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Gastkommentar Der blockierte Kontinent

Außenpolitik-Professor Walter Russel Mead sieht bei der Euro-Rettung einen fast unlösbaren Konflikt zwischen Frankreich und Deutschland. Beide setzten darauf, dass der andere unter dem Druck der Krise einknickt.
  • Walter Russel Mead
12.01.2012 - 19:49 Uhr 9 Kommentare
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Quelle: dpa

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

(Foto: dpa)

Jeder schaut im Moment auf die Euro-Zone, und jeder ist verwirrt. In China, Indien und den USA betrachten Politiker, Investoren und Manager Europa mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen. Wir wissen, dass auch unser Schicksal von dem abhängt, was in Europa geschieht. Doch die Europäer scheinen nicht mehr in der Lage zu sein, auf die Krise ernsthaft und effektiv zu reagieren.

Viele machen Deutschland dafür verantwortlich. Wenn nur Deutschland endlich zulassen würde, so heißt es, dass die Europäische Zentralbank (EZB) als "lender of last resort" die Euro-Staaten und ihre Finanzinstitute mit ausreichender Liquidität versorgte, wäre das Problem zwar noch nicht gelöst. Aber die unmittelbare Gefahr für die Weltwirtschaft wäre gebannt, und Europa würde früher oder später die Krise überwinden. Ich wünschte, es wäre so einfach. Europa steckt nicht deshalb fest, weil die Politiker ineffektiv sind oder die Deutschen eine Phobie vor der Inflation haben. Verfahren ist die Lage deshalb, weil niemand bislang einen Kompromiss gefunden hat, der aus der Sackgasse herausführt. Ich bin nicht sicher, dass es einen solchen Kompromiss überhaupt gibt.

Für Außenstehende scheint der deutsch-französische Motor der europäischen Integration rundzulaufen. Wer jedoch genauer hinschaut, weiß, dass es sich bei dem Verhältnis zwischen den beiden größten Mächten Europas mehr um eine platonische Beziehung handelt als um eine Herzensangelegenheit. Wie in jeder Familie ist die Ehe nicht nur ein Bund, sondern oft auch ein Wettbewerb, bei dem jeder Partner versucht, den Weg für beide zu bestimmen.

Die Euro-Krise ist auch deshalb so schwer lösbar, weil die Interessen Deutschlands und Frankreichs in einen möglicherweise unüberbrückbaren Konflikt geraten sind. Deutschland wollte seine Stabilitätskultur der D-Mark in den Euro einbringen. Die Franzosen haben die Währungsunion immer als eine wirtschaftspolitische Veranstaltung begriffen, in der Wechselkurse nur eines von mehreren Werkzeugen sind, um Wachstum und sozialen Zusammenhalt zu befördern. In der Praxis führt das dazu, dass Frankreich mehr Inflation und eine weniger restriktive Geldpolitik goutiert als Deutschland. Diese Differenzen haben die Euro-Krise zwar nicht ausgelöst. Sie sind jedoch in den Vordergrund getreten, nachdem die Krise ausgebrochen war.

Unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft Europas
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9 Kommentare zu "Gastkommentar: Der blockierte Kontinent"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Im Übertragenen geht es um das weibliche (förderale) und das männliche (zentrale) Prinzip.
    Die Krise wird gelöst sein, wenn beide Seiten erkennen, dass es kein "entweder oder" geben kann, sondern beide Anteile absolut notwendig sind.
    Dies ist zu erkennen und zu respektieren, danach lösen sich die noch so komplexen Fragestellungen schnellsten auf.

    www.sabine-nowaczyk.de

  • Würde erst einmal akzeptiert werden, das sämtliche Schuldengebirge über die Notenbanken schadlos entsorgt werden können, dieses allerdings nicht allzu leichtfertig erfolgen kann und darf, fände man auch die Strukturen aus der Krise und folglich zu einer gänzlichen Neuordnung der Ökonomie insgesamt. Das Problem, es fehlt an den Köpfen ...

  • Würde erst einmal akzeptiert werden, das sämtliche Schuldengebirge über die Notenbanken schadlos entsorgt werden können, dieses allerdings nicht allzu leichtfertig erfolgen kann und darf, fände man auch die Strukturen aus der Krise und folglich zu einer gänzlichen Neuordnung der Ökonomie insgesamt. Das Problem, es fehlt an den Köpfen ...

  • Mir drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass nun endlich die Fragen diskutiert werden, die man sich besser vor Einführung des Euro hätte stellen müssen.

  • Divergierende Zielvorstellungen von einer Europäischen Währungsunion hegen nicht nur Frankreich und Deutschland. Auch die anderen Mitgliedsstaaten folgten ihrem jeweiligen Selbstverständnis, als sie dem gemeinsamen Währungsraum beitraten. Sogar ein Nicht-Mitgliedsland wie Großbritannien will in der Ausgestaltung der Währungsunion sich und seine Belange berücksichtigt wissen. Die Politiker, so berechnend sie in der Verfolgung nationaler Interessen auch sein mögen, in der über sie hereingebrochenen Eurokrise sind sie Getriebene. Wenn die Europäische Währungsunion scheitern sollte, dann nicht nur, weil die staatlichen Schuldenberge sich in immer neue Höhen türmen, sondern auch und vor allem, weil dem Projekt die irrige Vorstellung zugrundeliegt, dass aus der Bündelung nationaler Egoismen ein supranationales Gemeinwohl erwachsen werde!

  • Prof Russel-Mead: Der Kontinent ist nicht blockiert, es ist Ihre Sicht der Fakten!
    Hier die Realität als Bild eines naiven Malers wie mich:
    Deutschland als gefangener Ochse auf dem Rücken liegend, fertig zur letzten Häutung. Er zappelt noch ein wenig, was am Ergebnis jedoch nichts ändern wird. Die Hörner (politische Souveränität) und die früher kraftvollen Hufe (eigene Währung) wurden bereits entfernt. Die geladenen Gäste des Schlachtfests aus Südeuropa (EU-Kommission, EZB) warten ungeduldig auf das Fell, welches sie als Sicherheit für die Kredite bereits seit 10 Jahren abgetreten haben, die zur Finanzierung ihres unbeschwerten Lebens gezogen wurden.
    Der arme deutsche Ochse ging jahrein - jahraus mit artig zum Boden gesenktem Blick (er trug schwer an einer Schuld, die sein Vater auf sich geladen hatte) seiner Arbeit nach, erfreute sich seiner Freizeitvergnügen an Mallorca's Stränden und glaubte gern an den ewigen Frieden. Die potentielle Gefahr, ausgehend von dem sichtbar vor ihm liegenden Vorschlaghammer (EUR) wurde ihm erst bewusst, als ihm dieser vor den Kopf geschlagen wurde (dass der Traum von einem Europa in Frieden nur so lange Bestand hat, bis Frankreich anders entscheidet).

    Eines wird dem Ochsen Deutschland nun ganz allmählich deutlich: Deutschland hat in Europa keine Freunde, nur Nutzniesser mit sofortiger Bereitschaft zu offener Feindschaft, wenn dem Ochs der Karren mit den vielen Mitfahrern zu schwer wird. Dieser Erkenntnisgewinn wird uns gegenwärtig nichts mehr nützen. Armes Deutschland.

  • Eine typisch amerikanische "Analyse" - zu flach, ohne historisch politisches Fundament, ohne Kenntnis Europas und lediglich zur Stützung der eigenen falschen Prämisse geeignet.

    Deutschland fehlt seit 1945 jede politische Souveränität (vgl. Schäuble), um die geforderte Führungsfunktion in der EU zu übernehmen. Deutschland führt ein politisches Dasein wie der "König der Löwen" im Zoo. Frankreich, GB und Italien waren zur Unterstützung der deutschen Wiedervereinigung nur zu bewegen, mit substanziellen deutschen Souveränitäts-Opfern wie Verzicht auf eigene Währung uvam. Frankreich versucht nun, diese politischen Kulisse zur Festigung der eigenen Hegemonialansprüche in der EU, mit demonstrativ vorgetäuschter deutsch-französischer Freundschaft (und deutscher Wirtschaftsleistung) zu nutzen. Deutschland kann politisch maximal versuchen, die drohenden Schäden am eigenen Volk so weit wie möglich zu minimieren. Sarkozy selbst hat nach einem Treffen mit Monti - nur noch wenig kryptisch -angekündigt: Scheitert der EUR- scheitert die EU, scheitert die EU "könnte dies Krieg bedeuten" (mit der Atommacht Frankreich).
    So unverblümt darf politische Erpressung in Europa inzwischen geäussert werden, ohne in Deutschland einen Proteststurm auszulösen. Nachdem die Maske gefallen ist wissen wir nun unzweideutig wo die Reise der EU hingeht: Europa soll nach Frankreichs (Sarkozy's) Vorstellungen in napoleonischer Tradition unterworfen werden. Die Gelegenheit war nie günstiger.

  • Eine ausgezeichnete Analyse! Hier wird aber auch klar und deutlich, dass eine Einigung auf eine von allen getragene gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik unmoeglich ist. Entweder knicken einige Mitglieder ein und werden damit ungluecklich oder – die bessere Idee – man uberlaesst die Wirtschafts- und Fiaklpolitik sowie die Haushaltsverantwortung bei den souveraenen Mitgliedsstaaten. So war das naemlich bei der Gruendung gedacht!

  • Tja, so scheint es zu sein. Über´m Tisch grinst man sich freundlich an und gibt sich Küsschen, unter´m Tisch tritt man sich in´s Knie. Die Frage ist, wer hat den stabileren "Unterbau" und verträgt die Trittattacke besser und wer hat als erster den Miniskusschaden, der ihn dazu zwingt eine Auszeit zu nehmen oder einzuknicken. Madame Knickfuß oder Herr Stelzfuß auf dem Holzbein?
    Völlig unübersichtliche Lage.
    Vielleicht reibt man sich ja auch nach den Attacken wieder an den Knien und findet irgendeine Art gegenseitigen Verstehens und ein kleines "ganz neues" Baby wird geboren. Wer weiß.

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