Gastkommentar – „Global Challenges“: Der Westen und Afghanistan: Ein Jahr Erfolg, 19 Jahre Scheitern

Jürgen Trittin ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags. Er war Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen und in der Regierung von Gerhard Schröder Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Aus dem geplanten „Gemeinsam-raus“ wurde eine planlose Flucht, bei der die Bundesregierung 40.000 Ortskräfte mit ihren Familien in Afghanistan zurückließ. Die dienen den Taliban nun als Geiseln beim Poker um finanzielle Unterstützung und politische Anerkennung. Das Ausmaß des handwerklichen Desasters von Angela Merkel und Heiko Maas ist atemberaubend.
Doch die geostrategischen Konsequenzen des Scheiterns der Nato in Afghanistan weisen über den moralischen Bankrott und den Dilettantismus der Bundesregierung hinaus. Mit Afghanistan endet ein Zeitalter.
Es endet die Ära des humanitären Interventionismus. Sie begann auf dem Balkan in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Nach dem Ende des Kalten Krieges mussten dort die Deutschen und mit ihnen die Grünen lernen, dass man angesichts schwerster Menschenrechtsverletzungen auch durch Nichthandeln schuldig werden kann.
Aus dieser Erfahrung erwuchs die Idee der humanitären Intervention. Nach „Nie wieder Krieg“ wurde der Krieg wieder zur Ultima Ratio, um Völkermord zu verhindern und internationales Recht durchzusetzen. Zwar konnte auch auf dem Balkan ein massives Sicherheitsinteresse Europas nicht geleugnet werden. Es verfestigte sich aber ein Konsens, wonach das Militär zur Durchsetzung der Herrschaft des Rechts ein Zeitfenster für politische Lösungen schaffen könne.





