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Gastkommentar Die Geldmenge steigt und steigt und steigt – ab wann droht Inflation?

Die Banken der Euro-Zone horten jede Menge Geld – bislang ohne inflationäre Folgen. Das Potenzial für Preissteigerungen ist aber beachtlich, analysieren Dirk Meyer und Arne Hansen.
19.03.2021 - 04:06 Uhr Kommentieren
Dirk Meyer (l.) ist Leiter des Instituts für Volkswirtschaftslehre der Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg, Arne Hansen ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Die Autoren

Dirk Meyer (l.) ist Leiter des Instituts für Volkswirtschaftslehre der Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg, Arne Hansen ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Als Reaktion auf die Coronakrise haben die Notenbanken des Euro-Systems die Menge an Zentralbankgeld (M0) noch schneller ausgeweitet, als es in den letzten Jahren bereits zu beobachten war. Diese – auch als Geldbasis bekannte – Geldmenge umfasst das Bargeld bei Banken, Unternehmen und privaten Haushalten sowie die Guthaben der Banken bei der Zentralbank.

Sie ist der Ursprung jeglicher Liquidität. Jene Geldbasis war im Januar erstmalig größer als fünf Billionen Euro – ein Anstieg um 60 Prozent seit dem Vorjahresmonat und eine Vervierfachung gegenüber dem Jahr 2014.

Aktuell hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) zudem beschlossen, das Tempo der Anleihekäufe im zweiten Quartal noch deutlich zu erhöhen. Allein durch die bereits beschlossenen Wertpapierankaufprogramme dürfte bis März 2022 ein Gesamtvolumen von rund 6,3 Billionen Euro erreicht werden. Da die Preise, gemessen am Verbraucherpreisindex HVPI, bis zum Jahreswechsel sogar sanken, ging damit bis dato offensichtlich kaum Inflationsgefahr einher.

Vorwiegend ist das dem Umstand geschuldet, dass die in großem Umfang geschaffene zusätzliche Liquidität den Wirtschaftskreislauf gar nicht erst erreicht – sie wird von den Geschäftsbanken auf ihren Konten bei den Zentralbanken belassen, statt sie zur Vergabe von Krediten zu verwenden.

Dies ist ein einschlägiges Symptom der Diagnose „Liquiditätsfalle“. Das Ausmaß des Geldhortens wird deutlich, wenn man die Geldmengenentwicklung von M0 vergleicht mit jener von M1, welche das Bargeld bei Unternehmen und privaten Haushalten sowie die täglich fälligen Einlagen bei den Geschäftsbanken umfasst.

Das Verhältnis von M0 zu M1 stieg ab dem Beginn der Anleihekäufe (APP) im Jahr 2015 deutlich an und hat sich seither mehr als verdoppelt. Allein zwischen März und Dezember des letzten Jahres wuchs die Relation von 0,34 auf 0,48. Dieser Indikator weist auf einen – im Vergleich zu normalen geldpolitischen Zeiten – enormen Anstieg des zukünftig noch ausschöpfbaren Liquiditätsspielraums der Geschäftsbanken hin.

Im derzeitigen Umfeld der krisenbedingten Liquiditätsvorsorge und mangelnder rentabler Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen ist die Geldhortung der Banken nachvollziehbar. Einstweilen sind anhaltende inflationäre Tendenzen auch nicht absehbar.
Grundsätzlich können die Banken das trockene Pulver jedoch irgendwann für die Kreditvergabe verwenden, also dem Wirtschaftskreislauf zuführen.

Beachtliches Potenzial für Preissteigerungen

Seriöse Prognosen lassen sich hierzu nicht treffen, gleichwohl ist das theoretische Potenzial für Preissteigerungen in Form des entstandenen Geldüberhangs, bemessen am Anstieg der Geldbasis gegenüber dem Bruttoinlandsprodukt (BIP), durchaus beachtlich.

Ein Abbau des mit Beginn der geldpolitischen EZB-Sondermaßnahmen seit 2015 entstandenen Überhangs entspräche einer Geldentwertung von rund 70 Prozent. Vor diesem Hintergrund scheint der Blick auf eine mögliche und etwaig nötige Rückholung des überschüssigen Geldes durch die EZB geboten. Die EZB müsste in dem Fall eine restriktive Geldpolitik verfolgen.

Angesichts des großen Umfangs der erworbenen Wertpapiere – davon überwiegend Staatsanleihen – erscheint ein Verkauf größerer Bestände durch die Notenbanken der Euro-Zone wenig plausibel. Die resultierenden Kursverluste und Zinsanstiege könnten Krisenstaaten den Kreditzugang versperren. Banken und Versicherungen müssten umfängliche Abschreibungen vornehmen. Es würde eine erneute Staaten- und Bankenkrise drohen.

Aktuell wird besonders aus Südeuropa kommend die Idee eines Schuldenerlasses für die teilweise hochverschuldeten Mitgliedstaaten mittels einer Streichung von Staatsschulden im Portfolio des Euro-Systems diskutiert. Anfang Februar forderten 110 Unterzeichner eines Aufrufs eine derartige Abschreibung von 2,5 Billionen Euro an Staatsanleihen.

Schuldenerlass würde Handlungsspielraum der EZB beschränken

Ein solcher Schuldenerlass würde allerdings den Handlungsspielraum der EZB beschränken, zumal dieser bei Gleichbehandlung aller Euro-Staaten und Vermeidung von weiteren Fehlanreizen keine signifikante Entlastung der Staaten bringen würde, wie die Autoren in einer kürzlich veröffentlichten Studie gezeigt haben.

Eine vermeintliche weitere Lösungsalternative bietet die Modern Monetary Theorie (MMT) an. Die Euro-Staaten könnten über Steuererhöhungen Liquidität abschöpfen und damit ihre Staatsschulden bei ihren Zentralbanken einlösen. Abgesehen von mangelndem politischem Interesse – eine Inflation wäre die elegantere Lösung – dürfte das Steuersystem überfordert sein.

Fazit: Die EZB steckt in einer Sackgasse. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Diskussion über ein mittelfristiges Inflationsziel von zwei Prozent, also faktisch das Hinnehmen einer höheren Teuerung, als politisch opportun.

Die Autoren: Dirk Meyer ist Leiter des Instituts für Volkswirtschaftslehre der Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg, Arne Hansen ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Mehr: Kommt die Inflation? Ein Streitgespräch zwischen den Ökonomen Bofinger und Mayer.

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