Gastkommentar Die EZB braucht ein klares Mandat

Der Autor ist Direktor des Instituts für Recht und Ökonomik an der Universität Hamburg.
Was haben der Klimawandel und die Europäische Zentralbank miteinander zu tun? Mehr, als man denkt – Vordenker in Zentralbankkreisen sind derzeit dabei, die EZB-Agenda in Richtung Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit auszurichten. Dabei könnte die EZB etwa im Rahmen ihrer massiven Anleihekaufprogramme gewissen Parametern folgen und nachhaltige oder grüne Investitionsobjekte bevorzugen. Die zentrale Frage lautet: Darf die Zentralbank das eigentlich?
Prinzipiell ist die EZB in erster Linie dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet. Die europäischen Verträge legen aber fest, dass die Zentralbank auch die „allgemeine Wirtschaftspolitik“ der EU unterstützt, soweit dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität möglich ist.
Zu dieser allgemeinen Wirtschaftspolitik gehören fraglos auch ein hohes Maß an Umweltschutz und die Verbesserung der Umweltqualität. Jedoch muss sich jede Zentralbankaktivität dem übergeordneten Ziel der Preisstabilität unterordnen. Lässt sich mit Umweltschutz Preisstabilität erzielen?
Einige werden hier zu Recht skeptisch sein. Von zentraler Bedeutung könnte aber die gelebte Praxis der letzten Jahre sein. Bekanntermaßen startete die EZB unter Mario Draghi zur Bekämpfung der Folgen von Finanz- und Staatsschuldenkrise ein massives Ankaufprogramm, mit dem Ziel, Liquidität in die Märkte zu pumpen und die Inflation anzuheben.
Schon damals handelte man in einer rechtlichen Grauzone, und nicht wenige Kritiker sahen diese Aktivitäten als rechtlich unzulässig an. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch in mehreren Entscheidungen der Zentralbank einen weiten Ermessensspielraum zugebilligt, welche Maßnahmen zur Erzielung von Preisstabilität erforderlich sind.
So erschien insbesondere ein Ankaufprogramm erforderlich, um den Euro überhaupt zu retten: Wenn der Euro insgesamt scheitert, besteht auch keine Preisstabilität mehr. Damit hatte Draghi de facto freie Hand, die Politik der EZB nach seinen Vorstellungen aufzustellen und auszubauen. Während der Krisenjahre war dies sicherlich auch ein sinnvoller Gewinn an Flexibilität, der zur Stabilisierung des Euros beitrug.
Genau diese Entwicklungen könnten jetzt auch Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde zupasskommen. Denn die bewusst weite Interpretation des EZB-Mandats während der Finanzkrise eröffnet nun die Möglichkeit, dass auch umweltbezogene Maßnahmen in den Aufgabenkanon der Zentralbank einbezogen werden könnten. Die EZB muss lediglich plausibel darlegen können, dass Investitionen in umweltorientierte Wertpapiere auch und zumindest indirekt der Preisstabilität des Euros dienen sollen.
Der rechtliche Rahmen räumt der Zentralbank ein hohes Maß an Unabhängigkeit ein
Angesichts der drohenden oder bereits sichtbaren wirtschaftlichen Risiken des Klimawandels – wie etwa den Bränden in Brasilien und Australien, der Flüchtlingswelle, den Folgen von Missernten sowie möglichen (Rück-)Versicherungsrisiken – wird dies zumindest vertretbar erscheinen.
Benoît Cœuré, bis 2019 Mitglied des EZB-Direktoriums, hat bereits betont, dass der rechtliche Rahmen der Zentralbank ein hohes Maß an Unabhängigkeit einräumt und ein weites Ermessen bei der Umsetzung ihrer Politik zubilligt. Sollte sich die EZB tatsächlich dazu entschließen, in umweltfreundliche Ziele zu investieren, könnte sie sich wohl hinter dieser Position verschanzen und gegen orthodoxe Kritiker verteidigen.
Andererseits wären bei einer solchen Ausdehnung des Zentralbankmandats der Verfolgung unterschiedlichster politischer Ziele Tür und Tor geöffnet.
Was ist, wenn die Zentralbank als Nächstes etwa auf die Einhaltung von Menschenrechten dringt und ihre Investitionspolitik daran ausrichtet? Es ist offenkundig, dass hier auch ein demokratisches Grundsatzproblem droht, denn derartige Richtungsentscheidungen sollten prinzipiell einer gewählten Instanz vorbehalten bleiben.
So wird es etwa zum Schwur kommen, wenn die EZB entscheiden muss, was genau als „umweltfreundlich“ und damit förderungswürdig zu gelten hat: Gehört etwa auch die Atomenergie dazu? Hier scheiden sich die Geister – während Deutschland das sicherlich ablehnen würde, wird die Atomenergie in Frankreich immer noch als saubere Alternative wahrgenommen.
Ganz abgesehen von diesen Detailfragen bleibt der Befund, dass die flexible Handhabung der EZB-Maßnahmen während der Finanzkrise nun unerwartete Folgen haben und als Grundlage für eine Neuausrichtung der Zentralbankpolitik in Europa genutzt werden kann. Ein klarer, verlässlicher Rahmen für das Mandat der EZB und eine gegebenenfalls aktualisierte Aufgabenumschreibung wären diesem Machtzuwachs im Graubereich in jedem Fall vorzuziehen.
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Hier soll der Weg in eine EZB-Diktatur geebnet werden, ohne dass die Wähler der EU auch nur die geringste Mitsprache haben. Wenn man Preisstabilität so denkt, dann gibt es keinen Punkt der Politik den diese nicht tangiert und somit nicht der EZB-Diktatur untersteht.
Endlich hat die EU einen Weg gefunden ohne von Regierungen und Wählern gehindert zu werden, sich in einen Tyrannis zu verwandeln. Ein Gefängnis bleibt ein Gefängnis auch wenn man es goldfarben anstreicht. Doch bei einem Tyrannis sind nur die Paläste Goldfarben und Prachtvoll der Rest ist grau und dem Verfall preis gegeben. Nur UK hat dies rechtzeitig erkannt. Die scheindemokratische Maske der EU und EZB fällt. Wer den Europäische Gerichtshof als frei und unabhängig bezeichnet hält auch Gerichte in China als frei und unabhängig. Die Richter sind politisch korrekte handverlesene linientreue Politiker. Wer glaubt vor den EuGH wird Recht gesprochen glaubt auch an den Osterhasen. Das sind politische Schauprozesse die so ausgehen wie EZB oder die Mehrheit im Ministerrat dies wollen. Einem Urteil vom EuGH messe ich soviel bei wie einem Urteil eines chinesischen Gerichts, da frage ich doch besser gleich die chinesische Regierung wie entschieden wurde.