Gastkommentar Die Frauenquote hilft nur, wenn sie auch ernst genommen wird

Peter Ruhwedel ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Deutschen Instituts für Effizienzprüfung und Professor für Strategisches Management und Organisation an der FOM Hochschule in Duisburg.
Die immer lauteren Forderungen von Investoren nach mehr Diversität in Vorstand und Aufsichtsrat lassen aufhorchen. Auch seitens der Politik besteht Unverständnis, dass beim Frauenanteil im Topmanagement nicht längst mehr passiert ist. Daher sollen zukünftig börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern und mindestens vier Vorstandsposten bei Neubesetzungen mindestens eine Frau berufen. Bei der ebenfalls intensiv diskutierten Ausweitung der Aufsichtsratsquote von 30 Prozent bleibt dagegen alles beim Alten – vorerst.
Das Einbringen unterschiedlicher persönlicher und beruflicher Erfahrungen in Vorstände und Aufsichtsräte hilft, gemeinsam neue Wege zu finden – gerade in Krisensituationen. Doch unsere Analyse der Dax-Aufsichtsräte zeigt, dass eine Quote nicht zwangsläufig dazu führt, dass die unbestrittenen Vorteile diverser Teams genutzt werden. Denn obwohl der Frauenanteil in den Dax-Aufsichtsräten seit dem Jahr 2010 von 14,4 Prozent auf 36,5 Prozent gestiegen ist, dominieren Männer weiterhin die Führungsrollen in den Gremien.
Die Machtzentrale der Aufsichtsräte liegt in den Ausschüssen, bei ihren Vorsitzenden sowie insbesondere beim Aufsichtsratsvorsitzenden. Doch hier hapert es noch mit der Frauenbeteiligung. So liegt der Frauenanteil in den Ausschüssen mit 26,1 Prozent über zehn Prozentpunkte unter ihrem Anteil in den Gremien.
Bei den Ausschussvorsitzenden sieht die Situation noch schlechter aus – hier liegt der Frauenanteil lediglich bei 13,3 Prozent. Und nur der Aufsichtsrat von Henkel wird von Simone Bagel-Trah als Familienvertreterin geleitet. Erfüllung der Frauenquote: ja. Aufnahme in den Inner Circle: bisher nur eingeschränkt.
Doch dafür gibt es Gründe. So ist nachvollziehbar, dass Rollenwechsel im Aufsichtsrat Zeit in Anspruch nehmen. Während jedoch männliche Kandidaten häufig direkt für den Aufsichtsratsvorsitz oder den Vorsitz des wichtigen Prüfungsausschusses vorgesehen sind, verbleiben Frauen oftmals in der Rolle des einfachen Aufsichtsratsmitglieds. Beförderung in einen Ausschuss nicht ausgeschlossen.
Eine weitere Ursache ist eine Machtkonzentration bei den Aufsichtsratsvorsitzenden. Sie übernehmen häufig zugleich den Vorsitz in der Mehrzahl der Ausschüsse. Hierdurch ist die Zahl der Ausschussvorsitze, die Frauen übernehmen könnten, begrenzt. Ganz anders macht es etwa der in der Vergangenheit häufig gescholtene Deutsche-Bank-Aufsichtsrat. Paul Achleitner leitet nur zwei der acht ständigen Ausschüsse, was dazu beiträgt, dass die Hälfte aller Ausschüsse des Aufsichtsrats durch Frauen geführt wird – vorbildlich!
Die Aufsichtsratsvorsitzenden sind gefordert
Was ist also zu tun, um die Vorteile diverser Teams besser nutzen zu können?
Erstens: Hier sind zunächst die Aufsichtsratsvorsitzenden gefordert, die den Mehrwert von gemischten Teams anerkennen und durch eine diverse Besetzung von Schlüsselpositionen ihren Aufsichtsrat umgestalten müssen. Darüber hinaus müssen sie sich dem unbequemen und zeitaufwendigen Weg stellen, die unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen in Richtung eines gemeinsamen Standpunkts zu moderieren. Denn die Erhöhung der Diversität ist nur der erste Schritt. Daneben sind eine inklusive Gremienkultur und die organisatorische Verankerung von Diversität notwendig.
Zweitens: Die Anstrengungen, die am besten geeignete Kandidatin oder den bestmöglichen Kandidaten zu finden, müssen weiter erhöht werden. Dies sollte insbesondere über systematische und kompetenzorientierte Auswahlprozesse erfolgen, deren Ergebnis auch einer Begründung gegenüber den Aktionären standhält. Neben der Eignung einer Person muss es dabei auch um ihren Beitrag zum Diversitätsprofil des Gremiums gehen. Hier können die Investoren mit ihrer Stimme in der kommenden Hauptversammlungssaison zeigen, dass ihnen das Thema am Herzen liegt.
Eine angemessene Vergütung ist nötig
Drittens: Wichtig ist zudem eine klare Performanceorientierung der Gremien. Ein Aufsichtsratsmandat darf nicht als Abrundung einer erfolgreichen Karriere verstanden werden. Im Vordergrund muss der Leistungsbeitrag jeder einzelnen Person im Aufsichtsrat stehen. Dies erfordert zugleich eine angemessene Vergütung.
Viertens: Und schließlich darf auch eine ausgeprägte „Independence of mind“ nicht fehlen. Hiermit ist die notwendige persönliche Unabhängigkeit gemeint, sich auch in kritischen Situationen nicht dem Gruppendruck zu beugen und seinen eigenen Standpunkt klarmachen zu können.
Der eingeschlagene Weg zu einer stärkeren Beteiligung von Frauen und einer insgesamt größeren Diversität ist unabdingbar. Aufsichtsräte sind in der Pflicht, die Diversitätspotenziale zu nutzen – für sich und „ihre“ Vorstände.
Der Autor ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Deutschen Instituts für Effizienzprüfung und Professor für Strategisches Management und Organisation an der FOM Hochschule in Duisburg.
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