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Gastkommentar Es ist Zeit für ein Digitalministerium

Corona hat den technologischen Wandel beschleunigt. Jetzt brauchen wir eine starke Institution, um das Tempo beizubehalten, meint Verena Pausder.
06.08.2021 - 09:51 Uhr Kommentieren
Verena Pausder ist Gründerin von Fox & Sheep, einem der führenden digitalen Verlage für Kinder-Apps. 2016 wurde sie vom Weltwirtschaftsforum zum „Young Global Leader“ ernannt. Sie zählt laut Handelsblatt-Ranking zu den 100 Top-Frauen, die Deutschland voranbringen. Quelle: Patrycia Luckas, Getty, Montage
Die Autorin

Verena Pausder ist Gründerin von Fox & Sheep, einem der führenden digitalen Verlage für Kinder-Apps. 2016 wurde sie vom Weltwirtschaftsforum zum „Young Global Leader“ ernannt. Sie zählt laut Handelsblatt-Ranking zu den 100 Top-Frauen, die Deutschland voranbringen.

(Foto: Patrycia Luckas, Getty, Montage)

Deutschland liegt in puncto digitaler Wettbewerbsfähigkeit weltweit auf Rang 18 – hinter Ländern wie den USA, Singapur, Schweden, Finnland und China. Während China sich laut einem Ranking des Institute for Management Development in den vergangenen fünf Jahren um 19 Plätze auf Rang 16 vorgearbeitet hat, fiel die Bundesrepublik vom 15. auf den 18. Platz zurück.

Da dies vor allem mit politischen Versäumnissen zu tun hat, wünscht sich die Mehrheit der Deutschen laut repräsentativen Umfragen ein eigenes Digitalministerium statt des bisherigen Zuständigkeitswirrwarrs mehrerer Häuser. Als Unternehmensgründerin stellt sich mir die Frage: Wie könnte ein solches Ministerium aus Sicht der Start-up-Welt am besten in Gang gebracht werden?

Wer ein Start-up gründet, beginnt mit einem „Minimum Viable Product“. Das ist eine erste Version des Produkts, noch nicht perfekt, aber im realen Umfeld mit Kunden erprobt. Das Produkt kann dann kontinuierlich verbessert werden. Umgemünzt auf ein Digitalministerium heißt das: 100 Tage nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen müssen Personal und Abteilungen aus anderen Häusern im neuen Ministerium integriert und neue Zuständigkeiten definiert sein.

Arbeitsprozesse und -methoden haben sich dann bereits etabliert und werden routinierter, konkrete Projekt sind in Gang gebracht. Es gilt das Grundprinzip des „fail fast“: Aus anfänglichen Fehlern wird gelernt, Strukturen und Prozesse können so kontinuierlich verbessert werden, die Qualität der Ergebnisse steigt.

Das Digitalministerium ist mit ausreichendem Budget und klaren Kompetenzen ausgestattet. Zuvor hat der Gesetzgeber einen zentralen Vorschlag des Next e.V., eines parteipolitisch unabhängigen Digital-Netzwerks von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, umgesetzt: Digitalfragen fallen nun, anders als bisher, in die „ausschließliche Gesetzgebungskompetenz“ des Bundes. Die entsprechende Passage des Grundgesetzartikels 73 wurde geändert – was für Postwesen und Telekommunikation gilt, gilt nun auch für Digitalisierung.

Von Best Practices lernen

So schaffen wir einheitliche Standards und erhöhen das Tempo. Das Digitalministerium muss das Rad nicht neu erfinden, es sollte vielmehr von Best Practices lernen. Viele Start-ups starten mit einer Marktanalyse: Was gibt es schon, was kann man übernehmen, was besser machen? Nach diesem Prinzip analysiert das Ministerium die Digitalisierungserfolge anderer Länder. Es gilt der „Sandkasten-Ansatz“. Unternehmer können Innovationen in einem vereinfachten Regulierungsumfeld oder – wie in Taiwan – in Modellregionen testen.

Das Digitalministerium bemüht sich, dem Beispiel von Start-ups folgend, bei der Rekrutierung des Führungspersonals von Anfang an um Toptalente. Das neue Ministerium muss also Experten und Expertinnen aus der Privatwirtschaft einstellen. Ihnen fehlt es zwar zunächst an Verwaltungserfahrung. Dieses Manko wird aber durch den Transfer von Praxiswissen ins Ministerium mehr als ausgeglichen.

Fast drei Viertel der Deutschen wünschen sich übrigens, dass dieses Haus von einer Spitzenkraft aus der Digitalwirtschaft geführt wird, wie eine Onlineumfrage des Forschungsinstituts Civey ergab. Mir würde da spontan die Leiterin des Digitalrats der Bundesregierung, Katrin Suder, einfallen oder Katharina Borchert, Mitglied des Handelsblatt-Herausgeberbeirats.

Ist die Führungsebene besetzt, gilt es, ein starkes Team aufzubauen. Start-up-Teams zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie nicht für jeden Handgriff eine externe Agentur beauftragen müssen. Mit der DigitalService4Germany hat der Bund bereits ein eigenes Team für Projektleitung, Produktdesign und Softwareentwicklung. Diese Einheit sollte zu einer starken Umsetzungs-Taskforce des Ministeriums ausgebaut werden.

Es gelten vier Topprioritäten

Die begrenzten Ressourcen zwingen Start-ups dazu, sich klar zu fokussieren. Der Erfolgsdruck, unter dem ein Digitalministerium stünde, wäre ein ähnlicher „Fokusgeber“. Deshalb sollte das Ministerium sich in der kommenden Legislaturperiode an vier Topprioritäten messen lassen:

  1. Der Einführung einer E-Identität, mit der Bürgerinnen und Bürger sich bei Behörden einfach und sicher digital ausweisen können. Die E-Identität könnte auch in der Privatwirtschaft genutzt werden, etwa gegenüber Banken und Versicherungen.
  2. Dem Aufbau eines zentralen digitalen Bürgeramts, in dem alle Prozesse, die in der Verantwortung des Bundes liegen, digital abgewickelt werden können – etwa die Kfz-Anmeldung oder die Beantragung eines digitalen Unternehmenskontos. Das zentrale Bürgeramt fungiert auch als „Appstore“ für alle weiteren Dienstleistungen von Bundesministerien und Bundesländern, die an das digitale Bürgeramt andocken wollen.
  3. Der Etablierung eines Bürgerdatenportals, in dem man auf einen Blick sehen kann, welche persönlichen Daten wo hinterlegt sind, was wo und wie lange gespeichert wird. In dem Portal müssten alle Bürger und Bürgerinnen mit individuellen Zugriffsrechten ihre Daten verwalten können.
  4. Dem Fokus auf digitale Bildung, insbesondere dem Ausbau der Hard- und Software an den Schulen. Dafür müsste das Grundgesetz erneut geändert und das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufgehoben werden, um über den Digitalpakt hinaus zusammenarbeiten zu können.

Wie bereits angedeutet, beruht die viel zitierte Fehlerkultur bei Start-ups darauf, dass man Fehler früh erkennt und transparent macht, weil man vorher klare Ziele festgesetzt hat und messen kann, inwieweit sie verfehlt oder erreicht wurden. Das Digitalministerium braucht für die vier Topprioritäten ein entsprechend transparentes Trackingtool.

Ministerium muss sich selbst überflüssig machen

Intern werden diese Prioritäten in sogenannte „Objectives and Key Results“ übersetzt: Jede Abteilung hat eigene Kennzahlen, die sie erreichen muss, um zu den Fokusthemen beizutragen. So wird für alle Mitarbeitenden deutlich, wie ihr Handeln sich auf den Erfolg beziehungsweise Misserfolg des Ministeriums auswirkt.

Eine solche Transparenz zu schaffen erfordert sicherlich Mut. Man sollte allerdings bedenken: Wenn Start-up-Gründer ihre Ziele deutlich verfehlen, werden sie entweder ausgewechselt oder das Unternehmen geht pleite. Insofern muss auch dem vom Steuerzahler finanzierten Digitalministerium klar sein, dass es seine Existenz nur durch erfolgreiche Arbeit und Realisierung der Ziele legitimieren kann.

An dieser Stelle kommt noch ein besonderer Aspekt ins Spiel: Das Digitalministerium sollte es nicht länger als zwei Legislaturperioden geben. Das Haus müsste den Anspruch haben, nach acht Jahren alle derzeitigen und künftigen zentralen Aufgaben gelöst und Digitalisierung in allen Fachressorts so fest verankert zu haben, dass es kein eigenes Digitalministerium mehr braucht.

Es müsste also zeigen, dass die Erkenntnis des 1920 gestorbenen Soziologen Max Weber, Bürokratie hätte die Tendenz, sich ständig zu vergrößern und gegenüber der Gesellschaft zu verselbständigen, im digitalen Zeitalter überholt sein könnte.

Die Autorin: Verena Pausder ist Gründerin von Fox & Sheep, einem der führenden digitalen Verlage für Kinder-Apps. 2016 wurde sie vom Weltwirtschaftsforum zum „Young Global Leader“ ernannt. Sie zählt laut Handelsblatt-Ranking zu den 100 Top-Frauen, die Deutschland voranbringen.

Mehr: Bitkom-Präsident will entscheidungsfreudigen Bundes-Digitalminister

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