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Gastkommentar Die Automobilbauer müssen beim Thema Batterie-Rohstoffe aufwachen

Batterie-Mineralien wie Kobalt und Lithium lagern auch in europäischen Böden. Wir sollten sie abbauen – und so geopolitisch unabhängiger werden, meint Roberto García Martínez.
17.08.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Roberto García Martínez ist Vorstandsvorsitzender von Eurobattery Minerals, einem  schwedisches Bergbauunternehmen mit Hauptsitz in Stockholm. Das Unternehmen ist an den Börsen Stockholm und Stuttgart notiert. Quelle: Eurobattery Minerals, Montage
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Roberto García Martínez ist Vorstandsvorsitzender von Eurobattery Minerals, einem schwedisches Bergbauunternehmen mit Hauptsitz in Stockholm. Das Unternehmen ist an den Börsen Stockholm und Stuttgart notiert.

(Foto: Eurobattery Minerals, Montage)

Schon immer war die Batterie die Herzkammer eines jeden Autos und damit ein entscheidender Baustein der Automobilindustrie. Obwohl diese Industrie fast alle notwendigen Komponenten in Deutschland und Europa produzieren kann, ist sie ausgerechnet bei den erforderlichen Rohstoffen für moderne Batterien abhängig von Staaten, bei denen menschenwürdige Arbeitsbedingungen oder Umweltschutz nicht unbedingt hoch im Kurs stehen – das gilt etwa für die Demokratische Republik Kongo, für China oder Chile.

Kupfer, Nickel, Lithium, Kobalt und Seltene Erden werden aus diesen Ländern importiert, was eine wirklich nachhaltige Produktion von Batterien geradezu ausschließt. Warum das so ist? Weil der Bergbau in Europa sich historisch auf den Abbau von Kohle konzentriert hat, den Katalysator unserer Industrialisierung und unseres Wohlstandes, der nun aber weitgehend abgewickelt wird.

Die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union wollen von der „schmutzigen“ Kohle nichts mehr wissen. Sollen die mit der Rohstoffgewinnung verbundenen CO2-Emissionen und Umweltschäden doch woanders stattfinden – Hauptsache wir setzen auf Elektromobilität.

Das ist scheinheilig – und etwa mit dem unlängst in Deutschland beschlossenen Lieferkettengesetz, das Anfang 2023 in Kraft tritt, auch nicht mehr lange durchhaltbar: Produzenten müssen gegenüber Konsumenten umfassend Rechenschaft ablegen, woher sie ihre Zulieferungen und Rohstoffe erhalten. Wir werden es uns also in naher Zukunft nicht mehr leisten können, zulasten von Kinderarbeit im Kongo oder auf Kosten indigener Völker in Chile in einer Art Neokolonialismus die Zutaten für unseren Wohlstand und unsere angestrebte Klimaneutralität zu beziehen.

Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Primat der Menschenrechte, Verurteilung von Kinderarbeit – all das klingt reichlich unglaubwürdig, wenn unsere „elektrische Revolution“ umweltverschmutzende und menschenunwürdige Bedingungen in Batteriemineralien-Exportländern billigend in Kauf nimmt. Wir können die Vision eines klimaneutralen Europas nicht verwirklichen und zugleich Arbeitnehmerrechte und menschliche Gesundheit in anderen Teilen der Welt weitgehend ignorieren.

Der Druck auf alle Beteiligten steigt

Mercedes Benz geht bereits in die Richtung verantwortungsvoller Rohmaterialien-Beschaffung. Laut Produktionsvorstand Markus Schäfer will der Autobauer künftig die Anforderungen für die Auditierung von Minen erhöhen. Lieferanten müssen sich dann am strengen Bergbaustandard Irma (Initiative Responsible Mining Assurance) orientieren. Andere deutsche Autokonzerne haben ähnliche Ziele und streben einen nachhaltigen, umweltverträglichen und menschenwürdigen Abbau der Batterieminerale an.

Doch die Zeit drängt: Nach dem Klimaschutzplan der Bundesregierung sollen allein in Deutschland 2030 sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sein. Das klingt (noch) utopisch, wäre aber zumindest unter künftigen Bundesregierungen nicht auszuschließen, sollten die Grünen an ihnen beteiligt sein. Das aber bedeutet: Der Druck auf alle Beteiligten wird steigen, seien es nun Autobauer, Zulieferer oder Rohstofflieferanten.

Aber wie kann die Versorgung mit kritischen Rohstoffen, ohne die E-Mobilität nicht denkbar ist, angesichts stark steigender Nachfrage realisiert werden? Die Antwort: mit einem eigenen, verantwortungsbewussten und nachhaltigen Bergbau. Sollte Europa diesen Weg nicht beschreiten, bleibt es erpressbar. Der Streik in den chilenischen Kupferminen Ende Mai etwa führte zu einem starken Anstieg der Preise von Kupfer, neben Nickel und Lithium eines der wichtigsten Mineralien für die Batterieproduktion.

Ein Produktionsstopp in Chiles global relevanten Kupferminen hat direkte Auswirkungen auf Angebot und Preis. Im Januar 2021 kostete die Tonne Kupfer noch rund 6.400 Euro, im Juli waren es schon 8.200 Euro – Tendenz steigend. Längst hat ein weltweites Rennen um Kupfer, Kobalt und Co. eingesetzt.

Europa ist sehr verletzlich

Experten schätzen die weltweiten Kobaltvorräte auf 7,2 Millionen Tonnen, bei den Lithium-Reserven gehen sie von 14,5 Millionen Tonnen aus, die vor allem in Chiles und Chinas Erde liegen. Die globalen Nickelvorräte schätzt man auf 78 Millionen Tonnen, sie finden sich hauptsächlich in der Russischen Föderation, in Kanada, Indonesien und auf den Philippinen. Heute werden etwa 75 Prozent aller für Batterien benötigten Mineralien und Metalle in Südamerika, China und Afrika gewonnen. Den Rest teilen sich im Wesentlichen Australien, Indonesien, die Philippinen, Russland und Marokko.

Europa spielt in diesem globalen Wettstreit um die Rohstoffe der Zukunft als Produzent keine Rolle, als Abnehmer allerdings eine große. Damit hat der „alte Kontinent“ zwar eine gewisse Marktmacht, ist aber auch sehr verletzlich. Zuletzt zeigte sich das an Lieferengpässen bei Halbleitern, die in der Automobilindustrie zeitweise zu Kurzarbeit oder sogar vorübergehenden Produktionsstopps führten. Unsere Lieferketten sind empfindlich und leicht verwundbar.

Die Europäische Kommission hat diese Situation für unhaltbar erklärt und im vergangenen September einen Aktionsplan zu kritischen Rohstoffen vorgelegt. In ihrer Stellungnahme vom März 2021 betont die Kommission, die EU-Mitgliedstaaten müssten sich „im Rahmen des Möglichen langfristig auch aus eigenen Quellen mit Rohstoffen versorgen und vorausschauende Entwicklungsstrategien erarbeiten“.

Das aber bedeutet auch, dass Europa den wegen seiner „schmutzigen Historie“ geächteten Bergbau wieder aufnehmen muss – allerdings keinen Bergbau, bei dem wie früher Tausende Kumpel mit Grubenlampen und Thermoskanne in den Berg fahren, früh an Staublunge sterben oder bei Stollenunglücken umkommen. Der moderne Bergbau arbeitet mit hochtechnisierten Methoden minimal invasiv, er hinterlässt keine riesigen Abraumhalden und verseuchten Böden, sondern mit entsprechenden Nachnutzungskonzepten tatsächlich blühende Landschaften. Man nennt das „clean mining“, also „sauberen Bergbau“.

An die Kinder im Kongo denken

Unbezweifelbar ist, dass in Europa sämtliche für moderne Autobatterien benötigten Mineralien gefördert werden könnten – in Finnland, Schweden, Spanien, Österreich und in Deutschland. Lithium, Kupfer, Nickel, sogar Seltene Erden – alles steckt in den Böden des „alten Kontinents“, Experten zufolge wäre ein Selbstversorgungsgrad von bis zu 70 Prozent möglich. Dazu müssten allerdings die ungeheuer hohen und zeitraubenden bürokratischen Hürden überwunden werden.

Derzeit dauert es vom Erwerb einer Mine bis zur marktreifen Mineralienförderung nicht selten zehn Jahre. Das kann so nicht bleiben. Wir müssen den Mut haben, modernen und umweltschonenden Bergbau wieder zuzulassen. So könnten Deutschland und Europa zu einer umweltfreundlichen, ethisch verantwortbaren und stabilen Versorgung unserer Green-Tech-Industrien mit Batteriemineralien beitragen. Dazu ist ein Umdenken erforderlich: Wir brauchen wieder mehr moderne Minen. Dem Klima zuliebe. Und den Kindern im Kongo.

Der Autor: Roberto García Martínez ist Vorstandsvorsitzender von Eurobattery Minerals, einem schwedisches Bergbauunternehmen mit Hauptsitz in Stockholm. Das Unternehmen ist an den Börsen Stockholm und Stuttgart notiert.

Mehr: Wie E-Autos wirklich „made in Europe“ sein können.

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