Gastkommentar: Corona zeigt: Ein schwacher Staat ist keine Lösung

Marcel Fratzscher
Nicht wenige Menschen werfen dem Staat und seinen Institutionen in der Pandemie Versagen vor. Auch wenn Politik und Institutionen Fehler gemacht und strukturelle Schwächen offenbart haben: Diese Kritik ist fehlgeleitet. Denn kaum ein anderes Land hat die Pandemie mit Blick auf den Schutz von Menschenleben, Gesundheit, Wirtschaft und Grundrechten so erfolgreich gemeistert wie Deutschland – dank eines starken Sozialstaats und guter staatlicher Institutionen.
Die richtige Lehre aus der Pandemie sollte daher nicht die Schwächung des Staates sein, sondern eine grundlegende Reform seiner Institutionen und Regeln, sodass eine neue, moderne Ordnungspolitik entstehen kann. Ludwig Erhard hat seine Vision der Ordnungspolitik mit einem Fußballspiel verglichen: Die Mannschaften sind die Marktteilnehmer, und der Staat ist der Schiedsrichter, der die Einhaltung der Regeln sicherstellt, aber nicht selbst mitspielen darf.
Die Kritiker*innen in der Pandemie monieren, der Staat würde immer mehr zum Spieler, zum „Unternehmerstaat“, der seine Rolle überschreite und damit selbst zur Ursache von Marktversagen geworden sei. Das ist jedoch falsch. Die großen Krisen der vergangenen 30 Jahre wurden verursacht oder verstärkt, weil der Staat zu häufig die Rolle des Schiedsrichters vernachlässigt und die Regelsetzung und die Kontrolle der Regeln an private Unternehmen verloren hat.





