Gastkommentar: Greta Thunberg irrt sich – Deutschland ist kein „Klimaschurke“

Deutschland hat seit dem Jahr 2000 das weltweit höchste Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien vorgelegt.
Bei der Klimastreik-Demonstration am 24. September 2021 in Berlin hat Greta Thunberg erklärt: „Deutschland ist einer der größten Klimaschurken.“ Diese Aussage ist vollkommen unangemessen.
Tatsache ist: Während weltweit die globalen CO2-Emissionen in den vergangenen dreißig Jahren um 50 Prozent gestiegen sind, konnte Deutschland sein Treibhausgas-Minderungsziel von 40 Prozent gegenüber 1990 einhalten.
Zwar liegt die CO2-Emission pro Kopf der Bevölkerung in Deutschland mit 7,3 Tonnen deutlich über dem Weltdurchschnitt von 4,1 Tonnen im Jahr 2020. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Deutschland eine hohe Wirtschaftsleistung erbringt und als Exportland auch für Abnehmer im Ausland produziert.
Pro Einheit Bruttoinlandsprodukt ist die CO2-Emission in Deutschland weniger als halb so hoch wie im weltweiten Durchschnitt. Eine Verlagerung von Produktion aus Deutschland ins Ausland wäre global nicht mit einer Senkung der CO2-Emissionen verbunden. Eher wäre mit dem Gegenteil zu rechnen.
Deutschland hat seit dem Jahr 2000 das weltweit höchste Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien vorgelegt. Seitdem hat sich deren Anteil an der Stromerzeugung auf 44 Prozent im Jahr 2020 versiebenfacht.
Hohe Strompreise in Deutschland
2000 rangierte Deutschland im Kreis der G20 – gemessen am prozentualen Beitrag erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung – noch auf Platz 15. Im vergangenen Jahr erreichten die erneuerbaren Energien innerhalb der G20-Gruppe nur in Brasilien und in Kanada größere Anteile als in Deutschland. Dort ist die reichlich verfügbare Wasserkraft die wichtigste erneuerbare Energiequelle, in Deutschland sind es Wind- und Solarenergie sowie Biomasse.

Der Autor ist Mitglied im Studies Committee des World Energy Council sowie Vorsitzender der Redaktionsgruppe Energie für Deutschland des Weltenergierats in Deutschland. Ende der 70er Jahre war er als Referent des Bundeswirtschaftsministeriums für das Informationssystems zur Kosten- und Ertragslage im Mineralölbereich (NIS) zuständig.
Der in Deutschland erfolgte Ausbau der erneuerbaren Energien wurde vom Verbraucher über die auf den Strompreis erhobene EEG-Umlage finanziert. Die von den Stromverbrauchern geleisteten Förderbeiträge beliefen sich im Zeitraum 2000 bis 2020 auf insgesamt rund 244 Milliarden Euro.
Positive Konsequenz war eine massive Senkung der Preise für Wind- und insbesondere für Solaranlagen. Das hat den Einstieg anderer Staaten in diese Technologien stark begünstigt. Eine Folge ist allerdings auch, dass in Deutschland insbesondere für die privaten Verbraucher – stark mitverursacht durch die EEG-Umlage – die weltweit höchsten Strompreise gelten.
Dies ist unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes kontraproduktiv. Die vermehrte Bereitstellung von Strom durch forcierten Ausbau erneuerbarer Energien, etwa zur Erzeugung von Wasserstoff, ist nämlich der beste Garant für fortgesetzte Erfolge bei der Dekarbonisierung.
Verstärkte CO2-Bepreisung
Der Schlüssel für die zur Einhaltung der Pariser Klimaziele notwendige Trendwende bei der globalen Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen liegt in einer verstärkten Bepreisung von CO2.
Bisher findet eine signifikante direkte und indirekte Bepreisung von CO2 – über die Besteuerung von Energieerzeugnissen oder von CO2 bzw. über Emissionshandelssysteme – im Wesentlichen in Europa statt.
Außerhalb Europas sind die an die Emission von CO2 geknüpften Belastungen meist noch sehr überschaubar. In einer Reihe von Weltregionen, etwa in den Staaten des Mittleren Ostens oder auch in Russland, gelten sogar Verbraucherpreise für Energieerzeugnisse, die unterhalb der Opportunitätskosten, also der Verzichtskosten – gemessen an den am Weltmarkt erzielbaren Preisen – liegen. Eine solche Subventionierung, also eine negative CO2-Bepreisung, wirkt einer Verringerung der Energie- und der CO2-Intensität entgegen.
Die Erhöhung des Ambitionsniveaus beim Klimaschutz ist unverzichtbar. In Deutschland und in der EU sind die Treibhausgas-Minderungsziele in jüngster Zeit deutlich verschärft worden. So sollen die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland bis 2030 um 65 Prozent und in der EU um 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Bis 2045 strebt Deutschland Klimaneutralität an.
Allerdings steht die EU-27 nur für acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Neben einer ambitionierten Klimapolitik in Deutschland und in der EU ist somit entscheidend, dass andere Staaten folgen.
Verzichtsideologien sind dafür kein tauglicher Ansatz. Dies würde die wirtschaftlich aufstrebenden Staaten Asiens kaum bewegen, dem europäischen Beispiel zu folgen. Vielmehr ist der Beweis zu erbringen, dass Wohlstand und Klimaschutz keine Gegensätze sind.





Eine Verstärkung der internationalen Kooperation ist dafür unerlässlich. Der wichtigste Schritt wäre eine Verständigung auf eine schrittweise globale Harmonisierung der CO2-Bepreisung. Damit würden durch die Marktkräfte die maßgeblichen Anreize gesetzt werden, klimafreundliche Technologien weltweit voranzutreiben. Wirtschaftliche Schrumpfung ist dagegen keine nachhaltige Strategie, um die notwendigen Emissionsreduktionen zu erreichen.





