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Gastkommentar Europas Geldhäuser müssen wettbewerbsfähiger werden

Schafft die Politik nicht bald einen einheitlichen EU-Finanzbinnenmarkt, gibt es auf dem Kontinent in fünf Jahren keine international bedeutende Bank mehr, warnt Hans-Walter Peters.
06.04.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Hans-Walter Peters ist (mit einer kurzen Unterbrechung 2020) seit 2016 Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken. Er ist seit Jahresbeginn Vorsitzender des Verwaltungsrats der Privatbank Berenberg, die er ab 2009 als Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter geleitet hat.
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Hans-Walter Peters ist (mit einer kurzen Unterbrechung 2020) seit 2016 Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken. Er ist seit Jahresbeginn Vorsitzender des Verwaltungsrats der Privatbank Berenberg, die er ab 2009 als Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter geleitet hat.

Es ist ein offenes Geheimnis und wird dennoch kaum zur Kenntnis genommen: Die europäischen Banken drohen gegenüber den Konkurrenten aus Übersee den Anschluss zu verlieren. Das ist für die europäische Wirtschaft – global ausgerichtet und auf weltweit tätige Institute angewiesen – eine beunruhigende Nachricht. Zumal sich die Situation in den vergangenen Jahren noch einmal zugespitzt hat, wie verschiedene Zahlen belegen.

Wer auf Tabellenplatz 17 rangiert, würde in jeder europäischen Fußballliga tief im Abstiegskampf stecken. Im Ranking der nach Börsenwert größten Banken der Welt ist der 17. Rang gegenwärtig aber das Höchste der Gefühle für Institute aus der Europäischen Union. Gerade mal zwei von ihnen finden sich unter den Top 20 wieder: die französische BNP Paribas und die spanische Banco Santander.

Vergleicht man die Marktkapitalisierung der amerikanischen und europäischen Banken miteinander, so wird deutlich, dass sich die Schere in den vergangenen zehn Jahren erheblich geöffnet hat: Waren die vier größten US-Institute 2010 etwa 1,4-mal so viel wert wie die vier größten europäischen, so bringen sie gegenwärtig mehr als das 3,5-Fache auf die Waage. Auch andere Zahlen verheißen nichts Gutes.

2019 etwa erzielten die größten europäischen Institute nur gut sechs Prozent Eigenkapitalrendite, die US-Banken hingegen 13 Prozent. Welche Ursachen gibt es hierfür? Und was muss geschehen, damit europäische Banken die Kluft zu den nordamerikanischen, aber auch den asiatischen Instituten wieder schließen können?

Zugegeben, Unternehmen müssen immer zuerst bei sich selbst anfangen, wenn Konkurrenten besser abschneiden. Doch davon abgesehen sehen wir auch bei Politik, Aufsicht und Notenbanken Handlungsbedarf. Schließlich besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass ein wettbewerbsfähiger europäischer Finanzsektor von zentraler Bedeutung für ein souveränes Europa ist. Was also ist zu tun?

Der gravierendste Unterschied zwischen dem US-amerikanischen und dem europäischen Finanzmarkt springt sofort ins Auge: Die US-Institute agieren auf einem riesigen Binnenmarkt, die EU-Institute mehr oder weniger auf 27 Einzelmärkten. Grenzüberschreitendes Banking in der EU ist noch immer keine Selbstverständlichkeit, es gleicht eher einem Hindernislauf, bei dem unterschiedliche Insolvenz- und Verbraucherschutzregeln genauso berücksichtigt werden müssen wie Regulierungsvorschriften, die bankinterne Kapitalbewegungen behindern. Das erschwert auch grenzüberschreitende Zusammenschlüsse von Banken.

Eine stärkere Integration des EU-Finanzbinnenmarktes würde nicht nur zu besseren Angeboten für Verbraucher und Unternehmen führen, sondern auch den Banken enormen Rückenwind verschaffen: Auf 95 Milliarden Euro könnten sich die Kostenvorteile im europäischen Bankensektor jährlich belaufen, so die Berechnungen der Beratungsgesellschaft Copenhagen Economics.

Den Finanzstandort Europa stärken

Ein echter Binnenmarkt für Banken bedeutet, dass es einheitliche Regeln gibt und paneuropäische Banken Kapital und Liquidität grenzüberschreitend bewegen können. Ein solcher Finanzbinnenmarkt erleichtert notwendige Fusionen und stärkt den Finanzstandort Europa. Die Politik sollte alles tun, um ihn endlich zu verwirklichen.

Die europäische Bühne ist auch der Ort, an dem die digitale Transformation der Banken durch ein kluges und faires Gesetzeswerk flankiert werden muss. Bislang herrschen zwischen Banken einerseits und neuen Anbietern im Finanzbereich andererseits zum Teil ungleiche Wettbewerbsbedingungen. Vor allem mit Blick auf die Online-Plattformen hat das erhebliche Auswirkungen. Im Einzelnen geht es um divergierende Aufsichtsregeln, einseitige Zugriffsrechte auf Daten und das Ausnutzen von Marktmacht, die es Plattformanbietern ermöglicht, Produkte und Dienstleistungen einseitig zu bevorzugen und so den freien Wettbewerb zu behindern.

Der europäische Gesetzgeber ist hier teils schon tätig, etwa mit dem „Digital Markets Act“, doch wir benötigen noch mehr Anstrengungen, um gleiche digitale Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Ein europaweit einheitliches Regelwerk aus gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben, das das Prinzip „gleiches Geschäft, gleiche Risiken, gleiche Regeln“ durchgängig einhält, ist notwendig, um Innovationen zu fördern, europäische Banken zu stärken und den Missbrauch von Daten und Marktmacht zu verhindern.

Es ist kein Geheimnis: Europäische Banken sind stärker abhängig vom Zinsgeschäft als ihre amerikanischen Wettbewerber. Deshalb machen die niedrigen Zinsmargen im Kreditgeschäft europäischen Instituten auch mehr zu schaffen. Doch es ist eben nicht nur die Niedrigzinsphase, unter der Europa und die europäischen Banken leiden. Seit Juni 2014 verhängt die Europäische Zentralbank (EZB) – anders als die amerikanische Notenbank Fed – Negativzinsen für die Einlagen der Banken.

Das Meldewesen bindet viele Ressourcen

Was anfangs nur ein Ärgernis war, hat sich längst zu einer großen Belastung entwickelt. Die Strafzinsen belaufen sich zurzeit auf 14 Milliarden Euro im Jahr. Seit 2014 haben die europäischen Banken 37 Milliarden Euro an die EZB überweisen müssen. Doch diese Belastung ist nicht alternativlos, wie das Beispiel anderer Notenbanken zeigt: Sie haben die Freibeträge für die Banken entweder noch einmal deutlich angehoben oder erst gar keine Negativzinsen erhoben. Die EZB sollte sich hieran ein Beispiel nehmen.

Die Liquiditätsflutung der Märkte durch die EZB führt nicht nur zu einer höheren Negativzinsbelastung, sondern auch zu einer höheren Bankenabgabe, da sich die Zielhöhe des Bankenabwicklungsfonds – und damit die Höhe der jährlich zu entrichtenden Bankenabgabe – an den Spareinlagen orientiert. Die Bankenabgabe startete bei einer Zielausstattung von 55 Milliarden Euro, nun liegt sie voraussichtlich bei 78 Milliarden.

Und das ist nicht der einzige Kostenfaktor: Die Umsetzung des Regulierungspakets „Basel IV“ ist zwar verschoben worden, die Rechnung aber werden die europäischen Institute dennoch zahlen müssen; die deutliche Steigerung der Mindestkapitalanforderungen wird auf mehrjährige Zusatzbelastungen hinauslaufen. Das Meldewesen, dessen Umfang sich nach der Finanzkrise verdreifacht hat, bindet viele Ressourcen. Und das Gespenst „Finanztransaktionssteuer“ ist auch wieder zurück.

Nein, dies ist nicht die obligatorische Warnung vor einem Zuviel an Regulierung. Es ist lediglich der Hinweis, dass Regulierung nicht nur eine Stabilisierungsfunktion hat, sondern auch ein Wettbewerbsfaktor ist.

Jeder, der die Banken in einem schwierigen Marktumfeld zusätzlich belastet, muss sich im Klaren sein, welche Folgen das hat. Wenn wir nicht aufpassen, gibt es in fünf Jahren keine europäische Bank mehr mit internationaler Bedeutung. Das ist weder im Interesse der europäischen Kunden, noch kann es im Interesse der europäischen Politik sein.

Der Autor: Hans-Walter Peters ist (mit einer kurzen Unterbrechung 2020) seit 2016 Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken. Er ist seit Jahresbeginn Vorsitzender des Verwaltungsrats der Privatbank Berenberg, die er ab 2009 als Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter geleitet hat.

Mehr: Bankenverband warnt: Politik muss die Fesseln lösen.

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