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GastkommentarDie Neuverdrahtung der Globalisierung

Während sich die geopolitischen Spannungen ausweiten, bleibt der globale Handel stabil. Doch Unternehmen sollten ihre Diversifizierungsstrategien überprüfen, meinen Alexander Börsch und Volker Krug. 13.08.2024 - 03:59 Uhr Artikel anhören
Die Autoren: Volker Krug (r.) ist CEO von Deloitte in Deutschland. Alexander Börsch ist Chefökonom und Leiter Research bei Deloitte in Deutschland. Foto: IMAGO/NurPhoto/Deloitte[M]

Die Globalisierung hatte in den vergangenen Jahren keinen leichten Stand: Zu heftig waren die Rückschläge durch die geopolitischen Entwicklungen. Dennoch ist die Globalisierung keineswegs zum Stillstand gekommen, sondern verändert sich grundlegend. Unternehmen passen sich an und suchen nach Wegen, um mit den geopolitischen Risiken umzugehen. Eine breitere Aufstellung ist der Schlüssel zu mehr Resilienz. Die entscheidende Frage bleibt jedoch: „Wie genau?“

Die globalen Verflechtungen nehmen ab, die Regionalisierung der Weltwirtschaft wächst

Auf den ersten Blick mag es paradox wirken: Getrieben von geopolitischen Spannungen nehmen die globalen Verflechtungen insgesamt ab, doch der globale Handel scheint davon nicht betroffen zu sein. Ein direkter Zusammenhang zwischen Geopolitik und Handel ist laut dem Geoeconomic Dynamics Index von Deloitte zumindest bisher nicht erkennbar. Tatsächlich geht die geopolitische Übereinstimmung seit Jahren weltweit stark zurück, während die Handelsintensität stabil bleibt.

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Gleichzeitig nimmt die Regionalisierung der Weltwirtschaft zu. Und auch die Beziehungen zwischen den westlich befreundeten Ländern werden sowohl geopolitisch als auch wirtschaftlich immer enger, wodurch die abnehmenden globalen Verflechtungen teilweise kompensiert werden. Um mehr als die Hälfte ist der Güterhandel zwischen den westlich orientierten Staaten seit 2016 gewachsen. Deutlich langsamer hat sich der Handel zwischen Europa und den BRICS-Staaten entwickelt – mit 26 Prozent fällt der Anstieg innerhalb der vergangenen acht Jahre nahezu verhalten aus.

Und die Unternehmen hierzulande? Sie müssen sich umorientieren. Die Umbrüche, die durch die Neuausrichtung der Investitionsziele entstehen, sind enorm. Laut dem aktuellen Deloitte CFO Survey haben Indien und die USA für über 40 Prozent der befragten exportorientierten Unternehmen mittelfristig hohe Priorität. China ist nur noch für ein Viertel der Firmen ein wichtiges Investitionsziel. Wer seine Rohstoffabhängigkeit verringern will, richtet den Blick zudem nach Südamerika.

Geopolitische Risiken spielen für Firmen bei ihrer Standortentscheidung eine zu geringe Rolle

Die Welle der Diversifizierung wird zu neuen Handelskorridoren führen. Das Resultat wäre dann trotz Blockbildung mehr, nicht weniger Globalisierung – allerdings in neuen Ecken der Welt. Die Gewinner dieser Entwicklung zeichnen sich bereits ab. Handel und Investitionen in Ländern wie Vietnam, Indonesien oder Mexiko sind in den vergangenen Jahren geradezu explodiert.

Geopolitische Risiken spielen bei den Standortentscheidungen von Unternehmen bisher eine zu geringe Rolle. Lediglich ein Drittel der Unternehmen hierzulande, so die von Deloitte befragten CFOs, haben solche Risiken auf dem Radar. In einer Wirtschaftswelt, die immer stärker von geopolitischen Faktoren geprägt wird, kann sich eine solche Vernachlässigung rächen.

Was also tun? Die Diversifizierungsstrategien gehören auf den Prüfstand. Der Blick muss sich weiten – über die innenpolitischen Länderrisiken hinaus. Zu oft werden Investitionen gelenkt, ohne genau zu verfolgen, in welche geopolitische Richtung sich die Zielländer entwickeln. Beispiel Neue Seidenstraße: Für die daran beteiligten Staaten in Afrika und Asien sind die Abhängigkeiten von China vielfältiger geworden. Unternehmen, die ihre Produktion von China in Richtung dieser Länder verlagern, sollten daher solche Schritte sorgfältig abwägen. Ein weiteres Beispiel ist der indirekte Handel in Lieferketten. Wenn kritische Rohstoffe und Vorprodukte aus geopolitisch befreundeten Ländern importiert werden, aber ihren Ursprung woanders haben, kann dies zu unerkannten Abhängigkeiten führen.

Unternehmen müssen geopolitische Risiken und Chancen breit streuen – ähnlich wie bei der Geldanlage.
Alexander Börsch und Volker Krug

Unternehmen sind gut beraten, wie Geldanleger zu denken. Ein breit diversifiziertes Portfolio, sowohl geografisch als auch über verschiedene Asset-Klassen hinweg, ist nach wie vor das Grundprinzip einer effektiven Risikostreuung und Eckpfeiler jeder Investmentstrategie. Dieser Grundgedanke muss als Leitlinie dienen, wenn es darum geht, in einer komplexeren und risikoreicheren Weltwirtschaft Lieferketten auszurichten und bestehende Abhängigkeiten zu reduzieren.

Hier sind die Unternehmen in der Pflicht, aber sie benötigen die Unterstützung der Politik. Freihandelsabkommen sind ein Kernelement zur Förderung von Diversifizierung. Die Europäische Union (EU) hatte in letzter Zeit wenig Glück mit bilateralen Handelsverträgen. Die Verhandlungen mit Australien und den Mercosur-Staaten sind gescheitert oder liegen auf Eis. Doch der Freihandel braucht neue Impulse. Abkommen mit den aufstrebenden wirtschaftlichen Schwergewichten Indien und Indonesien sind noch in Verhandlung. Ein erfolgreicher Abschluss wäre ein wichtiges Signal für Deutschland und Europa.

Die Autoren:
Volker Krug ist CEO von Deloitte in Deutschland.
Alexander Börsch ist Chefökonom und Leiter Research bei Deloitte in Deutschland.

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