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GastkommentarMänner, Boni und Bankenpleiten

Aus den vergangenen Bankenkrisen wurde zu wenig gelernt. Die wichtigste Regulierung wäre ein eigenes Bankeninsolvenzrecht, meint Spieltheoretiker Marcus Schreiber. 31.03.2023 - 15:37 Uhr Artikel anhören

Die schwer angeschlagene Schweizer Großbank Credit Suisse wird vom größeren Lokalrivalen UBS übernommen.

Foto: dpa

Mein Vater schleppte mich schon als 14-Jährigen zu Vorträgen des Börsengurus André Kostolany. Ich hatte all dessen Grundprinzipien verstanden: Nie mit der Herde laufen, antizyklisch unterwegs sein, nur Geld anlegen, auf das man auch verzichten kann. „Verstanden“ heißt aber nicht „verinnerlicht“.

Als ich meine Karriere in den späten 90ern begann, wusste ich dennoch alles besser. Mitten in der Dotcom-Blase startete ich mit 20.000 Mark Studienschulden, lebte weiter wie ein Student, investierte jeden verfügbaren Pfennig meines Gehalts, nahm Kredite auf und hebelte mein Anlagevermögen mit Fremdkapital.

Nach drei Jahren hatte mein Depot den Wert eines Münchner Reihenhauses, beim Platzen der Blase hatte ich zwei Bruttojahresgehälter verloren und einen Berg Schulden. Es war dennoch eine gute Investition. Denn es hat mich Demut gelehrt, von der ich hoffentlich die darauffolgenden 50 bis 60 Jahre als Anleger profitiere.

Im Moment kommen mir massive Zweifel, ob wir als Gesellschaft genauso konsequent unsere Schlüsse aus vergangenen Bankenkrisen gezogen haben. In den Augen der Medien lag die „Schuld“ an der Finanzkrise 2008 an gierigen Bankern und deren unverschämten Boni, zu wenig Regulierung und einem Klub risikofreudiger alter Männer. Als Ökonom habe ich einen etwas anderen Blick auf die drei vermeintlichen Ursachen.

Boni an sich sind kein Problem. Ersetzt man das Wort „Bonus“ durch „variables Einkommen“, bekommt es sofort eine andere Konnotation. Dass man unterproportional verdient, wenn es dem Arbeitgeber schlecht geht und dafür entsprechend mehr, wenn es gut läuft, ist nicht nur fair, sondern es entspricht auch marktwirtschaftlichen Prinzipien.

Weder Boni noch deren Höhe sind das Problem, sondern die negativen externen Effekte, die sich aus der Ausgestaltung eines Bonus-Systems ergeben können. Wenn es gut läuft, kassieren die Banker die Boni, aber wenn es schlecht läuft, wischt die Allgemeinheit die Scherben auf. Die Gesellschaft trägt also im Extremfall das „Downside“-Risiko der Entscheidungen der Banker.

Marcus Schreiber ist Gründungspartner und Chief Executive Officer bei TWS Partners. Er verfügt über langjährige Erfahrung im strategischen Einkauf und breites Branchen-Know-how. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich strategischer Einkauf, angewandte Industrieökonomik und Market Design. Außerdem unterstützt er Unternehmen dabei, spieltheoretisches Wissen in komplexen Vergabeentscheidungen anzuwenden. Foto: Joe McKendry

Um das Risko, das von Banken ausgeht, zu minimieren, spielt die Eigenkapitaldeckung eine wesentliche Rolle. Allerdings hält einer der führenden Ökonomen, Martin Hellwig, selbst die angezogenen Schrauben von Basel III für völlig unzureichend und fordert nicht nur eine Eigenkapitalquote von 20 Prozent, sondern auch, dass weder Dividenden noch Boni ausbezahlt werden dürfen, solange nicht eine Quote von 30 Prozent erreicht wurde. Ich würde sogar noch weiter gehen und Boni ab einer gewissen Größenordnung nur über fünf Jahre auszahlen lassen und ihnen den Status eines Eigenkapitalersatzes geben.

Einfache Regeln, große Anreizwirkung

Haben wir zu wenig Regulierung? Als Ökonom bin ich überzeugt, dass die Qualität wichtiger ist als die Anzahl der Regulierungen. Die wichtigste regulatorische Forderung, die nach einem eigenen Bankeninsolvenzrecht, ist bis heute nicht umgesetzt. Warum aber ist diese Forderung so wichtig?

Banken sind seltsame Gebilde. So gut wie jede Bank würde pleitegehen, wenn alle Einlagen mit einem Schlag abgezogen werden. In spieltheoretischer Sprache haben Banken genau zwei Gleichgewichte. Eines, in dem alle der Bank vertrauen und alles gut ist. Und ein zweites, in dem Misstrauen ausbricht, es zu einem „Bank-Run“ kommt und die Bank pleitegeht oder gerettet werden muss.

>> Lesen Sie auch: Wie es zum tiefen Fall der Credit Suisse kommen konnte

Retten ist ungerecht und bietet schlechten Banken einen Fallschirm. Wenn jedoch die Hausbank eines ansonsten gesunden Unternehmens bankrottgeht, geht auch das Unternehmen selbst mit hoher Wahrscheinlichkeit pleite, weil Geld für anstehende Zahlungsverpflichtungen weg wäre. Auch das wäre ungerecht.

Deswegen würde jeder rationale Unternehmer bei Zweifeln an der Zahlungsfähigkeit seiner Hausbank sofort alle Einlagen abziehen – und damit den tatsächlichen Bankenzusammenbruch erst mitauslösen und die Bank vom stabilen Gleichgewicht ins instabile bringen. Und dies nur, weil er den Schutz seines eigenen Unternehmens im Auge hat.

Die Lösung liegt im Bankeninsolvenzrecht und der spieltheoretischen Überlegung dahinter. Eine betroffene Bank könnte für eine theoretische Sekunde insolvent sein, in der das Eigenkapital der Eigner und die über fünf Jahre angehäuften Boni der Banker weg wären. Eine Sekunde später würden alle Spar- und Giroeinlagen durch die EZB und Regierung gesichert.

>> Lesen Sie auch: Warum die Bankenkrisen nicht enden

Dies hätte zur Folge, dass es keinen Anreiz mehr gäbe, in Panik Geld abzuziehen. Ginge eine Bank unter einem solchen Insolvenzrecht pleite, würden erst einmal Eigner und Manager voll in der finanziellen Haftung stehen, ohne dass es die Gefahr der Ansteckung der Realwirtschaft gäbe.

Auf die Erfahrung kommt es an

Ein schöner Nebeneffekt: Banker würden plötzlich zu besten Risikomanagern im Interesse der Allgemeinheit werden. Jemand, der jahrelang für seine Boni gebuckelt hat, wird höllisch darauf achten, dass sein in den nicht ausgezahlten Boni steckendes Vermögen, das er in den fünf Jahren zuvor angesammelt hat und jetzt als Eigenkapitalersatz dient, nicht durch übermäßige Risiken verloren geht.

Abschließend noch zu den alten Männern. Frau Lagarde meinte, Lehman Brothers wäre nicht pleitegegangen, wenn es die „Lehman Sisters“ gewesen wären. Und richtig, nicht nur meine eigene „spätjugendliche Erfahrung“, auch empirische Daten zeigen, dass testosterongetränkte Männer viel risikofreudiger sind als eine weibliche Vergleichsgruppe.

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Gut gemanagtes Risiko per se ist nicht das Problem – Selbstüberschätzung schon, wie ich selbst lernen musste. Die gerade dilettantisch pleitegegangene Silicon Valley Bank hatte jedoch ein ausschließlich weibliches, junges Investmentboard und eine rein weibliche Leitung des Risikomanagements. Angelsächsische, konservative Medien arbeiten sich nun daran ab, dass sich die Bank auf „woke“ Nebenschauplätze konzentriert hat, statt ihre Hausaufgaben zu machen.

Nach all dem Lärm nach 2008 hätte man auch hierzulande diskutieren können, dass es sich offenbar weniger um ein Frauen/Männer-Thema handelt, sondern in Investmentboards unterschiedliche und vor allem erfahrene Personen sitzen müssen. Meine Anlage-Helden sind nach wie vor der in Investmentfragen konservative und über 90-jährige Warren Buffet und sein fast 100-jähriger Partner Charly Munger.

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