobilität wollen und können wir in Deutschland gemeinsam entwickeln.
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@ Michael Megerle: Wenn dem so wäre, wäre Thelen damit so ganz und garnicht alleine. Wie selbst Herr Berg festellte in seinem Kommentar, laufen aktuell die Wetten gegen die VAG und für Tesla. Die Investoren glauben fest daran, dass Tesla in den nächsten Jahren weiter steigt. Bleibt die Frage wer wird den Kampf um die Vorherrschaft gewinnen? Wird Tesla weiterhin Marktführer in dem Segment sein, schafft es die VAG zu überholen oder macht das Rennen doch ein dritter den aktuell keiner so richtig auf dem Schirm hat? Eins ist klar. Tesla hat schon heute mehr für die Zukunft der Menschheit getan als die VAG mit ihren Betrügereien!
Thelen leidet an einer etwas verzerrten Wahrnehmung und an einer mittleren Hysterie in diesen Dingen. Und natürlich arbeitet er auch an seiner Personenmarke, wenn er solche provokanten Thesen raushaut ;-)
Herr Berg,
selten einen so fundierten und ausgewogenen Kommentar gelesen.
Endlich mal weg von dieser politisch motivierten Hysterie und Panik.
Die deutschen Hersteller bauen Autos, die die Menschen auch kaufen, dass ist ihr Job.
Wenn sich hier die Anforderungen der Märkte ändern sind unsere Firmen auch technologisch in der Lage dem Rechnung zu tragen.
Im übrigen ist da Tesla nur eindimensional unterwegs. Ich denke, dass Wasserstoff wesentlich zukunftsträchtiger ist als die Batterietechnologie. Aber - Konkurrenz belebt das Geschäft und das ist gut so.
Wir brauchen uns da nicht verstecken.
Nur Mut für die Zukunft.
Die deutsche Autoindustrie hat nicht geschlafen, sondern folgte dem gesunden Menschenverstand, genau wie der deutsche Autokäufer: was sollen E-Fzge, die stundenlang aufgeladen werden müssen, die lächerliche Reichweiten haben, für die es keine Infrastruktur gibt.
Dann kam die Klimahysterie und eine Politik, die die Weichen entgegen jeglicher Vernunft ausschließlich in Richtung E-Mobilität stellte. Dank Klimapaket wird bis 2025 der Liter Sprit/Diesel die 2€-Marke kratzen. D.h., die Menschen sollen mit aller Gewalt vom Verbrenner weggebracht werden.
Boschs CARE-Diesel? Das klimafreundliche Benzin, von der TU Bergakademie Freiberg entwickelt? Interessiert in D niemand, dafür jede Menge Anfragen aus dem Ausland. H.Diess verlangt inzwischen einen CO2-Preis bei 100€. Klar, wer ausschließlich auf E-Mobilität setzt, für den kann der Sprit gar nicht teuer genug sein.
Klar, dass unter diesen Umständen Tesla in D eine Fabrik baut, natürlich nur mit enormen Subventionen seitens des Steuerzahlers.
Wo der erneuerbar erzeugte Strom herkommen soll, ist noch mal ein ganz anderes Thema. Stand heute aus frz. Atomkraftwerken oder polnischer Kohle. Und der Preis dafür steigt und steigt und steigt...
Die deutsche Autoindustrie wird so schnell nicht untergehen allein, weil nicht alle nur Tesla fahren wollen. Handies sehen erstmal alle gleich aus, Autos unterscheiden sich im optischen Design schon sehr. Fürchten muss sich die deutsche Auto Industrie aber schon. Denn Tesla hat den Vorteil, dass es sich voll auf Elektro konzentrieren kann und nicht "zwei" Versionen (Verbrenner und E-Auto) führen muss. Das ist halt Wettbewerb und man darf gespannt sein, wie die Deutsche Autowirtschaft kontern wird.