Gastkommentar Eine europäische Bankenunion für internationale Geldinstitute hätte viele Vorteile
![Axel Weber ist Verwaltungsratspräsident der UBS Group AG. Quelle: Bloomberg [M]](/images/der-autor/26902524/4-format2020.jpg)
Axel Weber ist Verwaltungsratspräsident der UBS Group AG.
Jetzt, da der Brexit endgültig geklärt ist, sollte sich die EU der Frage widmen, wie sie ihr Bankwesen und ihren Finanzplatz weiterentwickeln und damit die wirtschaftliche Dynamik fördern will. Denn trotz großer Fortschritte bei der Harmonisierung von Regulierung, Aufsicht und Abwicklung von Banken ist die europäische Bankenunion immer noch unvollständig. Zudem dominieren in wesentlichen Bereichen weiterhin die nationalen regulatorischen Anforderungen.
Aus der Sicht einer grenzüberschreitenden Bankengruppe ist die EU kein einheitlicher Wirtschaftsraum, sondern ein Konglomerat aus 27 unterschiedlich regulierten Märkten, mit einem 28. EU-Regulator an der Spitze. Als Folge dieser Fragmentierung leiden die europäischen Verbraucher unter einem eingeschränkten Angebot an Bankdienstleistungen, die europäische Wirtschaft unter einer suboptimalen Versorgung mit Kapital und die europäischen Banken unter unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen, was sie daran hindert, Größenvorteile durch Anwendung neuer Technologien zu nutzen und so mit der amerikanischen Konkurrenz mitzuhalten.
Es gibt zwei mögliche Wege zu einer Bankenunion. Erstens eine Fortführung der bisherigen schrittweisen Harmonisierung und Orientierung am Tempo der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, was noch Jahrzehnte dauern kann und keinen Erfolg garantiert. Oder aber ein regulatorischer Paukenschlag in Form der Schaffung eines einheitlichen europäischen gesetzlichen Rahmens für grenzüberschreitende Bankengruppen.
Ähnlich wie in den USA hätten europäische Banken mit grenzüberschreitenden Aktivitäten dann die Freiheit zu wählen, ob sie EU-weit unter dem neuen EU-Recht reguliert werden wollen oder ob sie weiterhin dem bestehenden Flickenteppich national unterschiedlicher Regulierung unterliegen wollen. Für Bankengruppen, welche sich für das EU-Recht entscheiden, hätte dies mehrere Konsequenzen:
Erstens unterlägen solche Banken in weiten Bereichen nur noch EU-Recht, welches EU-weit konsistent angewendet würde.
Zweitens würden solche Banken nur von der EZB als primäre Aufsichtsbehörde beaufsichtigt.
Drittens dürften diese Banken ihr gesamtes Spektrum an Bankdienstleistungen EU-weit anbieten, von Bankkonten über Zahlungsdienste bis hin zur Kreditvergabe und der Vermögensverwaltung. Analog zum Prinzip der Personenfreizügigkeit gäbe es eine Freizügigkeit für Finanzdienstleistungen – alle Bürger der EU hätten das Recht, dieselben Finanzdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Ein EU-IBAN-Code würde für diese Banken die nationalen Codes ablösen, um die innereuropäischen Hürden im Zahlungsverkehr zu beseitigen.
Einheitlicher EU-Konkursrahmen für Banken
Viertens wären Einlagen auf diesen Banken durch ein gemeinsames EU-Einlagensicherungssystem abgesichert.‧ Ein gemeinsames EU-Einlagensicherungssystem würde allen Kunden EU-weit denselben Schutz garantieren.
Fünftens würden diese Banken einem einheitlichen EU-Konkursrahmen unterliegen. Der Einheitliche Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board) wäre die einzige Behörde, die im Falle einer Insolvenz für die Abwicklung zuständig wäre.
Banken, die sich nicht nach dem neuen EU-Recht regulieren lassen wollen, wie die Sparkassen und Genossenschaftsbanken‧, können im bisherigen nationalen‧ differenzierten Regulierungsrahmen verbleiben.
Um das volle Potenzial eines einheitlichen Finanzmarktes zu nutzen, sollte zudem gleichzeitig auch die Kapitalmarktunion vorangetrieben werden, um die Finanzierung von Unternehmen über den Kapitalmarkt zu erleichtern und die Abhängigkeit von der in Kontinentaleuropa weitverbreiteten Bankenfinanzierung zu verringern.
Konsolidierung im Bankensektor würde angestoßen
Dabei darf sich die EU nicht gegenüber dem Ausland abschotten, weil sie auf Kapital und Finanzdienstleistungen von außerhalb angewiesen ist: Die wichtigsten zwei europäischen Finanzzentren liegen außerhalb der EU (London und Zürich); den ersten EU-Finanzplatz belegt auf Platz zwölf Luxemburg, und Frankfurt folgt auf Platz 16.
Ein derartiger regulatorischer Paukenschlag könnte in kürzester Zeit eine Bankenunion schaffen, die ihren Namen auch wirklich verdient. Dies würde bedeutende Vorteile für Verbraucher, Unternehmen, Banken und die Wirtschaft als Ganzes bringen: Verbraucher und besonders mittelständische Unternehmen würden von besseren und günstigeren Finanzdienstleistungen und einem einfacheren Zugang zu Krediten und Kapital profitieren, die längst überfällige Konsolidierung im zersplitterten europäischen Bankensektor würde in Gang kommen und ein wirtschaftlicher Wachstumsschub angestoßen. Die EU würde damit gestärkt und geeinter als zuvor aus der Krise hervorgehen.
Der Autor ist Verwaltungsratspräsident der UBS Group AG.
Mehr: Europas Banken stehen vor einer Konsolidierungswelle – allerdings nicht sofort
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