Gastkommentar: Die EU sollte mit Trump kooperieren, statt seine Amtszeit auszusitzen

Präsident Donald Trump ist der ultimative Außenseiter – ein mutiger Geschäftsmann, der unbequeme Fragen stellt, die typische Politiker aus Angst vor Kritik nicht zu stellen wagen.
Die Deutschen wissen das nur zu gut: Trump hatte recht, als er Bundeskanzlerin Merkel in Bezug auf die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 und die Verteidigungsausgaben in die Mangel nahm. Trumps harte Haltung im Handel ist darauf zurückzuführen, dass er seit Jahrzehnten miterlebt, wie hart die Globalisierung für viele Amerikaner aus der Arbeiterklasse ist.
Trump ist bereit, erhebliche Risiken einzugehen, um die Handelsordnung für diese vergessenen Amerikaner wieder ins Gleichgewicht zu bringen – und das hat in Brüssel und den europäischen Hauptstädten für Unmut gesorgt. Einige haben Trumps unkonventionelle Methode herablassend als Chaos abgetan.
Das ist ein schwerwiegender Fehler. Trumps disruptive Taktik offenbart etwas Tieferes: die dringende Notwendigkeit einer ehrlicheren und nachhaltigeren transatlantischen Wirtschaftsbeziehung.
Die europäischen Staats- und Regierungschefs mögen Trumps Methoden ablehnen, aber sie sollten seine klare Sicht der Machtverhältnisse zu schätzen wissen. Der bisherige Ansatz – langwierige multilaterale Prozesse, die es schlechten Akteuren ermöglichten, das System auszunutzen – hat nachweislich versagt, nachhaltige Handelsbeziehungen zu schaffen oder Chinas merkantilistische Bedrohung für die USA und die EU anzugehen.
Trumps konfrontativer Stil ist kein Zufall – er ist essenziell, um längst überfällige Verhandlungen zu erzwingen. Und er funktioniert. Trumps Druck auf die Nato-Verbündeten, ihre Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen, hat das Bündnis gestärkt.
US-Politiker sind von der Verhandlungsstrategie der EU frustriert
Seine Handelsprovokationen dienen einem ähnlichen Zweck: der Beendigung der gemütlichen Arrangements, die vielen Nationen eine Freifahrt auf Kosten der amerikanischen Wirtschaft ermöglicht haben.
Die Kontroverse um die Digitalsteuer veranschaulicht diese Dynamik perfekt. Die europäischen Länder haben diese Steuer eingeführt, um amerikanische Technologiegiganten ins Visier zu nehmen – im Wesentlichen versuchen sie, sich Teile der US-Steuerbasis anzueignen.
Als Kanada versuchte, ein ähnliches System einzuführen, erhöhte Trump den Druck, und Kanada erklärte sich schnell bereit, seine Digitalsteuer zurückzuziehen. Das war keine Kapitulation, sondern die Erkenntnis, dass nachhaltige Partnerschaften gegenseitigen Respekt erfordern und nicht einseitige Vorteilsnahme.
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Trump hat in der amerikanischen Politik einen Standard gesetzt, sich für amerikanische Arbeitnehmer und Verbraucher einzusetzen.
Die Frustration über die europäischen Verhandlungstaktiken im Handel reicht Jahrzehnte zurück und ist in Washington parteiübergreifend. Trumps Unzufriedenheit mit Merkel war legendär.
Weniger bekannt ist, dass US-Beamte Merkels Vorschlag für ein umfassendes Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA an Präsident Bush ablehnten, weil sie keinerlei Vertrauen hatten, dass ein liberales Handelsabkommen mit der EU ausgehandelt werden könnte. Die Bemühungen der Obama-Regierung um eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) scheiterten trotz jahrelanger Bemühungen.
Die europäischen Staats- und Regierungschefs mögen die amerikanische Unnachgiebigkeit für diese Misserfolge verantwortlich machen, aber sie sollten eine unangenehme Wahrheit anerkennen: US-Politiker aller Couleur sind von der Verhandlungsstrategie der EU frustriert.
Das Muster kehrt immer wieder: großspurige Ankündigungen, gefolgt von endlosen verfahrenstechnischen Komplikationen, die sinnvolle Fortschritte verhindern.
Als größter Handelsblock der Welt verfügt die EU über erhebliche wirtschaftliche Hebel. Diese Hebel sind jedoch nur dann von Bedeutung, wenn sie konstruktiv eingesetzt werden.
Europa sollte Ergebnisse statt Prozesse bevorzugen
Wie sowohl Bundeskanzler Merz als auch Ministerpräsidentin Meloni klugerweise empfohlen haben, sollte Europa seine reflexartige Bevorzugung von Prozessen gegenüber Ergebnissen aufgeben und stattdessen konkrete, messbare politische Veränderungen aushandeln, die beiden Seiten zugutekommen.
Der Kauf von mehr US-Flüssigerdgas und die Aufstockung der Rüstungsausgaben sind wichtige erste Schritte, die Europa im eigenen Interesse unternehmen sollte. Europa muss jedoch mit Trumps Team auf einer breiteren, konkreteren Ebene zusammenarbeiten, anstatt zu hoffen, seine Präsidentschaft durch Verzögerungstaktiken zu überdauern.
Vor allem kommen diese Verzögerungen dem gemeinsamen Gegner Europas und der USA entgegen: China, das die globalen Märkte systematisch verzerrt.
Chinas Exportdominanz ist nicht einfach das Ergebnis von Wettbewerbsvorteilen, sondern das Produkt eines inländischen Wirtschaftsmodells, das den Konsum unterdrückt und die Produktion durch finanzielle Repression künstlich subventioniert.
Chinesische Haushalte sparen nicht freiwillig übermäßig viel, sondern weil ihre Regierung unzureichende soziale Sicherheitsnetze bietet und Investitionen beschränkt. Diese erzwungene Sparschwemme fließt in massive Industriesubventionen und schafft Überkapazitäten, die die globalen Märkte mit künstlich billigen Waren überschwemmen. Das Ergebnis schadet der industriellen Basis sowohl in Europa als auch in Amerika.
EU und USA haben die Marktmacht, Chinas Exportpolitik infrage zu stellen
Chinas Exportpolitik ist tief in Pekings autoritärem Regierungsmodell verankert, sodass sie durch herkömmlichen diplomatischen Druck nur sehr schwer zu ändern ist. Aber Europa und Amerika verfügen gemeinsam über die Marktmacht, um die verzerrten Praktiken der Volksrepublik China infrage zu stellen.
Trumps Bereitschaft, den wirtschaftlichen Einfluss Amerikas zu nutzen, zwingt die Nationen, schwierige, aber notwendige Entscheidungen zu treffen, anstatt sich hinter diplomatischen Höflichkeiten zu verstecken. Für Europa ergibt sich daraus eine Chance: sich ernsthaft für Handelsreformen und eine China-Politik einzusetzen – und einen mächtigen Verbündeten bei der Neugestaltung der globalen Wirtschaftsregeln zu gewinnen.
Wenn die EU sich dagegen wehrt, läuft sie Gefahr, ins Abseits zu geraten, während Amerika bilaterale Lösungen verfolgt. Die Entscheidung für Europa ist klar: sich an diese neue Realität anpassen und sie mitgestalten – oder von der Seitenlinie aus zusehen, wie die globale Wirtschaftsordnung ohne europäischen Einfluss Gestalt annimmt.






Trumps Fokus auf unbequeme Fragen wird nicht verschwinden – ebenso wenig wie die zugrunde liegenden Probleme, die sie offenbaren. Die beste Strategie für Europa ist es, konstruktiv mit seiner Regierung zusammenzuarbeiten, solange es noch die Möglichkeit hat, Einfluss auf die Ergebnisse zu nehmen. Die Alternative – auf einen schwächeren amerikanischen Präsidenten zu warten – ist ein Luxus, den sich Europa in einer Zeit verschärfter Großmachtkonkurrenz nicht mehr leisten kann.
Der Autor: Kenneth R. Weinstein war jahrelang Präsident der konservativen Denkfabrik Hudson Institute, wo er heute noch einen Lehrstuhl innehat. Er hat Trump in dessen erster Amtszeit beraten.
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