Gastkommentar: Kapitalflucht aus Südeuropa

Hans-Werner Sinn ist Professor für Nationalökonomie an der Uni München und ehemaliger Präsident des Ifo-Instituts.
Nun ist es also passiert: Im Juli überschritten die Target-Forderungen der Bundesbank das erste Mal in der Geschichte mit einem Wert von 1019 Milliarden Euro die Billionen-Grenze. Damit erreichten sie einen Wert von etwa 46 Prozent des gesamten Nettoauslandsvermögens, das die deutsche Volkswirtschaft durch ihre Exportüberschüsse akkumuliert hat, soweit es nicht inzwischen durch Abschreibungsverluste verloren gegangen ist.
Das klingt komplex, im Grunde genommen geht es um Folgendes: Erst wurden die Exportüberschüsse in Form privaten Auslandsvermögens akkumuliert, und anschließend wurde dieses private Auslandsvermögen im Zuge der Bail-out-Aktionen der Europäischen Zentralbank (EZB) fast zur Hälfte in Target-Kreditforderungen der Bundesbank umgetauscht. Zum Teil wurden die Exportüberschüsse aber auch zeitgleich von der Bundesbank kreditiert.
In Deutschland ansässige Anleger halten nun in weit überproportionalem Umfang Zentralbankgeld, während die einst akkumulierten privaten Vermögenstitel im Ausland großenteils wieder an das Ausland zurückgegeben wurden, entweder direkt oder indirekt durch die Übereignung gleichwertiger deutscher Vermögenswerte.
Die Target-Forderungen stehen im Feuer, sollten Target-Defizitländer den Euro verlassen oder finanziell kollabieren. Sie sind gefährdet, sollte der riesige Überhang an Zentralbankgeld, den die EZB mit ihren Aktionen geschaffen hat und der beim Auslaufen der bereits beschlossenen Programme vier von fünf Billionen Euro Zentralbankgeld betreffen dürfte, eines Tages inflationär entwertet werden.





