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Gastkommentar Die Notwendigkeit der atomaren Abrüstung Pakistans wird verschwiegen

Ein Einsatz von Atomwaffen ist unwahrscheinlich – solange die Atommächte vernunftgesteuert agieren. Doch das ist nicht überall gesichert. Ein Gastbeitrag.
  • Michael Wolffsohn
26.06.2018 - 19:20 Uhr 2 Kommentare
Alle reden derzeit vor allem über die Entnuklearisierung Nordkoreas. Besorgniserregend ist die Lage in atomarer Hinsicht woanders. Quelle: AFP
Nordkorea

Alle reden derzeit vor allem über die Entnuklearisierung Nordkoreas. Besorgniserregend ist die Lage in atomarer Hinsicht woanders.

(Foto: AFP)

Atomare Entwaffnung. Wer wollte das nicht? Alle wollen und reden derzeit vor allem über die Entnuklearisierung Nordkoreas. Vergleichbar intensiv ist die Sorge über das atomare Militärpotential des Iran. Das ist verständlich und der Wirklichkeit geschuldet.

Zur Wirklichkeit gehört freilich auch die Tatsache, dass sich die Welt offenbar mit den nuklearen Militärfähigkeiten der USA, Russlands, Chinas, Großbritanniens, Frankreichs, Indiens, Pakistans und Israels mehr oder weniger abgefunden hat.

Dass die Großmächte USA, Russland und China sowie die Mittelmächte Großbritannien und Frankreich gegen ihren Willen atomar abzurüsten, ist ein frommer Wunsch. Er ist ganz und gar unrealistisch. Gleiches gilt für Israel, auch Indien, Pakistan und, ja, Nordkorea, dessen Entnuklearisierung nicht morgen per Knopfdruck vollzogen wird.

Prof. Dr. Michael Wolffsohn ist Hochschullehrer des Jahres 2017, Historiker, Publizist (u.a. „Zum Weltfrieden“, „Wem gehört das Heilige Land“) und Gründer der Walther-Rathenau-Akademie für politische Risikoanalysen.
Der Autor

Prof. Dr. Michael Wolffsohn ist Hochschullehrer des Jahres 2017, Historiker, Publizist (u.a. „Zum Weltfrieden“, „Wem gehört das Heilige Land“) und Gründer der Walther-Rathenau-Akademie für politische Risikoanalysen.

Diese Fakten sind gewiss beunruhigend, aber einstweilen nicht zu ändern. Die internationale Gemeinschaft hat sich damit offenbar (mehrheitlich) abgefunden. In gewisser Weise ist diese Haltung nachvollziehbar, denn obwohl wahrlich nicht alle Atomwaffenstaaten Demokratien sind, werden sie politisch rational beziehungsweise verstandesmäßig gesteuert. Sie sind kalkulierbar.

Das bedeutet: Der Einsatz der Atomwaffe ist unwahrscheinlich, weil dieser den eigenen Untergang sowie die Auslöschung des anderen Atomeinsetzenden herbeiführen würde.

Das gilt nicht für Israel – solange es über das regionale Atom-Monopol verfügt. Doch wozu sollte Israel etwa gegen den Iran seine Atomwaffen einsetzen? Es braucht sie nicht, sofern es, wie bislang, militärisch konventionell überlegen ist.
Auch wenn der Iran eines Tages „die Bombe hat“, wird Israel nicht den Erstschlag führen. Es müsste damit rechnen, dass der Iran vor dem eigenen Untergang noch seine A-Bomben abwerfen würde.

Das wäre der garantierte wechselseitige Massen-Selbstmord und für den Iran noch verheerender. Warum? Weil Israel, anders als der Iran, über die Fähigkeit zum atomaren Zweitschlag verfügt.

Auch Gegner und Kritiker der iranischen Mullah-Diktatur räumen ein, dass Teherans Politik im Kern rational gesteuert wird – auch wenn sie uns missfällt. Das bedeutet: Ein atomarer Iran ist alles anderer als ein erwärmender Gedanke, aber keine heiße Atomkriegsgefahr.

Das verringert die regionale Kriegsgefahr durch den Iran nicht. Vielmehr ist mit einem verstärkten konventionellen Wettrüsten zwischen dem Iran einerseits und Israel plus Saudi-Arabien andererseits zu rechnen. Das auf absehbare Zeit weiterhin rückständige Saudi-Arabien wird gegen die bevölkerungsreiche Bildungsrepublik Iran, Erbe einer ehrwürdigen Hochkultur, in diesem Wettbewerb konventioneller IT-Kriegsführung nicht mithalten können.

Auch Israel nicht, weil es wirtschaftlich und bevölkerungspolitisch auf Dauer dem Iran unterliegt. Das also ist der Kern der iranischen Atomrüstung: Israel und die Saudis langfristig durch den konventionellen Waffen-Wettlauf militärisch oder wirtschaftlich niederzuringen.

Nordkorea braucht Atomwaffen nicht gegen Feinde von außen. Wer sollte, wer wollte es zerstören? Niemand wirklich. Die militärische Nuklearisierung ist für Nordkorea der Joker, um Hochtechnologie, Infrastruktur und Wirtschaftshilfe zu Best-Bedingungen zu bekommen. Sobald diese kommen, braucht Nordkorea keine A-Bomben. Gefährdet ist die Kim-Diktatur nur von innen.

Innenpolitisch höchst zerbrechlich ist die Atommacht Pakistan. Schon jetzt ist die Tatsache, dass dieser fast kaputte Staat über die Bombe verfügt, höchst beunruhigend. Dass dort Islamisten an die Macht kommen, ist alles andere als ausgeschlossen. Ein Albtraum in jeder Hinsicht.

Noch schlimmer: Ein atomarer Albtraum, dessen Verwirklichung nicht nur Pakistans „Erbfeind“ Indien schreckt, sondern die ganze Welt alarmieren muss. Ein islamistisch-irrationales Pakistan würde den Einsatz der A-Bombe so wenig ausschließen wie die Weitergabe kleiner, „dreckiger“ A-Materialien an weltweit wütende Terroristen.

Darüber wird nicht gesprochen, geschrieben, gedacht. Es ist höchste Zeit. Wenn Deutschland die Deutschen und die übrigen europäischen Staaten ihre Bürger schützen möchten, hätte man längst begonnen haben müssen, sich mit der atomaren Abrüstung Pakistans zu beschäftigen zumal weder die iranischen noch nordkoreanischen Atompotentiale ohne Pakistans Hilfe möglich gewesen wären.

Wozu bezahlen wir die vielen „Experten“ in den Regierungsapparaten? Damit sie offenkundige Gefahren verschlafen, verschweigen, verkennen oder „nur“ nicht verstehen?

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2 Kommentare zu "Gastkommentar: Die Notwendigkeit der atomaren Abrüstung Pakistans wird verschwiegen"

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  • Michael Wolffsohn greift ein Thema auf, von dem die deutsche Politik seit Jahrzehnten offiziell nichts wissen will. Dabei ist die Situation durchaus dramatischer, als Wolffsohns zurückhaltende Darstellung vermuten lässt - siehe z.B.: https://das-blaettchen.de/2012/11/hinten-weit-in-der-tuerkei-pakistan-die-etwas-andere-atommacht-17609.html.
    Darüber hinaus ist auch Indiens Kernwaffenaufrüstung für die deutsche Politik kein Thema. Und schon gar nicht die Tatsache, dass die Bundesrepublik durch ihr Agieren in der Nuclear Suppliers Group aktiv dazu beigetragen hat, Neu Delhi vom atomare Paria zur quasi offiziellen Atommacht zu adeln und dem Land Rechte (wie den Kauf nuklearen Brennstoffs auf dem internationalen Markt) einzuräumen, die illegalen Atommächten laut Nichtverbreitungsvertrag und Folgevereinbarungen versagt bleiben sollen.

  • Auf die Gefahr der Nuklearmacht Pakistan hinzuweisen ist sehr vernuenftig. Was passiert
    um diese Gefahr abzuwenden also Pakistan zu entnuklearisieren? Nichts! Obama hat
    am Anfang seiner Regierungszeit versprochen sich fuer die globale Entnuklearisierung
    einzusetzen. Der Miltaerapparat der USA hat das zu verhindern gewusst. Abruestung ist
    nur global moeglich und die Amerikaner muessten die Iniatitive ergreifen. Werden sie aber
    nicht tun. Stattdessen wird aufgeruestet - Deutschland und andere Laender will man dazu
    zwingen!

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