Gastkommentar: Europa muss eine glaubwürdige Drohkulisse gegenüber Russland aufbauen

Axel Ockenfels (r.) ist Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Köln, Achim Wambach ist Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW.
Die Verunsicherung ist groß. Russland hat seine Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 um 60 Prozent reduziert, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Netzagentur-Präsident Klaus Müller spricht davon, dass sich die Situation entscheidend geändert habe, wo es doch „bislang in der russischen Logik [lag], Deutschland weiter Gas verkaufen zu wollen“.
Dabei entsprechen die jüngsten Lieferausfälle aber der Logik des strategischen Verhaltens Russlands. Russland hatte bereits im vorherigen Jahr systematisch europäische Speicher nicht aufgefüllt. Im März stellte Russland seine Forderungen für den Gasbezug auf Rubel um.
Solche Schachzüge sind kein „Gamechanger“. Sie sind vielmehr Teil einer schlüssigen Strategie im Spiel mit dem Ziel, die politischen und ökonomischen Verwundbarkeiten des Westens in dem Gaskonflikt auszunutzen. Die Befüllung der europäischen Speicher, die gerade an Fahrt aufgenommen hat, soll erschwert werden. Zusätzlich profitiert Russland von den resultierenden Gaspreiserhöhungen auch wirtschaftlich.
Einige Schachzüge können auch als Antwort auf eine europäische Politik interpretiert werden, die angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine so schnell wie möglich und unwiderruflich alle Energieeinfuhren aus Russland stoppen möchte, gleichzeitig aber noch einige Zeit auf Russlands Gaslieferungen angewiesen ist.





